Zensur bei Facebook?

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Foto: stopstonningnow.com

INTERNET. (hpd) Gestern und heute wurden überraschend die Facebook-Accounts von Mina Ahadi und Maryam Namazie gelöscht. Nicht nur im Netz wird nun gerätselt, weshalb und durch wen beziehungsweise auf wessen Anforderung das geschah.

Mina Ahadi und Maryam Namazie sind in den letzten Wochen vor allem deshalb weltweit bekannt geworden, weil sie sich sehr intensiv für die Rechte von Sakineh Mohammadi Ashtiani einsetzten, die in Iran zum Tod durch Steinigung verurteilt wurde. Dieses schändliche Urteil wurde aufgrund des großen, internationalen Echos in ein „humaneres“ abgewandelt: Frau Ashtiani soll nun „nur“ gehenkt werden. [1]

Ohne Vorwarnung wurden die Facebook-Accounts von Mina Ahadi und Maryam Namazie zwischen gestern und heute Vormittag gelöscht. Beide vermuten auf ihren Webseiten (http://stopstonningnow.com und http://maryamnamazie.blogspot.com),

dass die Löschung oder Sperrung durch die Islamische Republik Iran veranlasst wurde. Frau Namazie hat nach eigenem Bekunden bereits an Facebook geschrieben und um Aufklärung gebeten; ist bisher allerdings noch ohne Antwort geblieben.

Innerhalb der Facebook-Community wird nun diskutiert, ob die Sperrung aus vorrangig politischen Gründen erfolgte und darüber spekuliert, ob sich der Iran dafür rächen wollte, dass die beiden Frauen, die dem „International Comittee Against Stoning“ angehören und die die internationale Kampagne gegen die Todesstrafe so erfolgreich durchführten, mundtot gemacht werden sollen.

Eine von mir nicht genau nachprüfbare Quelle zitiert einen Brief dazu von Maryam Namazie: „Wie wir alle wissen, ist unser Kampf gegen die Islamischen Republik Iran mehrdimensional. Es scheint so, als hätte die IRI feige Facebook infiltriert und versucht nun, den Aktivisten von "Stop Save Sakineh Mohammadi Ashtiani Campaign" [zu schaden]. Es scheint, als wäre Facebook in diese Falle gegangen und behindert nun die Arbeit der weltweit bekannten, preisgekrönten Menschenrechtsaktivisten Mina Ahadi und Maryam Namazie.“

Eine Vertraute von Mina Ahadi wies darauf hin, dass die Sperrung der Accounts ohne Vorwarnung durch Facebook erfolgte. Dies geschieht – nach den Regeln, die Facebook selbst aufgestellt hat – nur dann, wenn folgende Inhalte über Facebook veröffentlicht werden: „...obszöne, pornografische oder sexuell explizite Fotos sowie Fotos, die Gewalt anschaulich darstellen. Wir entfernen zudem Inhalte - Fotos sowie Texte - die Individuen oder Personengruppen bedrohen, einschüchtern, belästigen, lächerlich machen oder ungewollte Aufmerksamkeit auf diese ziehen.“ Eine Sperrung ohne vorherige Ankündigung muss mindestens die Tatbestände aufweisen. „Abhängig von der Art des Verstoßes kann es sein, dass du vor der Sperrung deines Kontos keine Warnung erhältst.“ (Zitate aus der Hilfe von Facebook)
Es ist weder bei Mina Ahadi noch bei Maryam Namazie davon auszugehen, dass diese Kriterien erfüllt wurden. Ebenfalls ist nicht anzunehmen, dass die Regeln, wie sie in der Erklärung von Facebook festgelegt sind, verletzt wurden. Umso fragwürdiger ist deshalb die Sperrung der Accounts.

Sollte die Sperrung der Facebook-Seiten tatsächlich aufgrund von Informationen aus dem Iran erfolgt sein, stellt sich die Frage nach der Lesart von Demokratie durch das Unternehmen „Facebook“. Wenn sich die Firma „Facebook“ das Recht nimmt, in politische Debatten einzugreifen und sich gegen die Arbeit von Menschenrechtsverteidigerinnen stellt, nenne ich das ein sehr fragwürdiges Gebaren.

Dagegen kann und sollte protestiert werden. Auf der Webseite von Maryam Namazie sind Mailadressen benannt, an die man Mails schicken kann, um die Wieder-Freischaltung der Accounts zu verlangen.

F.N.

 

Aktueller Nachtrag:

Maryam Namazies Facebook-Seite wurde gestern Abend (22:00 h) wieder aktiviert, sie erklärte aber, dass sie das nicht ohne Mina Ahadis Seite akzeptiert.

 

 

[1] In diesem bei YouTube veröffentlichten Interview spricht Mina Ahadi über die Hintergründe des Prozesses.
Der hpd berichtete über den Fall Ashtiani bereits vor mehr als einem Jahr.