Klerikal-konservatives Weltbild versus angewandter Humanismus

Zwölf Argumente für die Abschaffung des Verbots des assistierten Freitods

wien-innere_stadt_-_verfassungsgerichtshof_und_kunstforum.jpg

Verfassungsgerichtshof und Kunstforum in Wien (ehemalige Österreichische Kreditanstalt für Handel und Gewerbe)
Verfassungsgerichtshof und Kunstforum in Wien

Vor einer Woche wurde vor dem Verfassungsgerichtshof in Wien über das Verbot der Sterbehilfe verhandelt. Ein diesbezügliches Urteil ist erst in den nächsten Wochen zu erwarten. Im Vorfeld gab es rege Debatten in den Medien. Auffallend war dabei das argumentative Niveau des Diskurses: Offenbar war den Konservativen jedes noch so fragwürdige Argument recht, wenn es nur der Verteidigung ihres weltanschaulichen Heimatbodens diente. Ein Versuch der Bewertung aus humanistischer Sicht.

Die Würde des Menschen wird in unserem Rechtssystem in besonderer Weise geschützt. Sie wird durch den Einzelnen für sich selbst definiert. Würde bedeutet rechtstheoretisch, dass der Einzelne die Grundrechte wie Meinungsfreiheit, Recht auf Selbstbestimmung, Schutz vor Folter und Hinrichtung genießt. Würde kann daher nicht durch jemand anderen als durch den Patienten selbst definiert werden. Wenn also ein Palliativmediziner sagt, dass man in seiner Einrichtung "in Würde sterben" kann, dann kann das für manche gelten, für andere nicht. Seine subjektive Einschätzung ist nicht maßgebend.

Die Senkung der Suizidrate ist kein Selbstzweck und ist nirgendwo als gesellschaftliches Ziel festgelegt. Die Suizidrate eo ipso ist nur ein Symptom. Andere Werte wie die Würde des Menschen könnten dieses Ziel aufwiegen.

Die Zahl der Optionen wird durch die Aufhebung des Verbotes erhöht (weltweite "Pro-Choice"-Bewegung). Eine Einengung ist per definitionem kein Fortschritt. Manche Patienten sehen gerade in der Erweiterung der Optionen den entscheidenden Fortschritt, der die Lebensqualität bis zum Ende erhöht (auch wenn der letzte Schritt nie in Anspruch genommen wird).

"Öffnung der Büchse der Pandora": Sie ist offen. Fortschrittliche Länder haben sie geöffnet. Es gibt bereits Wege, sich das Leben zu verkürzen (diese existieren allerdings nur als "Hintertürchen" und nicht als ein gesellschaftlich anerkanntes Element des Lebensendes). In dieser Situation auf diese Möglichkeiten zurückgreifen zu müssen, ist aber in der Tat würdelos. (Fahrt in die Schweiz, um sterben zu können oder Ablehung einer Behandlung von Infektionskrankheiten.)

Angst vor Missbrauch? Diese ist immer berechtigt. Die Menschen haben aber immer Mittel und Wege gefunden, Missbrauch gering zu halten. Trotz Missbrauchsgefahr wurden eingeführt: Internet, Heiratsvermittlung, Autobahnen, Spielautomaten, Geldscheine, Mietwohnungen, Onlinespiele, Casinos, Religionen, Telefonkurzwahlen, Banken, E-Cards, Ministranten, SUVs und vieles andere mehr.

Druck auf Ärzte, Druck auf Verwandte – es braucht klare und gut überwachte Regeln. Das Problem ist bereits in vielen Ländern seit Jahren gelöst und die Handhabung ist gut geübter Usus.

Ist das Verbot noch zeitgemäß? Nein, im 21. Jahrhundert wird sich der Einzelne nicht mehr religiös inspirierten Geboten unterwerfen, auch religiöse Menschen verweigern in hohem Maße Gebote der Religionsgemeinschaften, wie Sexualmoral, Begräbnis- und Heiratsvorschriften, Sonntagsmesse, Konsumierung der Sakramente wie Beichte, Kommunion und Krankenölung etc.

Warnung vor einem Geschäft mit dem Tod. Georg Kreissler hat einmal gesagt: "Das Geschäft der Kirche ist der Tod!" Daher ist die Kirche hier parteiisch und kein guter Ratgeber im Sinne der Menschen.

Religion hat in einem säkularen Staat ihre Gläubigen zu vertreten – aber nur diese. Für alle gilt Religionsfreiheit und das heißt auch "Freiheit von Religion". Sollte die Kirche hier einen dogmatischen Standpunkt einnehmen, dann kann das ihrem Image abträglich sein, denn immerhin haben bereits mehrere Untersuchungen gezeigt, dass das Volk das Verbot des assistierten Suizids mehrheitlich deutlich ablehnt.

Es wurde gewarnt, man solle die "Freiheit nicht überfordern". Welches Menschenbild steht hinter so einer Formulierung? Offenbar das einer Herde, die auf den guten Hirten hört, während das gesellschaftliche Ideal, dem wir mehrheitlich heute folgen, das eines aufgeklärten, informierten und selbstbestimmten Menschen ist, dessen Persönlichkeit respektiert wird und dessen Grundrechte unangetastet bleiben.

Der "Schutz des Lebens" ist als Dogma ungeeignet, vor allem, wenn es aus einer Ecke kommt, die Waffen segnet und für die Todesstrafe eintritt. Der Schutz des Lebens ist als Kategorie zu simpel. Denn die wenigsten Menschen haben eine "Lebensverlängerung unter allen Umständen" als Ziel. Das Ziel heißt eher "Lebensqualität". Die hängt in hohem Maße mit Selbstbestimmung zusammen.

Es ist schon merkwürdig, dass die Anhänger eines freien Willens – eine Folge des "Sündenfalls im Paradies", der überhaupt eine Voraussetzung für die Existenz von "Sünde" ist – dann den freien Willen einengen wollen, wenn der Mensch ihn am meisten braucht.

Unterstützen Sie uns bei Steady!