Das Abendland - eine säkulare Perspektive

Dieser Vorschlag zur Periodisierung – und gleichzeitig Schulz’ Resümee aus dem vorbereitendem historischen Abriss – lautete, dass das „Antike Abendland“ maßgeblich prägend für unseren Kulturraum bis zum Jahre 321 (Kaiser Konstantin der so genannte Große) war, ab dann vom „Christlichen Abendland“ bis ins Jahre 1648 (Westfälischer Friede) gesprochen werde könne und wir uns ab diesem Zeitpunkt im „Säkularen Abendland“ befänden. Zusammengefasst bedeute dies, dass das menschliche Prinzip das für uns prägende darstelle, wir demzufolge weit eher „Wesensverwandte“ mit der Antike als mit dem Mittelalter seien und das Christentum heutzutage keinen begründeten Anspruch auf die Gesellschaft des säkularen Abendlandes mehr habe.

Auf die Zukunft bezogen hieße dies freilich nicht, dass automatisch ein säkularer Anspruch, womöglich auch auf die anderen Zivilisationen bestehe. Erneut im Erklärungsmuster Huntingtons argumentierend hob Schulz allerdings die säkulare Ethik des Abendlandes als übergreifende Chance auch für die anderen Kulturkreise hervor. Bislang hätten diese zumeist nur die technischen Errungenschaften des Abendlandes übernommen. Der Humanismus aber könne eine geeignete Möglichkeit des Zusammenlebens der weltweit unterschiedlichen, menschlichen Traditionen sein, und in unserem Handeln als säkulare Humanisten können wir dies vorweg nehmen.

Publikumsdiskussion

Interessante Aspekte der anschließenden Publikumsdiskussion waren z.B. historisch motivierte Rückfragen zur Rolle der Kaiser Konstantin und Justinian für das frühe Christentum – zweifellos konnten hier Synthesen zum Vortrag Rolf Bergmeiers im Rahmen der Herbstvorträge 2010 der Säkularen Humanisten Rhein-Main gezogen werden.

Nach der Zukunft von Aufklärung und Säkularisierung gefragt plädierte Schulz dafür, den Atheismus als eine zukunftsweisende Erfindung anzusehen, die in Anbetracht des real erfahrbaren Fortbestehens rückständiger Denkmuster die bittere Notwendigkeit praktizierter Aufklärung umso mehr betont. Wenn es den Säkularen dabei nicht gelinge, ausreichend Gelegenheiten für religiöse Falsifizierungsprozesse zu erzeugen, so sei dies nicht das Problem der „Dummheit der anderen“ sondern der eigenen Aufklärungsstrategien.

In diesem Zusammenhang sprach sich Schulz auch für einen „Zentralrat der Atheisten“ aus, wohingegen aus dem Publikum vereinzelt „KORSO“ zu hören war. Schließlich hieß der Referent in der Diskussion um die Rolle der Institution Kirche deren soziales Engagement prinzipiell gut, bestand aber mit Nachdruck auf der restlosen Abschaffung ihrer „institutionellen Macht“. An dieser Stelle wäre unter Hinweis auf Carsten Frerks Arbeiten zu Caritas und Diakonie in Deutschland zumindest einzuwenden, dass die Kirchen z. B. durch die Mitarbeiterpolitik in ihren Sozialverbänden ganz erhebliche Macht ausüben.

Die neue Online-Plattform „Atheodoc“

Den Schluss der zweistündigen Veranstaltung gestaltete Paul Schulz mit der erstmaligen öffentlichen Präsentation des von ihm als Herausgeber betreuten Projekts „Atheodoc“. In Zusammenarbeit mit einem internationalen Autorenteam soll unter diesem Titel und ab dem 31. Oktober 2011 unter der Adresse atheodoc.com abrufbar eine atheistische Online-Enzyklopädie entstehen. Mit seinem diskursiven Aufbau versteht sich „Atheodoc“ als in der Tradition von Diderots Encyclopédie stehend und möchte eine umfassende atheistische Systematik bereit stellen. Verschiedene Partizipationsmöglichkeiten sollen die Mitarbeit an dem Projekt für eine interessierte Öffentlichkeit ermöglichen. Nach diesem durchaus imposanten Auftakt sei Paul Schulz an dieser Stelle für „Atheodoc“ bereits viel Erfolg gewünscht!

 

Nächstes Monatstreffen der Säkularen Humanisten Rhein-Main:
17.06.2011 - 19.00 Uhr - Club Voltaire, Kleine Hochstr. 5, Frankfurt am Main. Interessierte sind jederzeit willkommen.

Nächste Veranstaltungen der Säkularen Humanisten Rhein-Main:
Infostand am 11.06.2011 ab 10:00 Uhr auf der Hauptwache, Höhe Steinweg in Frankfurt a.M.

Vorschau der Vorträge im Herbst