Der lange Weg zur Gleichberechtigung

(hpd) Helga E. Hörz, geboren 1935, legt in diesem Jahr eine bemerkenswerte Publikation vor. In „Der lange Weg zur Gleichberechtigung“ beschreibt sie faktenreich präzise und in sehr lesbarer Form das Leben von Frauen in der DDR. Dabei bleibt Hörz aber nicht in den Grenzen der DDR stehen, sondern beleuchtet ihr Thema in seiner historischen Entwicklung und in seinen internationalen Zusammenhängen.

 

Helga E. Hörz war zu DDR-Zeiten nicht nur Professorin für Ethik, sondern auch eine international bekannte und tätige Frauenrechtlerin. So wurde sie zwischen 1975 bis 1990 mehrfach zur Präsidentin oder Vizepräsidentin von UNO-Konferenzen gewählt. Als Hochschullehrerin und Autorin waren ihre Fachgebiete Ethik, Philosophie, Psychologie, Humansexuologie und Gender Studies.

Immer wieder hebt Hörz in diesem Buch, ganz im Geiste von Marx und Bebel, hervor, daß die Stellung der Frau in der Gesellschaft ein überaus wichtiges Kriterium des Fortschritts sei und daß Frauenrechte Menschenrechte sind. Sie beleuchtet zunächst das Patriarchat und tradierte Geschlechterrollen, die auch in der DDR noch nachwirkten, und benennt prägende Traditionen sowie weibliche und männliche Vorkämpferinnen für die Frauenrechte. In einem gesonderten Kapitel geht sie auf den mittlerweile 100 Jahre alten Internationalen Frauentag ein.

Ausgehend von den schweren Nachkriegsjahren widmet sich die Autorin der schrittweisen Durchsetzung der Frauenrechte in der DDR, geht detailliert auf die Frauenförderung und die Verwirklichung der Gleichberechtigung ein. Sie benennt entsprechende Gesetze, wie das Arbeits- und das Familiengesetzbuch, sowie andere staatliche und auch betriebliche Förderinstrumente und nicht zuletzt die diversen sozialpolitischen Maßnahmen.

Doch staatliche Rahmenbedingungen allein hätten die Gleichberechtigung nicht geschaffen, vieles sei dem engagierten Einsatz der Frauen selbst zu danken gewesen. Hörz benennt aber auch Hemmnisse, die zumeist in individuellen Einstellungen von Männern in Familie und Betrieb geschuldet seien.

Die in der DDR erreichte wirtschaftliche Unabhängigkeit der Frau vom Mann sowie das hohe Bildungsniveau habe zu einem starken Selbstbewußtsein der Frauen geführt. Jedoch habe es in den 80er Jahren verstärkt auch Generationenprobleme gegeben. Was für die älteren Generationen noch Errungenschaften waren, seien für die Jungen Selbstverständlichkeiten gewesen. Den Wert dieser Errungenschaften hätten die Frauen erst nach dem 3. Oktober 1990 schmerzlich begreifen müssen.

Andere Kapitel des Buches widmen sich dem Wirken des Demokratischen Frauenbundes (DFD) und den DDR-Aktivitäten für Frauenrechte in der UNO. Von besonderem Interesse dürfte nicht zuletzt das Kapitel über philosophisch-kulturelle Auseinandersetzungen um Frauenbilder in der DDR sein. Hier geht Hörz auf entsprechende Debatten in den DDR-Medien sowie auf das Schaffen von Schriftstellerinnen ein.

Bitter wird es allerdings in Kapitel 8, das sich dem Ende der DDR und dem vereinigten Deutschland widmet. Statt Aufbruch kam es zu Abwicklung und deutlichen Rückschritten in der Frauenförderung. Hörz geht hier auf konkrete Frauenschicksale ein. Sie bleibt aber nicht bei dem Erinnern an Vergangenes stehen. Wichtiger sind der Autorin Fragen. Fragen nach dem was bleibt, was hier und heute getan werden kann und muß, damit der Weg zur Gleichberechtigung nicht unendlich wird.

Helga E. Hörz grenzt sich in ihren kritischen Wertungen über Erreichtes deutlich von ignoranten „Frauenrechtlerinnen“ aus West und Ost ab, die in der DDR nur Negatives sehen wollen. Denn, so heißt es bei ihr, die 40 Jahre Existenz der DDR seien nur eine historisch kurze Zeit, um jahrhundertelange, ja jahrtausendelange, Ungerechtigkeiten zu beseitigen und um eine neues Lebensgefühl von Frauen und Männern zu entwickeln, um Männerherrschaft abzubauen und das Selbstwertgefühl von Frauen zu fördern.

Siegfried R. Krebs

Helga E. Hörz: Der lange Weg zur Gleichberechtigung. Die DDR und ihre Frauen. Berlin 2010 (trafo Verlagsgruppe). 262 S. 19,80 €