Kirchliches Arbeitsrecht

Ein großer Schritt für Bischof Ackermann, ein kleiner für die Menschheit

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Der Trierer Dom
Der Trierer Dom

TRIER. (hpd) Es mag ein großer Schritt für Stephan Ackermann gewesen sein. Für viele Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer ist es ein kleiner. Der Trierer Bischof hat nun dafür plädiert, das kirchliche Arbeitsrecht für Wiederverheiratete und Homosexuelle noch in diesem Jahr zu lockern. Das grundsätzliche Problem bliebe jedoch bestehen: Es darf weiterhin religiös diskriminiert werden.

Viele soziale Einrichtungen in kirchlicher Trägerschaft werden zu 100 Prozent aus öffentlichen Mitteln finanziert. Dennoch gilt dort ein eigenes – in Europa einzigartiges – kirchliches Arbeitsrecht, welches zahlreiche Grundrechte der Beschäftigten einschränkt. Trotz staatlicher Finanzierung besteht eine besondere Loyalitätspflicht gegenüber den Kirchen, die auch in das Privatleben der Angestellten reicht.

So kann offen gelebte Homosexualität, die Wiederverheiratung nach einer Scheidung aber auch der Kirchenaustritt oder eine der kirchlichen Auffassung widersprechende öffentliche Meinungsäußerung mit einer Kündigung geahndet werden. Mitglieder nicht-christlicher Religionsgemeinschaften und Konfessionsfreie werden oftmals schon im vornherein bei Stellenausschreibungen ausgeschlossen. Daraus resultiert eine “Zwangskonfessionalisierung”, da der berufliche Werdegang vieler Menschen von ihrer Konfessionszugehörigkeit abhängt.

Mehr noch: Statt dem Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG) wird in kirchlichen Einrichtungen der sogenannte “Dritte Weg” praktiziert. Daher müssen die Beschäftigten auf wichtige Arbeitnehmerrechte – wie das Streikrecht oder auf einen Betriebsrat – verzichten.

Laut neuesten Aussagen des Trierer Bischofs, Stephan Ackermann, soll die Wiederverheiratung nach einer Scheidung und offen gelebte Homosexualität künftig kein zwangsläufiger Kündigungsgrund mehr sein. Er kenne beispielsweise homosexuelle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die “ganz loyal zu ihrer Kirche stehen.”

Aus der Perspektive einer Institution, die ihren Angestellten verfassungsmäßig garantierte Grundrechte wie Religionsfreiheit, Meinungsfreiheit und das Streikrecht nicht uneingeschränkt gewährt, mag dies durchaus ein fortschrittlicher Vorstoß sein.

Tatsächlich ist aber bereits die bloße Notwendigkeit einer solch halbherzigen Reform peinlich. Es sollte selbstverständlich sein, dass in staatlich finanzierten Sozialeinrichtungen die Antidiskriminierungsbestimmungen gelten sollten. Dafür bedarf es eines weltanschaulich neutralen Angebots sozialer Dienstleistungen, bei dem der “besondere Tendenzschutz” für Religionsgemeinschaften (BetrVG § 118, Abs. 2) aufgehoben wird. Die momentane Ausgrenzung von Menschen aufgrund eines vermeintlich falschen (Un-)Glaubens ist einfach nur ein Skandal.

Doch welche Erwartungen darf man an eine Institution stellen, bei der Homophobie und weltanschauliche Diskriminierung zum Grundsatzprogramm gehören? Schon vor der letzten Bischofssynode sollte klar gewesen sein, dass ein Wille zur Reform nur durch äußeren Druck entstehen kann.

Es sollte nicht mit zweierlei Maß gemessen werden. Für Stephan Ackermanns Vorstoß gilt: Besser bleibt immer noch schlecht. In seinen Aussagen steckt weiterhin eine Abwertung von Lebensentwürfen, die christlicher Moralvorstellungen nicht entsprechen. Dem Trierer Bischof und seiner Kirche mangelt es dementsprechend weiterhin an Loyalität gegenüber den europäischen Antidiskriminierungsbestimmungen. In Artikel 21 der Charta der Grundrechte der europäischen Union steht geschrieben: “Diskriminierungen insbesondere wegen des Geschlechts, der Rasse, der Hautfarbe, der ethnischen oder sozialen Herkunft, (…) der Religion oder der Weltanschauung, der politischen oder sonstigen Anschauung, der Zugehörigkeit zu einer nationalen Minderheit, des Vermögens, der Geburt, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Ausrichtung sind verboten.”