Die Rote Armee Fraktion

(hpd) Der ehemalige Mitarbeiter der Bundesanwaltschaft Klaus Pflieger legt in seinem Buch „Die Rote Armee Fraktion“ eine Geschichte des Linksterrorismus in Deutschland vor. Sie bringt einen juristischen und staatlichen Blick auf das Phänomen, welcher anderen Darstellungen mitunter fehlt, aber auch nicht verabsolutiert werden sollte.

Die linksterroristische „Rote Armee Fraktion“ (RAF) verübte vom Beginn der 1970er bis zum Ende der 1990er Jahre zahlreiche Anschläge und Morde. Angesichts deren Dimension verwundert nicht, dass mittlerweile eine Fülle von Literatur zum Thema vorliegt. Hierbei handelt es sich um Darstellungen von in Form und Inhalt ganz unterschiedlicher Ausrichtung. Mittlerweile haben auch Ex-Terroristen ihre autobiographisch geprägten Bücher veröffentlicht. Journalisten und Publizisten legten mal kenntnisreiche, mal oberflächliche, mal mehr affirmativ, mal mehr kritisch gehaltene Monographien vor. Und aus der Feder von Extremismusforschern und Sozialwissenschaftlern stammen analytisch ausgerichtete Werke mit einem stärker auf Bedingungsfaktoren und Motive zugeschnittenem Erkenntnisinteresse. In die Schar dieser Veröffentlichungen reiht sich die Arbeit von Klaus Pflieger mit dem schlichten Titel „Die Rote Armee Fraktion“ ein, welche allerdings eine Besonderheit durch den juristischen und staatlichen Blick aufweist.

Dies bedingte der berufliche Hintergrund des Autors, der von 1980 bis 1985 als wissenschaftlicher Mitarbeiter und von 1987 bis 1995 als Planbeamter bei der Bundesanwaltschaft mit Links- und Rechtsterrorismus befasst war. Ein konkretes Erkenntnisinteresse formuliert Pflieger für sein Buch nicht. Es beschreibt ausführlich die Entwicklung der RAF: Dabei setzt die Darstellung bei den Brandanschlägen vom 2. April 1968 und mit der Herausbildung der ersten Generation und deren Wirken ein. Besonders große Aufmerksamkeit findet danach die zweite Generation der RAF, welche nicht mehr einen politischen Wandel, sondern die Befreiung der Gründer der Gruppe zum Hauptziel erklärte. Auch nach deren Scheitern Ende der 1970er Jahre löste sich die RAF keineswegs auf, wofür die Anschläge u.a. in Kooperation mit der französischen „Action Directe“ in den 1980er Jahren sprechen. Erst Ende der 1990er Jahre, so Pflieger, konnte von einem Ende des Linksterrorismus und der RAF gesprochen werden.

Deren Ziel, so der Autor bereits zu Beginn, sei es, „die staatliche Ordnung und die gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse in der Bundesrepublik Deutschland sowie die Nordatlantische Verteidigungsgemeinschaft (NATO) durch Gewalttaten wie Mord- und Sprengstoffanschläge zu bekämpfen“ (S. 15). Was man unter dem Letztgenannten so zu verstehen hat, findet besonders große Aufmerksamkeit: Pflieger schildert exakt den Ablauf von Anschlägen und Attentatsversuchen, wie etwa bei der Schleyer-Entführung, wo sogar mit Skizzen der Straßen ein plastischer Eindruck von den Ereignissen vermittelt wird. Auch in den anderen Kapiteln steht die Rekonstruktion solcher Taten im Zentrum der Darstellung, häufig ergänzt durch den Abdruck von Bildern oder Dokumenten. Dies gilt ebenso für die Opfer des Linksterrorismus auf beiden Seiten, erhalten sie doch durch Beschreibungen und Fotos ein persönliches Gesicht und erscheinen nicht nur als statistische Größe. Durch Gewaltaktionen der RAF starben 38 Menschen und viele andere wurden verletzt.

Pflieger erinnert in seiner Darstellung auch an Fahrer und Polizeibeamte, die neben den prominenteren Opfern häufig keine gesonderte Aufmerksamkeit finden. Dies unterscheidet sein Buch wohltuend von anderen Veröffentlichungen. Darüber hinaus konzentriert er sich nicht nur auf die erste Generation der RAF, findet doch auch die zweite und dritte Generation ausführliche Aufmerksamkeit. Ebenso geht Pflieger auf die anderen linksterroristischen Gruppen „Bewegung 2. Juni“ und „Revolutionäre Zellen“ ein. Seine Darstellung ist allerdings allzu sehr der Perspektive eines Juristen verhaftet, welcher sich aus Sicht der Strafverfolgungsbehörden mit dem Thema beschäftigt. Entsprechend lesen sich nicht wenige Ausführungen in Formulierungen und Stil wie ein Behördenbericht. Analysen und Deutungen zu den Entwicklungen und Motiven des Linksterrorismus findet man von daher kaum. Gleichwohl verdient das Buch Interesse: Es bringt eine Perspektive, die anderen Büchern fehlt. Ihm fehlt aber auch eine Sicht, die andere Studien haben.

Armin Pfahl-Traughber

 

Klaus Pflieger, Die Rote Armee Faktion. 14.5.1970 bis 20.4.1998, 3. aktualisierte und erweiterte Ausgabe, Baden-Baden 2011 (Nomos-Verlag), 340 S., 19,80 €.