TRIER. (hpd) Über Parteigrenzen hinweg, derzeit wieder mal in aller Munde, vor allem der Frauen, die es ohne geschafft haben: Die Frauenquote. Ein energisches Plädoyer dagegen von der engagierten Humanze Fiona Lorenz.
Amalie Dietrich ist geradezu besessen von Botanik. Um Pflanzen und Kräuter zu sammeln und diese systematisch klassifizieren zu können, reist sie mitunter siebzehn Wochen zu Fuß durch Deutschland oder elf Wochen durch die Salzburger Alpen, da sie sich eine Fahrt mit der Eisenbahn nicht leisten kann. Ihr Kind gibt sie während ihrer Reisen in Pflege. Sie wird zur Pflanzenexpertin, führt unterwegs Gespräche mit Fachgelehrten an den Universitäten, Professoren und Direktoren der botanischen Gärten. Mit 41 bewirbt sie sich bei dem Hamburger Reeder und Großkaufmann Cesar Godeffroy um den Auftrag, in der Südsee zu forschen. Sie wird abgelehnt, besorgt sich umgehend anerkennende Urteile namhafter Wissenschaftler, und erhält doch den Auftrag. Vor der Reise lässt sie sich noch von einem Konservator ausbilden, lernt Englisch und den Umgang mit der Waffe und erforscht daraufhin zehn Jahre lang den australischen Busch. Ihre Sammlungen werden zu einem Anziehungspunkt für die wissenschaftliche Welt, viele Arten werden nach ihr benannt. Amalie Dietrich lebte 1821-1891.
Mehr als ein Jahrhundert vor Dietrich lebt Maria Sybilla Merian (1647-1717). Merian ist Insektenforscherin und liefert bereits 50 Jahre vor Linnés Klassifikation eine allererste bildliche Systematik der Schmetterlinge. Man muss dazu wissen, dass zu dieser Zeit Schmetterlinge im Volksglauben immer noch als Hexen galten, die als schöne Falter an der Sahne lecken und diese verderben (“butterfly”). Merian denkt zudem bereits in Kreisläufen, also in ökologischen Zusammenhängen. Mit 52 Jahren begibt sie sich mit ihrer Tochter auf eine Forschungsreise in den südamerikanischen Urwald - eine Reise, für die sie Forschungsgelder einwerben kann. Das daraus entstehende Buch macht sie weltberühmt.
Beide Frauen konnten also schon mehrere Jahrhunderte vor der Emanzipationsbewegung und deren Frauenquote Karriere machen - und zwar auf Grund ihrer Leidenschaft für einen Themenbereich. Beide waren wohlgemerkt auch Mütter! Wie auch zum Beispiel Marie Curie, die einzige Empfängerin zweier Nobelpreise in unterschiedlichen Disziplinen. Es stellt sich die Frage, woher denn nun wirklich die Unterrepräsentanz von Frauen in Führungspositionen rührt – denn diese ist ja de facto gegeben. Und ob dieser Unterrepräsentanz mit einer Frauenquote begegnet werden könnte. Dazu ist es notwendig, möglichen Gründen für dieses Phänomen nachzugehen.
Wie steht es um die Benachteiligung von Frauen nach ca. 35 Jahren Frauenbewegung? Ist die Benachteiligung tatsächlich so groß, wie es von Seiten „der Frauenbewegung“ (hier in all ihren Facetten pauschal so bezeichnet) interpretiert wird, dann sind die Methoden der Frauenbewegung nicht oder nur wenig wirksam gewesen.
Das Gleichbleiben oder nur geringfügige Ansteigen der Anteile von Frauen in bestimmten Lebensbereichen könnte aber auch andere Ursachen haben als die Benachteiligung von Frauen in eben diesen Bereichen. Das heißt, die Ursachen für das Phänomen könnten sich geändert haben. Eine andere Möglichkeit der Interpretation besteht nun darin, die Phänomene, auf denen Benachteiligungshypothesen basieren, unter einem anderen Licht zu betrachten und neue Interpretationen hinzuzufügen.
Ich werde im Folgenden zunächst kurz auf die Benachteiligung von Frauen eingehen, um dann über die Erstellung einer Matrix von Macht und Machtlosigkeit der Geschlechter die Perspektive auf andere Geschlechterverhältnisse zu ermöglichen.
Als Beispiele für Dissonanzen in der Wahrnehmung der Geschlechterverhältnisse werde ich die Lebensbereiche Beruf und Mutterschaft thematisieren.
Die „Benachteiligung von Frauen“
Die Benachteiligung von Frauen wird an ihrem geringen Anteil in bestimmten Lebensbereichen, zum Beispiel in höheren Karrierepositionen, in der Politik und in anderen Machtbereichen der Öffentlichkeit gemessen. Als Ursachen hierfür werden historisch gewachsene, männerdominierte Strukturen gesehen, in denen Männer bevorzugt und Frauen benachteiligt werden. Darüber hinaus werden angeblich komplexe psychosoziale Prozesse wirksam, in denen Mädchen und Jungen bereits im Elternhaus und in der Schule mit Geschlechtsstereotypen konfrontiert und geprägt werden. Soziobiologische Erkenntnisse werden dagegen überwiegend abgelehnt (es sei denn, aus ihnen lassen sich Vorteile ableiten), obwohl sich mit ihnen sehr viel mehr Phänomene erklären ließen.
Andererseits sind auch Jungen denselben komplexen psychosozialen Prozessen ausgesetzt, wie auch ihre Sozialisation das Ergebnis historisch gewachsener Strukturen ist. Die Bezugspersonen für Jungen sind in den ersten Lebens- und Schuljahren hauptsächlich Frauen: die Mutter, die Erzieherinnen im Kindergarten, die Grundschullehrerinnen.
Seit einigen Jahren lässt sich nun beobachten, dass der Anteil der Jungen abnimmt, die Abitur machen, Jungen finden sich dagegen verstärkt an Hauptschulen. Auch an den Hochschulen schwindet die Zahl der jungen Männer. Auf eine kurze Formel gebracht, ließe sich sagen: Je höher die Schulbildung, desto mehr weibliche und desto weniger männliche Absolventen. Dann aber, bei der Promotion, später auch bei der Habilitation, kehrt sich das Bild um: Hier finden sich mehr Männer als Frauen. Und dennoch: Wenn sie denn einmal habilitiert sind, haben Frauen mehr Chancen auf eine Professur als Männer (1) - Frauenquote eben.
Farrells Machtmatrix
Warren Farrell (1993) legt seiner Analyse des Mann-Frau-Verhältnisses eine Matrix von Macht und Machtlosigkeit zu Grunde und stellt heraus, dass im Verlauf der Emanzipationsbewegung vor allem die weibliche Machtlosigkeit fokussiert und diese als gleichbedeutend mit männlicher Macht gesetzt wurde. (2) Farrell lenkt den Blick jedoch auch auf die anderen Bereiche, nämlich männliche Machtlosigkeit und weibliche Macht. Er definiert Macht „als die Fähigkeit, über das eigene Leben zu bestimmen“ bzw. „Kontrolle über unser Leben“, wodurch der „Zugang zu äußerer Macht und äußeren Hilfsmitteln (also Einkommen, Status, Eigentum)“ (3) zwar für Männer eher gegeben ist als für Frauen, der Zugang zu anderen Bestandteilen von Macht jedoch nicht gegeben bzw. vermindert ist.