Beachtenswert, aber methodisch nicht unproblematisch

"Jahrbuch für Islamophobieforschung" 2015 erschienen

BONN. (hpd) Der österreichische Politikwissenschaftler Fard Hafez gibt das "Jahrbuch für Islamophobieforschung" heraus, welches sich als Forum für interdisziplinäre Forschungen zum Thema Islam- und Muslimenfeindlichkeit versteht. Bei aller Anerkennung für die konkreten Ergebnisse und multimethodischen Perspektiven, verkennen nicht wenige Beiträge den grundlegenden Unterschied zwischen einer aufklärerisch-menschenrechtlichen Kritik und einer fremdenfeindlich-ressentimentgeladenen Hetze.

Nach den islamistischen Anschlägen vom 11 September 2001 stiegen in den westlichen Ländern auch die Ressentiments gegen den Islam und die Muslime an. Mitunter machte man pauschal Gläubige für derartige Aktionen verantwortlich oder sah im Koran die theologische Grundlage für Verbrechen dieser Art. Rechtsextremistische Parteien stellten teilweise ihre Propaganda von der Fremdenfeindlichkeit auf die Muslimenfeindlichkeit um, erhoffte man sich doch so breitere Akzeptanz aus der Mitte der Gesellschaft. Dort fand wiederum eine aufgeregte Debatte um Fragen wie das Kopftuch oder die Verschleierung statt. Umgekehrt bedienten sich aber auch islamistische Organisationen des "Islamophobie"-Vorwurfs, um Kritik an angeblichen oder tatsächlichen Besonderheiten der Muslime mit Fremdenfeindlichkeit und Rassismus gleichzusetzen. Grund genug für eine kontinuierliche Analyse des Phänomens, die in dem seit 2010 von dem Politikwissenschaftler Farid Hafez herausgegebenen "Jahrbuch für Islamphobieforschung" erfolgen soll.

Mittlerweile liegt der fünfte Band vor, welcher sechs Aufsätze unterschiedlichster Thematik enthält: Dudu Kücükgöl analysiert den Film "Die Freischwimmerin" aus feministischer und postkolonialer Perspektive. Auf Basis einer vergleichenden Analyse des Entwurfs eines neuen österreichischen Islamgesetzes 2014 zum restlichen Religionsrecht fragen Rijad Dautovi und Farid Hafez "MuslimInnnen als BürgerInnen zweiter Klasse?". Mit dem Essay "Antimuslimischer Urbanismus" geht Vassilis S. Tsianos auf die "Stadtsoziologie des antimuslimischen Rassismus" ein, wobei dies am Beispiel des Hamburger Stadtteils St. Georg mit "der Verteidigung der Gay-Community" (S. 77) erklärt wird. Dem folgend behandelt Herausgeber Hafez in einem weiteren Text die mediale Berichterstattung und politischen Implikationen der österreichischen "Islam-Lehrer"-Studie, wobei "eine Grundstruktur islamophober Diskurse" (S. 119) auszumachen sei. Und Adisa Begic behandelt Fälle von Übergriffen im Zuge des Diskurses über die Terrororganisation "Islamischen Staat".

Ein Beitrag des vorliegenden Jahrbuchs soll hier gesondert herausgestellt werden, steht er doch auch für das konzeptionelle und methodische Problem von "Islamophobie"-Analysen. Es geht um den Essay "Islamkritik – ein Kampfbegriff" von Armin Muftic, der darin zunächst den Arbeitsbegriff "Islamophobie" gegen inhaltliche Einwände verteidigen will, um sich dann wie folgt zu äußern: "Hinter vielen zeitgenössischen Fällen des 'islamkritischen' Sprechens liegt eine bestimmte 'Politik der Erkenntnis' (Said …), die die Islamophobie kaum erkennbar macht und als Kritik erscheinen lässt" (S. 92). Der Autor erklärt, er wolle Religionskritik nicht im Keim ersticken. Ähnlich wie Kritik an anderen Religionen sei auch vernünftige Islamkritik eine legitime Angelegenheit. Grundsätzlich könne sie auch ohne Islamophobie vorgetragen werden. Bilanzierend heißt es: "Damit will ich nicht sagen, dass eine vernünftige Religionskritik ohne Islamophobie unmöglich wäre, sondern dass ein und derselbe Akt der Kritik vom Kontext und Motiv her beurteilt werden muss" (S. 95).

Genau darauf haben aber die genannten Kritiker des "Islamophobie"-Konzepts verwiesen, wobei sie für eine Differenzierung von einer aufklärerisch-menschenrechtlichen und einer fremdenfeindlich-hetzerischen Einstellung votieren. Demgemäß gibt es auch zwischen Feindschaft als pauschaler Ablehnung und Kritik als rational begründeter Position in der Präsentation leicht erkennbare Unterschiede in der Motivlage. Demgegenüber meinen die meisten Autoren des Jahrbuchs aber ebenso wie Muftic hinter fast allen irgendwie nur kritisch oder skeptisch erscheinenden Aussagen zum Islam oder Muslimen eine "islamophobe" Motivation zu sehen. Die erwähnte Formulierung "Dem Autor geht es nicht darum, die Religionskritik im Keim zu ersticken" (S. 84) wirkt hier denn auch etwas ambivalent. Gern hätte man gelesen, welche Einwände in welcher Form öffentlich thematisiert werden können, ohne in dieser Perspektive als "islamophob" zu gelten. Eine zu weit gefasste Auffassung von Islamfeindlichkeit relativiert denn auch immer objektiv eine tatsächliche Islamfeindlichkeit.

 


Farid Hafez (Hrsg.), Jahrbuch für Islamophobieforschung, 2015, Wien 2015 (new academic press), 143 S.