Eine Geschichte von Marienverehrung und Hexenwahn

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Marktplatz mit Wallfahrtsbasilika
Marktplatz mit Wallfahrtsbasilika

WERL. (hpd) Nach 350 Jahren Wallfahrt zur “Trösterin der Betrübten”, einer “Ringpfostenstuhlmadonna”, so die kunsttechnische Bezeichnung einer geschnitzten Holzfigur, hat die westfälische Kleinstadt Werl am östlichen Rand des Ruhrgebietes nun im zweiten Anlauf den Zusatznamen “Wallfahrtsstadt” erhalten.

Das ist eigentlich ziemlich uninteressant und auch kaum von überregionalem Interesse. Interessant wird die Geschichte allerdings durch die Zusammenhänge der Werler Wallfahrt mit der “Hexenverfolgung” und der damit verbundenen äußerst beschämenden Diskussion zur Werler “Gedenk- und Erinnerungskultur”. Eine Diskussion, in der die Zusammenhänge zwischen Marienverehrung und Hexenverfolgung verschwiegen werden.

Werl ehrt die Mörder mit Straßennamen

Zudem werden die Machtinstrumente (den Gerichtsstuhl) der Täter durch repräsentative Darstellung in Ehren gehalten.

An eine die Opfer sowie den Kulturbegriff verhöhnende “Veranstaltung” (eine andere Bezeichnung hat die Debatte nach dem Versprechen des Bürgermeisters für eine neue Gedenk- und Erinnerungskultur in Werl nicht verdient) wird auch noch in beschämender Weise eine Diskussion um das Gedenken an die gerade in Werl besonders verfolgten Juden im Nationalsozialismus gekoppelt. Dass das bereits 2011 durch den Bürgermeister gegebene Versprechen für eine neue “Gedenk- und Erinnerungskultur” in Werl bis heute nicht eingehalten wurde, passt in dieses jämmerliche Bild. Wegen der verstrichenen Zeit und der dauernden Vertagung des Themas kann man das Verhalten des Werler Bürgermeisters und seiner Ratsmehrheit zusätzlich auch noch als Blockade werten. Das Thema ist offensichtlich nicht gewollt.

Wenn der Soester Anzeiger am 09. 12. 2014 schreibt: “Weg zur Erinnerung ist endlich frei”, darf die Frage erlaubt sein, wer oder was stand im Wege?

Richtig peinlich wird die Geschichte dieser “Werler Gedenk- und Erinnerungskultur” mit einem im Kommunalwahlkampf 2014 von der CDU gestellten Antrag, die Stadt “Wallfahrtsstadt” zu nennen, und, dass dann dieser Antrag innerhalb weniger Monate umgesetzt wurde.

Zum 350. Wallfahrtsjubiläum 2011 haben wir in einem offenen Brief (der von der Lokalpresse verschwiegen wurde) an den Bürgermeister und die Verantwortlichen für die Wallfahrt auf die Zusammenhänge der Marienverehrung/ Wallfahrt mit der Hexenverfolgung in Werl hingewiesen. Viele weitere Versuche, das Thema in Werl öffentlich zu machen, sind gescheitert. In diesem Zusammenhang kam uns 2014 das Angebot für eine Kandidatur als unabhängiger und sich offen zum Atheismus bekennender Bürgermeisterkandidat einer Protestwählergruppe im katholischen Werl zu kandidieren, sehr gelegen.

Die Chance, das Thema “Marienverehrung/Wallfahrt/Hexenverfolgung” sowie eine säkulare (Kommunal-)Politik als atheistischer Kandidat, in einem in Werl von der Lokalpresse gestützten Katholizismus, in die Öffentlichkeit zu tragen, wollten und durften wir uns nicht entgehen lassen. Das alleine war in einem von vornherein aussichtslosen Wahlkampf, neben einer ehrlichen und am Gemeinwohl ausgerichteten (Kommunal-) Politik, eines der Hauptmotive für die Kandidatur. Unter dieser Voraussetzung wurden und konnten die Werler Protestwähler bewegt werden, gegen den in der Endphase des Wahlkampfes von der CDU gestellten Antrag auf den Namenszusatz “Wallfahrtsstadt” zu stimmen. Dass dieses Abstimmungsverhalten der Protestwähler nicht aus Überzeugung geschah sondern geheuchelt war, deutete sich bereits in deren Distanz zu einem von uns im Wahlkampf organisierten Info-Stand der Gruppierung “Religionsfrei in Revier” vor der Wallfahrtsbasilika an. Mit den Gegenstimmen der Protestwähler wurde dem Antrag (noch) eine Absage erteilt. Die erforderliche Dreiviertelmehrheit wurde verfehlt.

Das Leiden oder die Gewissensbisse der beiden Ratsvertreter (die offenbar vom Katholizismus und Kontakten zu christlichen Randgruppen geprägt sein dürften), die bei der Wahl 5,1 Prozent der Stimmen erhielten (atheistischer Bürgermeisterkandidat 7,2 Prozent), dürften nach der Wahl offenbar so groß gewesen sein, dass sie den von ihnen abgelehnten CDU-Antrag nun selbst einbrachten.

Damit setzten sie der nun offensichtlich werdenden Heuchelei ihrer Ablehnung im “1. Wahlgang” nun das noch obendrauf, was landläufig als Betrug an den Wählerinnen und Wählern bezeichnet wird - das aber nur am Rande. Es ist auch überflüssig zu erwähnen, dass damit eine Zusammenarbeit mit den “Protestwählern” beendet war und dies auch öffentlich erklärt wurde.

Es ist müßig, noch einmal darzulegen, mit welchen Begründungen der 1. Antrag der CDU auf Namenszusatz abgelehnt wurde. Allerdings ist das Kostenargument (“…bei der Verschuldung der Stadt können wir uns die Kosten für einen Namenszusatz nicht leisten!”) im Zusammenhang mit den Kosten für das Gedenken an die verfolgten Werler Juden von besonders trauriger Bedeutung und macht den Skandal deutlich. Davon später.