Notizen aus Polen

Nationalisten "ehren" die Aufständischen

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Warschau am 1. August 2018: Aufkleber mit dem Symbol des "Kämpfenden Polens" und Anschrift "Gegen Faschismus" werden verteilt.
Warschau

Am 1. August um 17:00 Uhr vor 74 Jahren ist der Warschauer Aufstand ausgebrochen. Die Verluste der 63 Tage Kämpfe waren immens. 18.000 Kämpfer und 180.000 Zivilisten wurden getötet oder vermisst, rund 25.000 verletzt. Die deutschen Verluste: 16.000 tote oder vermisste Soldaten und 9.000 Verletzte. Die überlebenden Warschauer wurden aus der Stadt vertrieben und die Besatzer begannen damit, Haus um Haus zu zerstören.

Bisher streiten die Historiker, ob der Aufruf zu dem Aufstand ein Akt des Mutes und Patriotismus war oder eine politisch unverantwortliche Entscheidung, wenn nicht sogar verbrecherische Handlung war, die Stadt und ihre Einwohner in den Tod zu schicken. Abgesehen davon, wer Recht hat, jedes Jahr am 1. August werden die Opfer des Aufstandes geehrt.

historische Aufnahme

Seit die rechts-nationale Partei PiS an der Macht ist, haben sich den Feierlichkeiten auch Nationalisten und Neofaschisten angeschlossen. Das verursacht heftige Diskussionen und Proteste: Wie kann man zulassen, dass die Neofaschisten die Aufständischen, die gegen Faschisten gekämpft hatten, zu ehren? Ein besonders umstrittenes Thema ist die Verwendung des Symbols des "Kämpfenden Polen", den die Aufständischen auf die Mauern gemalt hatten. Der Anker symbolisierte Widerstand und das "P" Polen.

Noch lebenden Soldaten des Aufstandes verlangen einen besonderes Schutz des Symbols des "Kämpfenden Polen". Sie sind empört, dass die Nationalisten und Neofaschisten dieses Symbol schänden, indem sie es auf ihren Postern, T-Shirts oder auf den Baseballschlägern (mit denen sie ihre Gegner schlagen) verwenden.

Baseballschläger

Doch nicht nur die Veteranen protestieren. Das tut auch die "Straßenopposition". Sie versucht, die "Ehrenmärsche" der Nationalisten zu blockieren. Eher mit bescheidenen Resultaten; die Märsche sind gut von der Polizei geschützt. In diesem Jahr wurde eine andere Aktion gestartet. An der Strecke des Nationalisten-Marsches wurden an die Passanten Aufkleber mit dem Symbol des "Kämpfenden Polen" und Anschrift "Gegen Faschismus" verteilt und – besonders den jüngeren Leuten – erklärt, was dieses Symbol bedeutet und warum wir es nicht den Neofaschisten überlassen sollten.

Wie immer haben auch am 1. August die Nationalisten und Neofaschisten ihre hassvollen Parolen skandiert und die Fahnen und Symbole, die totalitäre Ideen propagieren, getragen. Der Vertreter des Warschauer Rathauses hat deshalb den Marsch aufgelöst, aber der PiS-Woiwode (Landeshauptmann) hat ihn wieder zugelassen. Die regierenden Politiker und der PiS-Kandidat der bevorstehenden Wahlen des neuen Bürgermeisters Warschaus haben die Entscheidung des Rathauses scharf kritisiert. Für sie sind die Marschierenden des ONR (National-Radikales Lager) und der Młodzież Wszechpolska (Allpolnische Jugend) die wahren Patrioten. Der gleichen Meinung ist übrigens auch die polnische katholische Kirche.