Religiöse Rechte – Notizen September 2010

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US-flag / Foto: Andreas Church (morguefile)

USA. (hpd) Da in den USA der Wahlkampf begonnen hat, und die Christliche Rechte lauter wird, beobachtet der hpd das Geschehen mit Monatsrückblicken. Für großes Aufsehen sorgte in diesem Monat der geplante „Verbrenne den Koran“-Tag von Pastor Terry Jones aus Florida.

Am 11. September sollte in Erinnerung an die Terroranschläge im Jahr 2001 das heilige Buch des Islam gleich hundertfach verbrannt werden. Auch Präsident Obama forderte Terry Jones auf, die Aktion abzusagen. Tatsächlich lenkte der radikale Pastor ein und ließ von seinen Plänen ab.

Doch auch wenn sich mehrere christliche Konfession vom „Verbrenne den Koran“-Tag distanzierten, ist es zu einfach, Jones als Einzelfall abzutun. Zwar ist seine Gemeinde klein, doch andere Vertreter der Christlichen Rechten drückten ihre Sympathie aus. Wie bereits im letzten Monat festgestellt, werden Jones' Bücher im Verlag des einflussreichen Publizisten Stephen Strang herausgegeben. Jones sieht übrigens auch den ehemaligen Bundesbankvorstand und Finanzsenator Thilo Sarrazin auf seiner Seite. (Quelle)

Der katholische Abtreibungsgegner Randall Terry zählte in einer Stellungnahme mehrere Beispiele für Feuer als Gottes gerechte Strafe auf. Mose habe das goldene Kalb verbrannt, ebenso seien Sodom und Gomorrha durch Feuer zerstört worden. Viele weitere Figuren der Bibel hätten hexerische und heidnische Bücher verbrannt. (Quelle)

Bryan Fischer von der American Family Association verglich den Skandal um die Koranverbrennung mit Bibelverbrennungen aus dem Jahr 2009. In Afghanistan hatten Militärs tausende Bibel verbrannt, die von Missionaren unter der islamischen Bevölkerung verteilt werden sollten. Die Entscheidung wurde mit Rücksichtnahme auf die Gefühle der Afghanen begründet. Fischer beklagte die Doppelmoral und meinte, dass das Verbrennen einer ebenso großen Anzahl Koranausgaben daher gerechtfertigt sei. Christen hätten sich im Gegensatz zu Moslems in dieser Angelegenheit viel ruhiger verhalten. (Quelle)

Auch diesen Monat teilte Bryan Fischer weiter gegen den Islam aus. Jede Moschee sei ein potentielles oder tatsächliches Trainingscamp für Dschihadisten. 80% aller Moscheebauten würden von der saudischen Regierung finanziert, die das Töten von Christen und Juden fordere. Jede islamische Gemeinde sei daher wie ein Sprengsatz und alle gläubigen Muslime Verräter. (Quelle)

Außerdem stellte Fischer, ebenso wie auch Sarrazin, die These auf, dass die unter Muslimen verbreiteten Ehen zwischen Cousin und Cousine zu Erbkrankheiten und verringerter Intelligenz führen, was den kulturellen Rückstand der islamischen Welt erklären würde. (Quelle)

Dafür dass sich seit dem 11. September 2001 kein größerer islamischer Terroranschlag mehr ereignet hat, bot Fischer eine ganz besondere Erklärung an. In den großen Stadien werde vor jedem Baseball-Spiel „God Bless America“ angestimmt. Die Gebete in diesen „temporären Kathedralen“ hätten Gott gnädig gestimmt. (Quelle)

Fischers Chef, der Gründer der AFA Donald Wildmon, wurde diesen Monat ausgezeichnet. Die Organisation Focus on the Family würdigte seinen jahrzehntelangen Einsatz für christliche Werte in den USA. Donald Wildmon hatte im Jahr 2008 zum Boykott von McDonalds aufgerufen, weil das Unternehmen angeblich zu schwulenfreundlich ist. Desweiteren fiel er immer wieder durch antisemitische Attacken auf. (Quelle)

 

In den deutschen Medien sorgte diesen Monat ein Bericht über die Prügelstrafe bei Kindern für Entsetzen. In christlichen Erziehungsratgebern wird erklärt, wie die Erziehung mit dem Rohrstock funktioniert. Die Autoren dieser Ratgeber, die auch in Deutschland erscheinen, sind meist evangelikale Christen aus den USA. Die Bibel enthält mehrere direkte und indirekte Anweisungen (Du sollst Vater und Mutter ehren!) zur Gewalt gegen ungehorsame Kinder. (Quelle)
Einer der einflussreichsten evangelikalen Befürworter der Prügelstrafe ist der Psychologe James Dobson, der die Organisation Focus on the Family gründete. (Quelle)

Hohe Wellen schlug in diesem Monat der Besuch Benedikt XVI. im Vereinigten Königreich. Bekannte Atheisten wie Richard Dawkins hatten zu Protesten gegen den Papst aufgerufen. Benedikt XVI. sah sich dabei an die Verbrechen der Nazis erinnert. Angeblich hätte „atheistischer Extremismus“ die nationalsozialistischen Völkermorde bedingt. Bill Donohue, Vorsitzender der US-amerikanischen Catholic League unterstützte die Position des Papstes und forderte alle Atheisten auf, sich für die Verbrechen der Atheisten Hitler, Stalin und Mao entschuldigen. Donohue verschwieg, dass zumindest Hitler kein Atheist war und die Kirchen mit dem Nationalsozialismus sympathisierten. Zudem ist seine Attacke nur bedingt glaubwürdig, da Donohue sich selbst mehrfach antisemitisch äußerte. Meine zweiteilige Stellungnahme erschien diesen Monat beim Online-Magazin wissenrockt.de. (Quelle1) (Quelle2) (Quelle3)

Einen weiteren Nazivergleich zog Chuck Colson, ehemaliger Nixonberater, der für seine Rolle in der Watergate-Affäre zu mehreren Jahren Haft verurteilt wurde, in denen er zum evangelikalen Christentum konvertierte. Er erklärte, dass er die Manhattan Declaration 2009 angestoßen habe, weil die derzeitigen Ereignisse in den USA den Ereignissen in den 30er Jahren in Deutschland ähneln. Sich selbst sieht er in einer Reihe mit Dietrich Bonhoeffer und die Manhattan Declaration verglich er mit der Barmer Erklärung der Bekennenden Kirche. (Quelle1) (Quelle2)

Gouverneur Rick Perry, der um seine Wiederwahl im November kämpft, drückte in einem Interview aus, dass er ein Vertreter des Intelligent Design ist, das seiner Meinung nach gleichberechtigt mitder Evolutionstheorie in texanischen Schulen gelehrt werden soll. (Quelle)

Ebenso wurde in Texas ein neues Schulbuch kontrovers diskutiert. Es geriet in die Kritik, weil es angeblich zu islamfreundlich sei und die christlichen Kreuzzüge falsch darstelle. (Quelle)

 

Im Vorwahlkampf der Republikaner um den Senatssitz von Delaware hat sich diesen Monat Christine O'Donnell durchgesetzt. Die gläubige Katholikin gehört der Tea-Party-Bewegung an. Gleichzeitig vertritt sie aber eher evangelikale Positionen – beispielsweise lehnt sie die Evolutionstheorie ab. AIDS ist für sie eine Strafe Gottes – Die Bekämpfung der Strafe also reine Geldverschwendung. Außerdem hält sie Masturbation für eine Sünde. (Quelle)

Mittlerweile schöpfen die Strategen im Weißen Haus wieder Mut, die totale Niederlage im November doch noch abwenden zu können. Die Tea Party ist derart radikal, dass sie die gemäßigten Wähler verschrecken könnte. Im liberalen Staat Delaware mag ein moderater Republikaner bei allgemeinem Unmut über die Demokraten die Wahl gewinnen können. Eine radikale Fundamentalistin wie O'Donnell jedoch nicht.

Der republikanische Abgeordnete Randy Forbes aus Virginia wird bei den Wahlen im
Novmber vom Demokraten Wynne LeGrow herausgefordert. Der liberale Arzt ist bereits seit seiner Jugend Atheist und das obwohl sein Vater Pastor ist. LeGrow verwies in seinen Reden darauf, dass die USA von religiös Verfolgten gegründet wurden und daher eine strikte Trennung von Kirche und Staat nötig sei. Sein politischer Gegner Forbes hatte den Atheismus mehrfach als „gescheitert“ bezeichnet und die jüdisch-christlichen Werte, auf denen die USA fußen, betont.Aber auch in der eigenen Partei stößt LeGrow auf wenig Sympathien. Der Politiker Lionell Spruill wollte aus Angst vor einem Imageschaden nicht mit ihm zusammen auftreten. Auch Pastor Jake Manley, der oft demokratische Politiker unterstützte, ist skeptisch was den Erfolg LeGrows bei christlichen Wählern angeht. (Quelle)

Im Jahr 2008 hatte die republikanische Senatorin Dole ihre Herausforderin (fälschlicherweise) als Atheistin beschimpft. (Quelle)

Dabei zeigt eine Studie diesen Monat, dass Atheisten und Agnostiker weit besser über religiöse Glaubensinhalte Bescheid wissen als Christen. (Quelle)

Das Beste zum Schluss: Die Seite Christwire, eine Satire auf die Christliche Rechte, ist so gut, dass sich mehrere ihrer Vertreter ernsthaft um eine Mitarbeit bemühten. (Quelle)


Lukas Mihr