Irritierende Antwort einer Pfarrerin auf das Theodizeeproblem

Bis in die Neuzeit war der christliche Glaube in unseren Breitengraden sakrosankt. Die große Mehrheit der Bevölkerung glaubte, was in der Bibel stand und der Pfarrer von der Kanzel predigte. Allenfalls fand man einzelne Geschichten in der Bibel etwas eigenartig, doch an der Existenz von Gott als barmherziger und gütiger Vater im Himmel zweifelten höchstens geistig wache Skeptiker. Mit der Globalisierung und Säkularisierung fraßen sich die Zweifel quer durch die Gesellschaft.

Der Glaube wollte nicht mehr so recht zum Weltbild passen, das zunehmend von Technik und Wissenschaft geprägt wurde. Bei der kritischen Auseinandersetzung mit dem christlichen Glauben drängte immer mehr eine Grundsatzfrage in den Mittelpunkt: Wieso lässt Gott das unsägliche Leid zu, das uns die Medien täglich vermitteln? Warum greift er nicht ein, wenn uns die Welt um die Ohren fliegt?

Bei solchen Fragen kommen die Theologen und Geistlichen ins Grübeln. Denn es ist zu offensichtlich, dass das Elend auf der Erde schlecht zu den Erlösungsrezepten der christlichen Heilslehre passt.

Ein Beispiel lieferte die SonntagsZeitung. Die Pfarrerin Sibylle Forrer wurde gefragt: "Warum lässt Gott Böses zu?" Sie antwortete, auf der Erfahrungsebene stoße das Gottesbild vom ewigen Weltenlehrer, dem nichts unmöglich sei, an seine Grenzen. Dabei gibt sie zu, dass die Frage, wieso ein allmächtiger, gütiger Gott Unrecht nicht verhindert, sondern zulässt, irritieren kann. Dieses beklemmende und ungelöste Problem ziehe sich durch die Theologiegeschichte, schrieb sie.

Das ist ein mutiges Eingeständnis für eine Geistliche und man wartete als Leser und Leserin auf eine erhellende Antwort. Doch statt eine Erklärung zu liefern, schlägt Forrer einen geistigen oder theologischen Salto. Das sei eine falsche Frage, erklärt sie keck. Die richtige sei, warum wir ein Gottesbild vertreten, das ein solches Dilemma überhaupt zulasse.

Es gebe in der Bibel keinen Text, der es erlauben würde, von einem allmächtigen Gott zu sprechen, schrieb sie. Wir würden schließlich beten: "Dein Wille geschehe." Hoppla.

Wenn ein kleines Mädchen in der Ukraine von einer Splitterbombe getroffen wird, geschieht also Gottes Wille. Und wenn die trauernde Mutter schreit, warum hast du, lieber Gott, mein Kind sterben lassen? Sagen Sie ihr dann, die Mutter stelle die Frage falsch?

Forrer fährt fort, dass es an uns Menschen liege, dass Gottes Wille geschehe. Das würde bedeuten, dass er nicht nur Böses zulässt, sondern provoziert. Denn er weiß ja selbst am besten, dass Menschen, die er nach seinem Ebenbild geschaffen hat, sehr böse sein können, wie der Zustand der Welt zeigt.

Auch die Allmacht Gottes zu relativieren, ist ein starkes theologisches Stück.

Dieser Gott hat es [laut christlicher Lehre] immerhin geschafft, die Welt und alle Kreaturen darauf zu erschaffen. Auch uns Menschen, seine Kinder. Ob in sechs Tagen oder mehr, sei dahin gestellt. Und nun soll er tatenlos zuschauen, wie wir sein schöpferisches Werk gegen die Wand fahren? Das kann man mit dem Verstand, den uns Gott angeblich mit auf den Weg gegeben hat, nicht begreifen. Da hilft auch ein Winkelzug einer Pfarrerin nicht weiter.

Noch eine Bemerkung zur Frage, die laut Sibylle Forrer falsch gestellt sein soll. Mit Verlaub, Frau Pfarrerin, Sie müssen es schon uns selbst überlassen, welche Fragen für uns richtig und wichtig sind. Die Deutungshoheit für sich zu beanspruchen, ist gerade bei einem so wichtigen Thema leicht anmaßend. Man kann doch nicht eine unangenehme Frage kurzerhand umdeuten.

Noch etwas: In der Bibel wird Gott mehrere Male "der Allmächtige" genannt.

Übernahme mit freundlicher Genehmigung von watson.ch.

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