Ein Buch über die "neue Rechte"

Gut gemeint, aber nicht gut gelungen

BONN. (hpd) Die Journalisten Liane Bednarz und Christoph Giesa wollen in ihrem Buch "Gefährliche Bürger. Die neue Rechte greift nach der Mitte" von der Gefahr "rechter Intellektueller" warnen. Leider kennen sie sich nicht sonderlich gut mit der Materie aus, wodurch ein eher fragmentarisch und oberflächlich gehaltenes Werk entstanden ist – gut gemeint, aber nicht gut gelungen.

Kippt die Stimmung in der Gesellschaft nach rechts? Demonstrationen von Hogesa und Pegida und deren Ableger, Gewaltakte und Proteste gegen Flüchtlingsunterkünfte und Wahlerfolge für die "Alternative für Deutschland" stehen offenbar dafür. Diese Annahme durchzieht das Buch "Gefährliche Bürger. Die neue Rechte greift nach der Mitte", das die beiden Journalisten und Publizisten Liane Bednarz und Christoph Giesa vorgelegt haben. Darin gehen sie indessen noch einen Schritt weiter und sprechen von einflussreichen Intellektuellen, die einen solchen politischen Weg begleiten und fördern. Denn bereits in der Einleitung formulieren die Autoren: "Eine gut vernetzte, immer besser organisierte, strategisch geschulte Gruppe von stramm rechten Intellektuellen bemüht sich, unsere offene Gesellschaft nach rechts zu ziehen" (S. 9). Die Protagonisten einer neuen rechten Denkschule hätten ihre passive Haltung aufgegeben und wollten in einer allgemeinen Sinnkrise der politischen Entwicklung ihren besonderen ideologischen Stempel aufdrücken.

Bereits zu Beginn nennen die Autoren dazu Namen wie die von Akif Pirincci und Thilo Sarrazin, die mit ihren Bestsellern eine Gegenideologie zur offenen Gesellschaft auf den Weg gebracht hätten. Dazu heißt es: "Dezidiert rechtes Gedankengut wird in Deutschland wieder offensiv und selbstbewusst vertreten. Die noch vor einigen Jahren eindeutige Abgrenzung zwischen rechter Szene und dem Bürgertum der gesellschaftlichen Mitte wird von zwei Seiten aufgeweicht" (S. 22). Dazu gehörten die genannten Autoren als Etablierte, aber auch "radikale Rechte" (S. 22) mit gemäßigtem Auftreten. Sie alle zählten zu einer "Neuen Rechten". Diese sei "zwar immer noch ein eher loses Netzwerk aus Einzelpersonen, Gruppen, Institutionen und Schulungszentren; sie hat aber mittlerweile einen nicht zu unterschätzenden Professionalisierungsgrad erreicht und ist in der Lage, auch in etablierte Strukturen wie Parteien und Medienhäuser hineinzuwirken". (S. 40). Als Beispiel nennen die Autoren dafür die "Schüler- und Studentenzeitung" "Blaue Narzisse".

Bezüglich der beabsichtigten Strategie heißt es: "Die neue Rechte will den Sieg erreichen, indem sie ihre Gedanken langsam in das Denken der Mitte einsickern lässt" (S. 67). Um den Einfluss der gemeinten Bestrebungen zu verdeutlichen, berichten Bednarz und Giesa über die unterschiedlichsten Phänomene, wozu etwa Bewegungen wie die "Impfgegner" und "Reichsbürger" oder Publikationen wie "Compact" oder "Sezession" gehörten. Auch der "CDU-Rechtsaußen Todenhöfer" habe sich über die Zeit "gewissermaßen im Gleichschritt mit jener Szene entwickelt, die sich eine neue Form von rechten Denken wünscht, geprägt von Abneigung gegen das westliche Lebensgefühl, von Sympathie für autoritäre Lösungen, und die für eine möglichst neutrale Stellung Deutschlands wirbt, sozusagen als Insel der Seligen in einer unaufgeräumten Welt" (S. 113). Auch in renommierten Medien fände man Journalisten mit entsprechender Gesinnung, wozu Nicolaus Fest von "Bild am Sonntag", Alexander Kissler von "Cicero" oder Michael Klonovsky vom "Focus" gehörten.

Die Autoren haben sich offenkundig noch nicht lange mit der Materie beschäftigt. Insofern ist man verwundert darüber, dass sie verwundert sind. Rechtsextremistisches Gedankengut fand sich auch immer im "Bürgertum" bzw. der sozialen Mitte. Das ist weder eine neue Einsicht noch Entwicklung.

Bednarz und Giesa kennen auch nicht die Fachliteratur zur intellektuellen "Neuen Rechten" und ignorieren komplett Diskussion und Forschungsstand zum Thema. Bedeutungslose Randfiguren und relevante Protagonisten werden in einem Atemzug genannt, ohne die gesellschaftliche Relevanz und politische Wirkung näher zu gewichtigen. Darüber hinaus konstruieren die Autoren mit ihrer Darstellung eine Einheit und Homogenität der gemeinten Protagonisten, die so gar nicht besteht. Alles wirkt auch mehr fragmentarisch und oberflächlich. Es kann daher nicht verwundern, dass Bednarz und Giesa ihren Arbeitsbegriff "neue Rechte" noch nicht einmal definieren können. Es gibt durchaus Gefahren von rechts, nur werden diese in diesem Buch nicht besonders differenziert untersucht.


Liane Bednarz/Christoph Giesa, Gefährliche Bürger. Die neue Rechte greift nach der Mitte, München 2015 (C. H. Hanser-Verlag), 255 S.