BERLIN. (hpd) Die historischen Staatsleistungen an die Kirchen – aufgrund von Art. 138,1 i.V. mit Art. 140 GG -, in Höhe von rund 550 Millionen Euro jährlich sollen ersatzlos gestrichen werden. Dies forderte der Koordinierungsrat säkularer Organisationen e.V. (KORSO) am Montagmorgen in Berlin.
Unter der Moderation von Prof. Helmut Kramer stellte sich der Koordinierungsrat säkularer Organisationen e.V. in Berlin in einer ersten Pressekonferenz vor. Nach endlich erfolgtem Eintrag in das Vereinsregister und einer Ratsversammlung, in der am Sonntag der Vorstand für zwei Jahre gewählt wurde, kann der KORSO nun seine Arbeit aufnehmen.
Der Vorsitzende des Koordinierungsrates, Prof. Frieder Otto Wolf, stellte den KORSO und sein Anliegen vor und beschrieb sein Selbstverständnis, der Anwalt der nicht-religiösen, säkularen Menschen in Deutschland zu sein.
Im zweiten Teil der Pressekonferenz gab er im Tagungszentrum im Haus der Bundespressekonferenz den Start der Kampagne „Jetzt reicht’s! Staatsleistungen an die Kirchen ablösen!“ bekannt.
Auf Nachfragen präzisierte er, dass der Begriff Staatsleistungen im Sinne des Grundgesetzes eindeutig nur die Gelder meint, die der Staat entsprechend Art. 138,1 WRV i.V. mit Art. 140 GG aufgrund sogenannter historischer Rechtstitel zahle. Ansonsten sei es dem Staat unbenommen, im Sinne einer Gleichstellung aller Religions- und Weltanschauungsgemeinschaften deren aktuelle Arbeit aufgrund von allgemeinen Grundsätzen und gesetzlicher Grundlagen für alle freien Träger gleichermaßen zu finanzieren.
Dass diese direkten Staatsleistungen von 550 Millionen an die Kirchen nur die Spitze des Eisberges sind, machte der stellvertretende Vorsitzende des KORSO, der Politologe Dr. Carsten Frerk deutlich, der in seinem gerade erschienenen „Violettbuch Kirchenfinanzen“ aufzeigt, wie großzügig der deutsche Staat die Kirchen finanziert. Frerk zufolge erhalten die Kirchen neben Kirchensteuereinnahmen in Höhe von neun Milliarden Euro sowie 45 Milliarden für Caritas und Diakonie direkte und indirekte staatliche Leistungen in Höhe von 19 Milliarden Euro im Jahr: „Allerdings“, so Frerk, „scheint kaum ein Politiker über das Ausmaß dieser Finanzierungen informiert zu sein.“
Um dies zu ändern, hat die Giordano-Bruno-Stiftung im Auftrag von KORSO Frerks „Violettbuch“ an über tausend politische Entscheidungsträger in Deutschland, darunter alle Bundestagsabgeordneten versandt. „Es soll später niemand behaupten können, er hätte von alledem nichts gewusst“, erklärte dazu Stiftungssprecher Michael Schmidt-Salomon.
Prominente Unterstützerin der Kampagne ist die ehemalige SPD-Spitzenpolitikerin Ingrid Matthäus-Maier, die schon seit Jahrzehnten die mangelhafte Trennung von Staat und Kirche in Deutschland kritisiert:
„Der Verfassungsauftrag zur Ablösung der Staatsleistungen an die Kirchen existiert nun schon seit über 90 Jahren“, heißt es in einer Stellungnahme der ehemaligen Vorsitzenden des Finanzausschusses des Bundestags. „Dass die Politik sich trotz größter Staatsverschuldung nicht an die Verwirklichung macht, ist ein klarer Verstoß gegen Artikel 140 des Grundgesetzes in Verbindung mit Artikel 138 der Weimarer Reichsverfassung. Ich begrüße ausdrücklich, dass mit der Kampagne von KORSO Politik und Öffentlichkeit darauf aufmerksam gemacht werden.“
Erste öffentliche Aktion des KORSO
Die Kampagne zur Ablösung der Staatsleistungen ist die erste öffentliche Aktion des Koordinierungsrats säkularer Organisationen. An weiteren Themen mangelt es nicht.
Dass es im KORSO kein dogmatisches Lehramt gibt, zeigten auch die Unterschiede in den Stellungnahmen des Vorsitzenden und seines Stellvertreters. Während Frieder Otto Wolf auf die Ablösung der historischen Staatsleistungen focussierte, erweiterte Frerk den Bezugsrahmen auch darauf, dass überall dort, wo mit Steuergeldern finanziert werde, auch der Staat als eigentlicher Finanzier öffentlich benannt werde. So sollte seines Erachtes an Kindertagesstätten in Bayern klar stehen: „Freistaat Bayern. Kindertagesstätte. Kirchengemeinde St. Johann.“ So könne man eher dem Etikettenschwindel vorbeugen, dass freie Träger sich mit Einrichtungen und Dienstleistungen schmückten, die sie gar nicht finanzieren.
Die Diskussionen über diese und weitere Fragen werden auch innerhalb des KORSO weitergehen.
Vorstand des KORSO: (Hintere Reihe) Konny G. Neumann, Carsten Frerk, Frieder Otto Wolf, Gregor Ziese-Henatsch, (vordere Reihe) Rudolf Ladwig, Ralf Lux, Helmut Kramer.
Der am Sonntag in der Ratsversammlung gewählte Vorstand des KORSO wird sicherlich in den kommenden zwei Jahren genügend zu tun haben, den nun, nach Eintrag des e.V. ins Registergericht, aktiver werdenden KORSO in den teils unterschiedlichen Detailvorstellungen seiner Mitgliedsverbände zu koordinieren.
Robert Schwarz