SPD-Laizisten diskutieren Kurswechsel

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Sigmar Gabriel löste neue Diskussionen aus. Foto: Jens Bullerjahn / CC-BY-SA

BERLIN. (hpd) In die Debatte zwischen den Laizistinnen und Laizisten in der SPD kommt derzeit offenbar einige Bewegung. SPD-Parteichef Sigmar Gabriel erteilte am Samstag einem Arbeitskreis Laizisten erneut eine Absage. Gleichzeitig erklärte er aber, mit einer Gruppe „Atheisten und Freidenker“ hätte er „kein inhaltliches Problem“. Rolf Schwanitz warnte vor einer Aufspaltung der Initiative.

Auslöser der neuerlichen Diskussion war ein Kommentar von Sigmar Gabriel bei Facebook. Er reagierte damit am Samstagvormittag auf drängende Nachfragen von Parteimitgliedern. Gabriel wies erneut zunächst darauf hin, dass das Kernanliegen einer strikten Trennung von Kirche und Staat nicht die Position der SPD ist.

„Es ist auch nicht die Position unseres Grundgesetzes“, so Gabriel weiter. Er verwehrte sich gegen den Vorwurf, dass Atheisten und Freidenker in der SPD ausgegrenzt werden. „Der Parteivorstand hat schlicht beschlossen, dass kein Arbeitskreis in seinem Auftrag die strikte Trennung von Kirche und Staat propagieren soll, weil es nicht Mehrheitsmeinung in unserer Partei ist“, erklärte er zur Ablehnung eines Antrages auf Anerkennung im vergangenen Jahr.

Würden sich aber Atheisten und Freidenker in der SPD in einem gleichnamigen Arbeitskreis zusammenschließen wollen, hätte er damit „kein inhaltliches Problem“. Gabriel erinnerte zur Begründung seiner bisherigen Absage: „So wollte sich der Arbeitskreis der Laizisten aber ausdrücklich nicht verstanden wissen. Es war klar, dass er sich vor allem dem Thema der Trennung von Staat und Kirche widmen wollte.“

Die ersten Reaktionen unter den laizistischen Parteigenossen waren sehr unterschiedlich. Dabei wurden erneut zwei Pole deutlich, die innerhalb der Gruppe weiterhin existieren und die zuletzt auch bei einer Laizismus-Tagung in Berlin Anfang Dezember letzten Jahres sichtbar waren.

"Entpolitisierter Arbeitskreis" mit Schwanitz nicht zu machen

Während ein Teil der Initiative anstrebt, in der SPD die Politik eines rigiden Abbaus von Privilegien einzelner Religionsgemeinschaften – deren Formen wohl vielen vor allem bei den Amtskirchen präsent sind – zu verankern, wollen andere die Interessen von Wählergruppen unter den Konfessionsfreien durch eine Praxis der Gleichbehandlung bedienen.

Rolf Schwanitz, Mitglied des Sprecherkreises, warnte wegen spontaner Rufe nach der Einrichtung des von Gabriel vorgeschlagenen Arbeitskreises deutlich: Ein solcher Arbeitskreis könne keine laizistische Forderungen erheben. „Die Akzeptanz der Kirche-Staat-Verbindung im Sinne des Status quo in Deutschland wäre dann quasi Geschäftsgrundlage“, so Schwanitz. Solch ein „entpolitisierter“ Arbeitskreis wäre mit ihm nicht zu machen, stellte er klar und wies darauf hin, dass die kirchennahe Parteiführung mit einer Aufspaltung der laizistischen Initiative in der Partei „sicher auch gut leben“ könne.

Michael Bauer, ebenfalls Sprecher der Initiative und geschäftsführender Vorstand des HVD Bayern, kennzeichnete erneut einen anderen Pol und warb dafür, auf den Gabriel angezeichneten Vorschlag einzugehen. Er hatte bereits im Vorjahr die Anerkennung eines Arbeitskreises „Humanistinnen und Humanisten und Konfessionsfreie“ beim Vorstand der BayernSPD durchgesetzt.

Bauer will bis zur Verwirklichung grundsätzlicherer Änderungen im Verhältnis von Staat und Religion auf eine weitestgehende Gleichbehandlung seines Verbands bei der staatlichen Förderung von Religions- und Weltanschauungsgemeinschaften setzen, wobei auch innerhalb des Verbands der Umfang des Katalogs von Inhalten der angestrebten Gleichbehandlung umstritten ist.

Er öffnete nun jedenfalls bei Facebook eine Gruppe „Humanist(inn)en und Konfessionsfreie in der SPD“. Ist die von Schwanitz gesehene Gefahr der Spaltung also schon da? Kritiker sehen gegenüber den Plänen von Bauer die Gefahr, dass dabei grundsätzliche Forderungen und Maßnahmen des Laizismus auf der Strecke bleiben.

Eindeutiger hatte sich dessen Verband zuletzt nach der Rede von Benedikt XVI. im Freiburger Konzerthaus geäußert. Dabei hieß es, dass die Privilegienbündel der Kirchen nicht länger haltbar seien. Gefordert wurde die überfällige Trennung von Staat und Kirchen endlich zu vollziehen.

Die SPD-Laizistin Ingrid Matthäus-Maier, die als Vertreterin einer rigiden Abbaustrategie gegenüber dem kirchlichen Privilegienkatalog bekannt ist, begrüßte diese Stellungnahme anschließend ausdrücklich. Letztlich ist dieser Verband aber nur ein Akteur, daneben setzen auch andere Organisationen in diesem Bereich auf die Gleichbehandlungsstrategie.

Gabriel: "Thema nicht weltbewegend"

Weitere Protagonisten bei den SPD-Laizisten äußerten sich am Wochenende ebenfalls kritischer und erteilten dem Streben nach einer weitgehenden Gleichbehandlung eine klare Absage. Amardeo Sarma, ein Mitgründer der SPD-Laizisten erklärte, dass für ihn kein Arbeitskreis Sinn mache, der auf laizistische Positionen verzichten müsse.

Entsprechend äußerte sich Sprecher Nils Opitz-Leifheit und meinte, das Angebot sei „eher eine Falle als eine Chance“. Nun wird derzeit neu diskutiert, wie sich die Laizistinnen und Laizisten in der SPD aufstellen sollen und unter welchem Namen sie firmieren soll: Freidenker, Atheisten, Humanisten? Sigmar Gabriel meinte jedenfalls, dass er „das Thema nicht wirklich weltbewegend“ finde.

Der Umgang der Parteispitze mit den Laizisten wird auch außerhalb der bisher durch eigene Wortmeldungen hervortretenden Kreise aufmerksam beobachtet. Zum Jahreswechsel warnte ein Essay in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung davor, dass die SPD-Führung bei ihrem Umgang mit den Laizistinnen und Laizisten das Freidenkermilieu verprelle.

„Die Partei August Bebels übt unter Sigmar Gabriel die Frömmelei ein“, schrieb Thomas Stamm-Kuhlmann, Professor für Allgemeine Geschichte der Neuesten Zeit an der Universität Greifswald und Mitglied der SPD seit vier Jahrzehnten.

Stamm-Kuhlmann: „Auch die ‚neuen Atheisten‘ werden nicht lockerlassen, zumal sich ihr geistiges Rüstzeug inzwischen über den Stand von Ernst Haeckel hinaus entwickelt hat. So, wie Sigmar Gabriel aber auf dem Parteitag versprochen hat, die SPD werde sich nie wieder von den Arbeitern entfernen, so sollte er auch beherzigen, dass die Partei ebenfalls im antiklerikalen bürgerlichen Milieu Wähler angezogen hat, die sie verspielen könnte.“

Und auch von Seiten der Kirchen gibt es vereinzelte Stellungnahmen zum Streit über die Staatsleistungen an die Kirchen. Heinrich Bedford-Strohm, seit kurzem Landesbischof der evangelischen Kirche in Bayern, erklärte in der vergangenen Woche während einer Klausurtagung der SPD-Landtagsfraktion, für eine Verhandlung über Staatsleistungen an die Kirchen bereit zu sein.

Bedford-Strohm bekräftigte aber erneut eine Haltung, an der sich bei oberflächlicher Betrachtung viele SPD-Laizisten weiterhin stoßen könnten. Der Landesbischof meinte laut einem Bericht des evangelikalen Online-Portals jesus.de, er könne keinen Grund erkennen, weshalb nicht auch Kirchen und Religionsgemeinschaften staatlich gefördert werden, „wo öffentliche Belange berührt werden wie in anderen Bereichen etwa in der Bildung, Kunst oder im Sport.“ Weiter hieß es zur gesellschaftlichen Rolle, die Kirche sei ein Aktivposten wie viele andere Vereine oder Organisationen auch.

Wie weit soll die Säkularisierung gehen?

Über die Auslegung dieser Worte dürften sich die Geister bei den SPD-Laizisten weiterhin spalten. Denn aus der Sicht einiger kann diese Haltung den Anspruch erfüllen, dass die Kirchen und andere Weltanschauungsvereinigungen nicht mehr gefördert werden sollen als ein Sportclub oder ein Kaninchenzüchterverein.

Einigen anderen Laizistinnen oder Laizisten unter den Sozialdemokraten geht das aber möglicherweise auch nicht weit genug. Sie erhoffen sich eine konsequente Streichung jeglicher Zahlungen an die organisierte Religion, lehnen die staatliche Einbeziehung von Gruppen mit religiösem oder konfessionellem Charakter in Politik und Gesellschaft prinzipiell ab.

Klar scheint angesichts der neu aufgeflammten Debatte jedenfalls, dass bei der Trennung von Staat und Religion weiterhin genug Stoff zum Streiten vorhanden bleibt. Und ob sich die Vermutung einer von Sigmar Gabriel beabsichtigen Aufspaltung der Initiative endgültig bewahrheitet oder ob sich die Ergebnisse der Diskussion zwischen den SPD-Laizisten irgendwann wirklich in einer neuen Parteipolitik niederschlagen, kann vielleicht offen bleiben.

Die Piratenpartei, die kürzlich erst einen Beschluss zur strikten Trennung von Staat und Religion in das Grundsatzprogramm aufgenommen hatte, feierte am Wochenende den Eintritt ihres 20.000sten Mitglieds.

Arik Platzek