Freier Geist Regensburg 2023 geht an Reinhard Kellner

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Von links: Alex Müller, Reinhard Kellner und Erwin Schmid bei der Übergabe der Ehrenurkunde.
Alex Müller, Reinhard Kellner und Erwin Schmid

Im Anschluss an die Bundesversammlung des Bundes für Geistesfreiheit (bfg) Regensburg wurde der "Freie Geist Regensburg" an Reinhard Kellner verliehen. Der hpd veröffentlicht hier die Laudatio von Alex Müller.

[…] eher selten hat man heutzutage die feine Gelegenheit eine Laudatio auf einen "freien Geist" zu halten. Man muss auch wissen, dass dem zu Lobenden allzu viel Lobhudelei eher etwas unangenehm ist. Tja nun, das Loben kann ich dir, lieber Reinhard Kellner, hier und heute nicht ersparen. Du wirst dich als im Jahre 1950 geborener und damit erfahrener Mann […] schon zu wehren wissen. Schön auch, dass der Bund für Geistesfreiheit, noch so kurz vor deinem 73. Geburtstag, den Richtigen für diese Ehrung auserkoren hat. Das hättest du dir in deinen jungen Jahren wohl kaum zu träumen gewagt. Nach eigenen Angaben bist du in Regensburg in einem Glasscherbenviertel hinterm Arnulfsplatz, genauer noch, in der Wollwirkergasse 25 groß geworden. Erstaunlicherweise musstest du nach dieser Gassenzeit nicht in therapeutische Behandlung, sondern hast mit 16 Jahren dein erstes sowie langjähriges Engagement als Jugendgruppenleiter bei der katholischen Jugend mit viel Schwung umgesetzt. Zudem hast du mit Fußball, Radfahren und der Fotografie positive Lebensmomente und Freude gefunden. Diese positive Einstellung hat dich ein Leben lang angetrieben Jenen zu helfen, die nicht auf der Schokoladenseite des Lebens stehen. Angesichts der Lage in dieser Welt braucht es Menschen wie Dich und das in zunehmendem Maße.

Möchte man doch fast verzweifeln, wenn man sich die Entwicklung der Menschheit so ansieht… so ansieht, wie es der gefeierte Autor Yuval Noah Harari im Nachwort seines Buches "Eine kurze Geschichte der Menschheit" tut:

"Vor 70.000 Jahren war der Homo Sapiens ein unbedeutendes Tier, das in einer abgelegenen Ecke Afrikas seinem Leben nachging. In den folgenden Jahrtausenden stieg es zum Herrscher des gesamten Planeten auf und wurde zum Schrecken des Ökosystems. Heute steht es kurz davor, zum Gott zu werden und nicht nur ewige Jungend zu gewinnen, sondern auch göttliche Macht über Leben und Tod. Leider hat die Herrschaft des Sapiens bislang wenig hinterlassen, auf das wir uneingeschränkt stolz sein könnten. Wir haben uns die Umwelt Untertan gemacht, unsere Nahrungsmittelproduktion gesteigert, Städte gebaut, Weltreiche gegründet und Handelsnetze errichtet.

Aber haben wir das Leid in der Welt gelindert? Wieder und wieder bedeuteten die massiven Machtzuwächse der Menschheit keine Verbesserung für die einzelnen Menschen und immenses Leid für andere Lebewesen. Trotz unserer erstaunlichen Leistungen haben wir nach wie vor keine Ahnung, wohin wir eigentlich wollen, und sind so unzufrieden wie eh und je. Von Kanus sind wir erst auf Galeeren, dann auf Dampfschiffe und schließlich auf Raumschiffe umgestiegen, doch wir wissen immer noch nicht, wohin die Reise gehen soll. Wir haben größere Macht als je zuvor, aber wir haben immer noch keine Ahnung was wir damit anfangen wollen. Schlimmer noch, die Menschheit scheint verantwortungsloser denn je. Wir sind Self-made-Götter, die nur noch den Gesetzen der Physik gehorchen und niemandem Rechenschaft schuldig sind. Und so richten wir unter unseren Mitlebewesen und der Umwelt Chaos und Vernichtung an, interessieren uns nur für unsere eigenen Annehmlichkeiten und unsere Unterhaltung und finden doch nie Zufriedenheit. Gibt es etwas Gefährlicheres als unzufriedene und verantwortungslose Götter, die nicht wissen, was sie wollen?"

Lieber Reinhard Kellner, gerade dein Verantwortungsbewusstsein, dein Mut für Andere einzustehen und ehrenamtlich Dinge auf den Weg zu bringen, war und ist weiterhin in dieser Welt dringend gefordert. Ohne das vielfältige ehrenamtliche Engagement wäre das gesellschaftliche Leben in dieser Stadt ärmer an zwischenmenschlicher Wärme, an zahllosen Freizeitangeboten und an Begegnungs- und Zufluchtsstätten.

Im Jahre 1974 wurde in Regensburg der Verein Soziale Initiativen e.V. gegründet, zu dessen Gründungsmitgliedern du zählst. Der Verein versteht sich als Dachverband für sozial engagierte Gruppen in Regensburg und hat bis dato viel bewegt. Gestartet wurde mit vier Initiativen, und meines Wissens nach sind es mittlerweile über 30 Organisationen, die sich für verschiedene Bevölkerungsgruppen engagieren. Reinhard Kellner setzt sich dabei als langjähriger Vorsitzender für die Belange aller beteiligten Organisationen ein.

Die Sozialen Initiativen tragen seine Handschrift. Von Anfang an waren kreative Ideen und Tatkraft gefordert, da keine großen Budgets zur Verfügung standen. Besonders aufwendig und wichtig sind die Gründung des "Donaustrudls", die Gassenfeste, der Bücherflohmarkt, die Vernetzung der Regensburger Selbsthilfegruppen, die Anregung zum Sozialpass und der in Kürze wieder stattfindende Adventsmarkt der Sozialen Initiativen. Bei der Durchführung von Festen kümmert sich Reinhard Kellner um die Technik, das Material, die Handwerker sowie Sponsoren und er sorgt vor allem für eine ganz besondere Stimmung des Miteinanders. Er nutzt, fordert und fördert die Ressourcen der einzelnen Mitmacher, um zu einem gemeinsam definierten Ergebnis zu kommen. Viele der Veranstaltungen haben bereits Tradition. Die Planungen für das nächste Gassen- oder auch Donau-Ufer-Fest 2024 laufen schon wieder auf Hochtouren.

Eine weitere feine Initiative ist die Einführung des Sozialsponsorings. Seit dem Jahre 2001 haben Geschäftsleute, die sich sozial engagieren und lokale Hilfsprojekte unterstützen wollen, die Möglichkeit, einen jährlichen Betrag zu entrichten und im Gegenzug mit dem Logo der Sozialen Initiativen zu werben. Mittlerweile beteiligen sich mehr als 50 Handwerksbetriebe und Unternehmen daran.

Von 1984 bis 1990 war Reinhard Kellner sogar Mitglied im Stadtrat und hat sich in dieser Funktion für die Bedürfnisse der Regensburger eingesetzt und natürlich speziell die Interessen der sozial Schwächeren vertreten.

1987 hat er die Selbsthilfekontaktstelle KISS aufgebaut. Der Begriff ist nicht vom Küssen abgeleitet. KISS bedeutet Kontakt- und Informationsstelle für Selbsthilfe und hier war Reinhard Kellner hauptberuflich als Diplom-Pädagoge tätig. Er hat KISS ein Profil gegeben und die Kontaktstelle geformt.

Lieber Reinhard Kellner,

ich gratuliere hiermit einem liberalen, sozialen und lebensfrohen Menschen zur Auszeichnung des Bundes für Geistesfreiheit und wünsche dir noch viele Jahre voller Tatendrang und jederzeit einen freien Geist.

Auf der Bundesversammlung des Bundes für Geistesfreiheit (bfg) Regensburg wurde außerdem Erwin Schmid als Vorsitzender wiedergewählt, Martin Preis als Stellvertreter, Monika Füssel als Kasserierin und neu Robert Hain als Schriftführer.

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