Das neue Buch von Michael Schmidt-Salomon

Plädoyer für Gelassenheit

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Der Philosoph Michael Schmidt-Salomon, Vorstandssprecher der Giordano-Bruno-Stiftung, legt mit "Entspannt euch! Eine Philosophie der Gelassenheit" sein neues Buch vor, worin es ihm aber nicht um esoterische Lebensberatung, sondern eine rational begründete Lebenshaltung geht. Bedeutsam ist bei ihm ein Abschied vom Prinzip der alternativen Möglichkeiten, was er als Plädoyer für Realismus ansieht, aber auch als Verzicht auf Veränderungen missverstanden werden kann.

Gelassenheit ist in! Wer auf die Auslagen von Bahnhofsbuchhandlungen blickt, wird mindestens ein Buch mit entsprechendem Titel finden. Meist ist es ein bisschen mit Buddhismus oder ein wenig mit Esoterik garniert. Wenn mit "Entspannt euch! Eine Philosophie der Gelassenheit" ein Buch erscheint, könnte man bei einem Autor wie Michael Schmidt-Salomon etwas irritiert sein. Denn der Vorstandsprecher der Giordano-Bruno-Stiftung hat schon berufsbedingt mit "esoterischen Heilslehren" (S. 11) nichts zu tun. Schmidt-Salomon bekundet denn auch dezidiert, dass er "eine möglichst klare, rationale Sicht der Dinge" (S. 12) beabsichtige. Das Buch ist darüber hinaus eine Kurzfassung oder Umarbeitung von "Jenseits von Gut und Böse. Warum wir ohne Moral die besseren Menschen sind" von 2009, denn die dortigen Kernaussagen finden sich in neuem Gewand und Kontext in der vorliegenden Schrift wieder. Es geht dem Autor im Kern um den Abschied von der Idee eines freien Willens und dem Prinzip alternativer Möglichkeiten.

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Diese Bekundungen irritieren zunächst und könnten zu Fehldeutungen führen: Es geht hier um eine Auffassung, wonach der Mensch durch unterschiedliche Prägungen in seinem Verhalten eingeschränkt ist. Dazu können biologische Grundausstattungen wie gesellschaftliche Rahmenbedingungen gehören: "Wir sollten begreifen, dass jeder von uns nur der sein kann, der er aufgrund seiner Anlagen und Erfahrungen sein muss" (S. 20). Gleichwohl gebe es keine Diktatur der Gene oder des Schicksals. Es bedürfe aber eines Abschieds von der Idee des ursachenfreien Willens, der keineswegs mit einer Einschränkung der Freiheit verbunden sein müsse. Erst diese Einsicht eröffne neue Freiheitsräume. Was damit gemeint ist, wird danach ausführlicher beispielhaft wie theoretisch anhand der Problematik von Vergebung vermittelt. Als Motto gilt hier für die Person selbst: "Wenn du dich nicht mehr schuldig fühlst, der zu sein, der du bist, fällt es dir leichter, der zu werden, der du sein könntest" (S. 51). Insbesondere Einstein gilt hier als Vorbild:

Er habe die Auffassung vertreten, wonach wir eine freiere, humorvollere und tolerantere Lebensauffassung entwickeln können, wenn wir uns damit abfinden würden, dass wir lediglich diejenigen Menschen sein könnten, die wir unter den gegeben Rahmenbedingungen sein müssen. Daraus leitet dann Schmidt-Salomon die Notwendigkeit ab, auf eine Gut-Böse-Unterscheidung zukünftig zu verzichten. Er plädiert gar für einen "Abschied vom moralischen Denken überhaupt" (S. 72). Denn mit dem Einsteinschen Denken könne man sich dem Teufelskreis einer moralischen Empörung entziehen, würde man doch damit dem gleichgültiger gegenüber, was sich moralisch schickt. Daraus leitet der Autor dann eine rationale Mystik ab, wobei betont wird, dass heute ein Einklang von Mystik und Rationalität möglich sei. Die Betrachtungen münden gegen Ende in zwei Maximen: "Rechne mit dem Schlimmsten, aber hoffe auf das Beste!" und "Ertrage, was du nicht verändern kannst, aber verändre, was du nicht ertragen musst!" (S. 127 f.).

Für die Kenner von Schmidt-Salomons Werken ist dies alles nicht neu. Er bringt auch den Aspekt der Gelassenheit in den Kontext seiner bisherigen Philosophie. Dabei wird deutlich, dass es nicht um eine nette Verkaufsidee, sondern um einen realen Zusammenhang geht. Alle Auffassungen verdienen Beachtung und Reflexion, wobei man nicht jeder Deutung zustimmen muss. Die Ausführungen zu den hochmütigen Menschen liest man mit einem Schmunzeln, denkt man doch sofort an bestimmte Personen aus dem beruflichen oder privaten Umfeld. Auch wird immer wieder für eine realistische Auffassung plädiert, sind doch die Handlungsmöglichkeiten der Menschen tatsächlich begrenzt. Und selbst zu Fragen wie einem Recht auf Suizid findet man Wichtiges. Dafür irritieren die Ausführungen zur "Weisheit des Ostens" und die Beschreibung eines persönlichen Erweckungserlebnisses (vgl. S. 99–102). Auch wäre eine stärkere Betonung dazu gut gewesen, dass Gelassenheit als Haltung nicht als Hinnahme von Ungerechtigkeiten verstanden werden darf.

Michael Schmidt-Salomon, Entspannt euch! Eine Philosophie der Gelassenheit, München 2019 (Piper-Verlag), 159 S., 16,00 Euro