Seltenes Glück, neuer Mut oder Komik?

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Kölner Dom / Foto: Michael Kraemer (pixelio)

KÖLN. (hpd) Gar nicht komisch war die Meldung der vergangenen Woche, dass ein wohl geistig verwirrter Mensch einen Brandanschlag auf den Kölner Dom verübt hat. Erfreulicherweise konnte das Feuer sofort gelöscht werden, so dass niemand zu Schaden kam. Auch der Verursacher nicht.

Eine Glosse von Burkhard Wepner

Die Motive für die Handlung des Iren waren in der Tat verwirrt: es sei eine Metallplatte in sein Gehirn eingepflanzt worden, über die er Befehle von anderen erhalten würde…

Nun, dass in diesem Gebäude Menschen angeblich Befehle (Stimmen, Offenbarungen etc.) von ominösen Dritten erhalten bzw. institutionell davon überzeugt sind, dass dies nicht nur möglich ist, sondern schon häufig vorgekommen, ist ja kein Geheimnis. Nur die Metallplatte war diesmal eine Neuerung, insofern sie mit der Behauptung verknüpft wird, sie sei als eine Art Empfangsmodul für fremde Befehle im Gehirn eingepflanzt worden.

Früher waren es Steinplatten, oder Goldtafeln (aber halt, das war ja bei einer konkurrierenden Firma). Aber Metall im Gehirn? Unmöglich! Also ist dieser Ire ein Irrer?! Da ist es doch wesentlich wahrscheinlicher, wenn ein Mensch übers Wasser geht, ein Meer zerteilt oder Wasser in Wein verwandelt. Was aber ist jetzt irre, was als Märchen einfach nur irre gut?

Angenommen, der Ire hätte das nötige Charisma, etwas Kleingeld, Glück und Gefolgsleute in wachsender Zahl. Dann stellt sich alsbald die Frage: ab wann, bzw. ab welcher Zahl an überzeugten Anhängen darf seine Idee, die (so von katholischer Seite behauptet) verwirrt gewesen sei, ab wann also darf sie sich Religion nennen und in Deutschland Anspruch erheben, staatlicherseits Kirchensteuer eintreiben zu lassen?

Also eine Frage nach dem Motto: hat einer eine Wahnidee, schickt man ihn zum Arzt, haben dies viele, nennt man es Religion.

Mit dieser Aktion hat besagter Ire also große, von eventueller Klärung noch weit entfernte Fragen aufgeworfen, welche – so sehe ich es in Deutschland schon kommen – in letzter Instanz erst vom Bundesverfassungsgericht geklärt werden können. (Vorschlag: Einführen einer Art Fünf-Prozent-Hürde für Religionneugründungszulassungen. Ab 5 % der Glaubensberechtigten: raus aus der Anstalt, rein in die Kathedrale.)

War das jetzt die Geburtsstunde einer neuen Weltreligion, etwa die der „Metallenen“ oder der „Vergeblichen Brandschatzer“?

Wir wissen es nicht. Aber zwei Wahrheiten sind noch einmal aufs Neue bestätigt worden: „Irren ist menschlich“, und „Iren sind männlich“.

Ganz im Schatten dieser spektakulären Tat, die zwar recht harmlos begann, aber dann doch zum Spektakel „hoch geschrieben“ wurde, hat sich in Folge noch etwas viel wesentlicheres ereignet. Wir haben das seltene Glück, Zeugen eines wirklich spektakulären Ereignisses geworden zu sein. Wohl aus der Sorge heraus, nach der heftigen Kritik, die vor allem die katholische Kirche „im Zeichen des Missbrauchs“ zuletzt hatte einstecken müssen, auch im Angesicht abnehmender Mitgliederzahlen und unter dem Eindruck schwindender Glaubwürdigkeit und offensichtlichem Aufkommen neuer irisch irrer Konkurrenz ist man von katholischer Seite aus deutlich in die Offensive gegangen, was das Angreifen hierarchischer Strukturen und obrigkeitshörigen Kuschens betrifft: Man darf den eigenen Chef neuerdings öffentlich mutig kritisieren, und zwar deutlich, sogar drastisch.

Oder stand die Dombaumeisterin Schock-Werner noch unter ihres Namens erstem Teil, als sie zum Kölner Stadtanzeiger am 25.11.2010 offen und ehrlich bekannte: der Ire sei „wieder mal einer der Verwirrten“ gewesen, „die regelmäßig in den Dom kommen, um dort ihre vermeintliche Botschaft loszuwerden“?