Kamerun: Fünf Jahre Haft wegen Homosexualität

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Immer wieder steht Kamerun wegen seiner fragwürdigen Menschenrechtslage international in der Kritik. Das Land wird durch eine Reihe von Krisen geprägt und aufgrund militärischer Auseinandersetzungen unter anderem mit der Terrororganisation Boko Haram infrastrukturell destabilisiert. Dennoch gibt es rechtsstaatliche Bemühungen, Ordnung herzustellen. Doch auch diese entsprechenden Institutionen werden in ihrer aktuellen Form aufgrund ihrer Haltung zu den Menschenrechten von Expert:innen bemängelt. Vor kurzem kam es etwa im Justizsystem erneut zu einem kuriosen Fall: Zwei Transfrauen wurden zu jeweils fünf Jahren Haft verurteilt – wegen "versuchter homosexueller Handlungen".

Als 2016 friedliche Demonstrationen von der kamerunischen Regierung unterdrückt wurden, bildeten sich mehrere Gruppen bewaffneter Separatist:innen, die sich mit den staatlichen Sicherheitskräften blutige Auseinandersetzungen lieferten. Erschwert wurden die späteren Friedensbemühungen durch Truppen der radikal-islamischen Boko Haram, die vor allem den Norden des Landes destabilisierten. Die Regierung versucht seither vehement, Recht und Ordnung wiederherzustellen, was ihr in Teilen auch gelingt.

Doch einige dieser Bestrebungen sind in vielerlei Hinsicht zweifelhafter Natur. So kommt es regelmäßig zu Verstößen gegen das Recht auf freie Meinungsäußerung oder das Recht zur friedlichen Versammlung. Wer etwa im Zuge der Präsidentschaftswahlen 2018 gegen etwaige Ungereimtheiten bei der siebten Wiederwahl von Paul Biya demonstrierte oder auch nur öffentlich Widerworte äußerte, musste mit willkürlichen Festnahmen rechnen. Und auch im Hinblick auf den Umgang mit der Zivilbevölkerung und den weitreichenden Eingriffen in die Privatsphäre der Menschen beim Thema Geschlecht und sexuelle Identität zeigt sich ein fragwürdiges Menschenrechtsverständnis.

Drakonische Strafen für Homosexualität sind in Kamerun seit der Unabhängigkeit von Frankreich im Jahr 1960 keine Seltenheit. Und selbst das eigentlich festgesetzte Höchststrafmaß kann noch verdoppelt werden, wenn einer der Beteiligten unter 21 Jahre alt ist. Im Jahr 2016 wurde die Gesetzgebung sogar noch einmal verschärft. Seitdem steht im Strafgesetzbuch, dass gleichgeschlechtliche sexuelle Beziehungen verboten sind. Selbst öffentliche Feindseligkeiten gegenüber LGBTIQ erhalten dadurch Rückendeckung, was unter anderem zu Prügelattacken auf offener Straße führt.

Welche fatalen Konsequenzen diese rechtliche Handhabung nach sich ziehen kann, zeigt sich eindrücklich am jüngsten Vorfall, der für Aufsehen sorgte: Die Transfrauen Shakiro Njeuken und Patricia Mouthe wurden auf Grundlage dieser rigiden Gesetzgebung zu jeweils fünf Jahren Gefängnis und einer Geldstrafe von umgerechnet etwa 300 Euro verurteilt. Sofern die finanziellen Mittel zur Zahlung der Geldstrafe nicht ausreichen, verlängert sich die Haftstrafe um bis zu zwölf Monate. Die Organisation Human Rights Watch warnt jedoch davor, dass die Inhaftierung von Transfrauen in einer Haftanstalt für Männer in Kamerun quasi gleichbedeutend mit einem Todesurteil sei. Bereits während der Untersuchungshaft soll es der Menschenrechtsorganisation zufolge zu körperlichen Missbrauchsfällen gekommen sein. Daher setzt sie sich dafür ein, dass die Behörden die beiden Transfrauen unverzüglich frei- und die Anklage fallenlassen.

Festgenommen und angeklagt wurden Njeuken und Mouthe, weil sie in der Öffentlichkeit Frauenkleidung getragen hatten. Anwälten zufolge wurden sie beim polizeilichen Verhör geschlagen, mit dem Tode bedroht, mit transfeindlichen Bezeichnungen erniedrigt und gezwungen, Erklärungen zu unterschreiben.

Aufgrund der Tatsache, dass es sich bei Shakiro Njeuken um eine über die Sozialen Netzwerke bekannte Persönlichkeit handelt, steht der Verdacht im Raum, dass es sich jedoch auch um eine gezielte staatliche Kampagne gegen die LGBTIQ-Community handeln könnte. Denn selbst für kamerunische Verhältnisse ist das ergangene Urteil außerordentlich scharf. Für Homosexualität sieht das Gesetz als Mindeststrafmaß eine Geldstrafe und als Höchststrafmaß eine fünfjährige Freiheitsstrafe vor. Wegen versuchter Homosexualität ohne vorliegende Beweise das Strafmaß voll auszuschöpfen, ist nach Einschätzung des Anwalts Richard Tamfu als klares politisches Zeichen zu deuten, wonach die Botschaft vermittelt werden soll, dass LGBTIQ in Kamerun nicht willkommen sind.

Deren allgemeine Lebensumstände scheinen sich sogar zu verschlimmern. Wie Human Rights Watch konstatiert, sind die Zahlen der willkürlichen Festnahmen wegen bestimmter vermeintlicher oder tatsächlicher sexueller Orientierungen und geschlechtlicher Identitäten im letzten Jahr wieder deutlich angestiegen, nachdem diese zuvor zeitweilig rückläufig waren. Neben körperlicher Gewalt wie Misshandlung bis hin zur Folter spiele auch die Erniedrigung etwa über Analuntersuchungen bei dem Verdacht auf homosexuelle Handlungen eine zentrale Rolle bei der Durchsetzung der reaktionären Gesetzgebung. Insofern gibt es gesellschaftlich und politisch noch sehr viel zu tun, damit auch im zentralafrikanischen Raum LGBTIQ sicher leben können.

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