BERLIN. (hpd) Mit aller Gewalt und gegen alle vernünftigen Argumente wollen einzelne Angeordnete aller Fraktionen einen Gottesbezug in die Landesverfassung von Schleswig-Holstein aufnehmen. Ihnen passt die erst im Dezember 2014 beschlossene "gottlose" Präambel nicht.
Einzelne Abgeordneter aller Fraktionen des Schleswig-Holsteinischen Landtags wollen folgenden Gottesbezug in die Landesverfassung aufnehmen: "Die Verfassung schöpft aus dem kulturellen, religiösen und humanistischen Erbe Europas und aus den Werten, die sich aus dem Glauben an Gott oder aus anderen Quellen ergeben."
Auch dieser Vorschlag der Abgeordneten Martin Habersaat und Dr. Ralf Stegner nimmt nicht zur Kenntnis, dass die überwältigende Mehrheit der Bürger des Landes Schleswig-Holstein mit der gültigen Fassung der Präambel zufrieden sind und eine Änderung nicht wünschen.
Die aktuelle Fassung lautet:
Der Landtag hat in Vertretung der schleswig-holsteinischen Bürgerinnen und Bürger auf der Grundlage der unverletzlichen und unveräußerlichen Menschenrechte als Fundament jeder menschlichen Gemeinschaft, des Friedens und der Gerechtigkeit, in dem Willen, Demokratie, Freiheit, Toleranz und Solidarität auf Dauer zu sichern und weiter zu stärken, im Bewusstsein der eigenen Geschichte, bestrebt, durch nachhaltiges Handeln die Interessen gegenwärtiger wie künftiger Generationen zu schützen, in dem Willen, die kulturelle und sprachliche Vielfalt in unserem Land zu bewahren, und in dem Bestreben, die Zusammenarbeit der norddeutschen Länder sowie die grenzüberschreitende Partnerschaft der Regionen an Nord- und Ostsee und im vereinten Europa zu vertiefen, diese Verfassung beschlossen…
Die Laizistischen Sozis haben in einer Stellungnahme die Ablehnung des Vorschlages gefordert: "Eine individuelle Werteerkenntnis per Verfassungsrang ist problematisch, denn die 'anderen universellen Quellen' werden nur summa summarum genannt, jedoch der 'Glauben an Gott' als exemplarisch angesehen. Indirekt werden die übrigen Wertequellen abgewertet und das Anliegen des ersten Satzteiles, auf die Vielfalt möglicher Quellen von Werten demütig hinzuweisen, die eine solche Landesverfassung begleiten, ad absurdum geführt."
Sie plädieren dafür, "die bestehende Präambel der Landesverfassung Schleswig-Holsteins zu behalten und alle Änderungsanträge abzulehnen."
Auch nach Auffassung des Fraktionsvorsitzenden der Piratenpartei, Dr. Patrick Breyer, gibt es keine Veranlassung für eine Änderung: "Mit immer neuen Wortklaubereien versucht Herr Dr. Stegner zu verschleiern, dass er gegen den Willen der überwältigenden Mehrheit der Schleswig-Holsteiner unsere Verfassung auf eine religiöse Grundlage stellen will."
Die Menschenrechte als Wertefundament der Verfassung sollen abgelöst werden durch einen Rückgriff auf religiösen Glauben. "Ich hätte nicht gedacht, dass so etwas im 21. Jahrhundert noch möglich ist." Die eindeutige Trennung von Staat und Religion ist der Grundstein für eine weltoffene und vielfältige Gesellschaft. "Schleswig-Holsteins jahrzehntelange Verfassungstradition weltanschaulicher Neutralität darf nicht durch einen 'Gottesstaat light' ersetzt werden!" forderte Dr. Breyer.
Der Kieler Landtag bat unter anderem auch die Säkularen Grünen um eine Stellungnahme. Darin heißt es: "Die Notwendigkeit einer Änderung der Landesverfassung ist ebensowenig dargetan wie deren Sinnhaftigkeit in einer pluralistischen multireligiösen und -weltanschaulichen Gesellschaft. … Die Aufnahme eines diffusen Gottesbegriffs in die Landesverfassung könnte sogar ein Signal in Richtung eines Primats christlich-abendländischer Vorstellungen verstanden … werden." Deshalb empfehlen auch die Säkularen Grünen, eine Änderung der Präambel abzulehnen.
Der Landtag wird in zwei Wochen über zurzeit drei Vorschläge zur Aufnahme eines Gottesbezugs in die Schleswig-Holsteinische Landesverfassung abstimmen. Die Abstimmung erfolgt in Reaktion auf eine von Religionsgemeinschaften unterstützte Volksinitiative zur Einfügung eines Gottesbezugs.
8 Kommentare
Kommentare
Wolfgang am Permanenter Link
Ein Land, das unbedingt einen imaginären Gott in seiner Verfassung einbeziehen möchte, ist in keiner guten geistigen Verfassung. Vor Gott da knien sie, zum Teufel laufen sie.
Rainer Bolz am Permanenter Link
Man hat Richard Dawkins sehr dafür kritisiert, dass er den Begriff "Gotteswahn" gebrauchte, aber gibt es irgend einen Begriff, der diese alle Dimensionen sprengende Selbstüberschätzung besser treffen würde?<
OHNE GOTT GEHT'S BESSER
Klaus Bernd am Permanenter Link
Das stimmt mich ja richtig optimistisch, dass gleich in zwei relativ grossen Parteien sich laizistische/säkulare Stimmen zu Wort melden und das schwammige Theosprech vernünftig auseinander nehmen.
Und auch die Weisheit eines Thomas Jefferson sollte man nicht unbeachtet lassen. Das sollte eigentlich genügen, um das „Christliche Erbe“ Europas auf den ihm gebührenden Platz in den hinteren Reihen zu verweisen. Es ist schließlich nicht wünschenswert, den nationalstaatlichen Dünkel durch einen europäisch-nationalistischen Dünkel zu ersetzen.
Mustafa am Permanenter Link
Danke an alle, die sich gegen den Gottesbezug in Verfassungen einsetzen!
Eine kleine Demonstration, was bei vorhandenem Gottesbezug in einer Verfassung geschieht, am Beispiel des Grundgesetzes:
Ein Atheist (mit wenig Zeit und nat. Gottesglauben, dafür aber mit um so mehr Wissensdrang und Wohlwollen) schlägt endlich einmal das Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland auf und liest im allerersten Absatz (Präambel):
"Im Bewußtsein seiner Verantwortung vor Gott ..."
An dieser Stelle schmunzelt er, denkt sich "Haha! - Alles klar! - Betrifft mich wohl kaum!" und klappt das Büchlein wieder zu.
So gewinnt ein Staat kein Vertrauen breiter Bevölkerungsschichten. Im Gegenteil - er gerät zur Lachnummer.
Noncredist am Permanenter Link
>> Die Verfassung schöpft aus dem kulturellen, religiösen und humanistischen Erbe Europas und aus den Werten, die sich aus dem Glauben an Gott oder aus anderen Quellen ergeben. <<
Man könnte m.Mng. auch folgendes schreiben: "Die Verfassung schöpft aus dem kulturellen, religiösen und humanistischen Erbe Europas und aus den Werten, die sich aus dem Glauben an Gott, Götter, Göttinnen und anderen supernaturalistischen Vorstellungen unbelegter überdimensionaler Führungspersonen oder aus anderen Quellen wie individuellen Freizeitbeschäftigungen, ehrenamtlichen Arbeiten und alltäglichen Erfahrungen in der sozialen Gesellschaft ergeben."
Ist zwar um einige Worte länger, dafür können sich auch Anhänger des abrahamitischen Monotheismus und Anhänger polytheistischer Religionen gleichermaßen anfreunden. Auch die Freunde des städtischen Brieftaubenzüchtvereins werden genauso in magischen Präambel-Ehren gehalten wie die Segelflieger, Krankenschwestern und Ärzte in unseren Krankenhäusern.
Aber wozu diese superfluide Änderung? Seit wann ist die Erwähnung religiöser Freizeitbeschäftigungen im 21stem Jahrhundert noch in einer Präambel notwendig? Sammler von Briefmarken sind doch für die Verfassung nicht weniger "wertvoll" als die staatlich bezahlten Hochwürden. Auch Pferdezüchter, Barden und Volksschauspieler haben zur Kultur und Stadtbildung beigetragen, ohne eine explizite schriftliche Erwähnung zu bekommen. Theatergänger haben ihren Theaterbesuch ebenfalls nicht in der Präambel erwähnt. Weshalb ist ein verwässerter Bezug zur spirituellen Vorstellung plötzlich notwendig geworden?
Wenn es nichts zu ändern gibt, dann soll es auch so bleiben. Ansonsten ist es nur eine Frage der Zeit, wenn neben den individuellen Weltanschauungen der Bürger noch die individuellen Freizeitbeschäftigungen und Arbeitsplätze eine gleichberechtigte Erwähnung verlangen ;)
Udo Endruscheit am Permanenter Link
Langsam kann ich es nicht mehr hören und lesen.
Wenn schon, denn schon. So weit ist das Selbstverständnis vieler sogenannter demokratischer Politiker davon offenbar nicht entfernt.
Kay Krause am Permanenter Link
Sind das eigentlich dieselben Menschen, welche einerseits in politischen Formulierungen den Gottesbezug fordern, und andererseits brüllen "Ausländer raus!" und tatenlos zuschauen, wenn Asylantenheime brennen
Danke! Auf dieses "Christentum" (?) kann ich nach wie vor gut verzichten!
Es genügt nicht, in die Kirche zu gehen und brav seine Kirchensteuer zu zahlen, um ein Christ zu sein, wie der Begründer dieser Religion (ein Jude übrigens!) es gelehrt hat: ihm ging es um friedliches, soziales
Zusammenleben aller Menschen. Er hat nicht nach dem Woher und Wohin gefragt, nicht nach Hautfarbe oder politischer Einstellung, nicht nach arm oder reich.
Mit einer Klausel für den Gottesbezug in einem deutschen Gesetzbuch werdet Ihr bigotten Rechthaber, Populisten und Angstmacher weder die deutschen Radikalisten noch die muslimischen Terroristen besänftigen können. Die lange Geschichte des Christentums zeigt, dass es nicht geeignet ist, Humanismus zu lehren, mit gutem Beispiel vor zu gehen.
Wozu also diese ganze Aufregung, dieses ganze Palaver? Habt Ihr wirklich nichts Besseres, Wichtigeres zu tun?
Hans Trutnau am Permanenter Link
"Einzelne Abgeordneter aller Fraktionen" - also auch ein paar Piraten? Kann ich mir kaum vorstellen.