Pilger sahen wir keine

Bauchtanz in der Kirche

Heinz Oberhummer lächelt bei dem Gedanken, was ein erzkatholischer Journalist über die Sonnwendfeier am Georgiberg schreiben würde. „Das ist fast so wie die Klischees, die sie sich von den Atheisten machen“, sagt er mit einem Augenzwinkern. Viel frevelhafter als eine Bauchtanzgruppe in einer aufgelassenen Kirche kann aus Sicht eines gläubigen Katholiken wohl auch kaum etwas sein. Samt Bierausschank gegen freie Spende. Für Sittenstrenge muss das beinahe den Charakter einer Orgie haben.

Das Gebäude, dessen Kern um das Jahr 800 entstanden sein dürfte, gilt als eine der ältesten Kirchen der Region. Vor wenigen Jahren hat es die katholische Kirche an den Verein „Georgiberg“ verkauft, der sie zu einem Kulturzentrum umfunktioniert hat. Obwohl sich die Katholiken der Gegend mit Ketzerei in dem Gebäude abgefunden haben müssten. Im Jahr 1899 wurde hier eine protestantische Messe gelesen – was ein langwieriges Gerichtsverfahren mit sich brachte. Dass der Grund, auf dem Kirche stand, damals einem Protestanten gehörte, war für die Richter weitgehend belanglos.

So voll wie heute dürfte das Gebäude in den vergangenen 20 Jahren bestenfalls bei Christmetten gewesen sein. Es sind nicht nur die angereisten Unterstützer Rothwangls da. Der Großteil der Gäste sind Vereinsmitglieder und deren Freunde aus der Umgebung. Wahrscheinlich sind nicht alle aus der Kirche ausgetreten oder gar deklarierte Atheisten. Die heutige Feier ist Rothwangls Idee. Er sitzt auch im Vereinsvorstand. „Ich wollte hier eine schöne Sonnwendfeier für Freunde machen“, erzählt er. Wozu für ihn neben Bauchtanz und Lokalmusiker „Pinky“ Trommelwirbel und Gemeinschaftstanz gehören.

Dass sein geplanter Höhepunkt buchstäblich ins Wasser fällt, stört ihn wenig. Er wollte einen selbstgebauten Phönix aus Holz zur Sonnwendfeier entzünden. Nur trommelt mittlerweile seit Stunden der Regen gegen die mittelalterlichen Gemäuer. Der Vorplatz gleicht einer Schlammpfütze. „Schade. Aber das können wir nächstes Jahr machen“, sagt er verschmitzt. Zumindest der begeisterte Wanderer Heinz Oberhummer kann sich mit dem Gedanken anfreunden. „Das wäre toll, wenn wir das jedes Jahr machen könnten.“ Vielleicht ließe sich das Kulturzentrum ja auch für humanistische Tagungen nutzen, meint er.

Für eine kleine Gruppe aus Wien hat die Kirche einen etwas unmittelbareren Nutzen. Nach dem Ende der Feier legen sie mehrere zusammengeklappte Heurigenbänke zusammen und legen ihre Schlafsäcke drauf. „Ich lass euch was zum Essen für die Früh da“, sagt Rothwangl. „Ich komm am Vormittag vorbei.“ „Hätt ich auch nicht gedacht, dass ich als Atheist jemals in einer Kirche schlafen würde“, sagt einer der Übernachtenden. „Ja, das hat schon was für sich“, meint ein Zweiter.

Christoph Baumgarten
 

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