Der ungläubige Fritz

(hpd) Welche Erfahrungen macht ein deklarierter Atheist in einem Land, das sich als zutiefst katholisch versteht? Das schildert der Oberösterreicher Friedrich „Fritz“ Pirker in seinem Erstlingswerk „ungläubig“. Und er hat mehr zu erzählen, als ihm lieb ist.

Fritz Pirker würde sich gerne weniger oft als Atheist deklarieren. Allein, sein Gegenüber lässt ihm oft keine Chance. In „ungläubig“ schildert er zahlreiche Situationen, in denen er unverhofft und vor allem unprovoziert religiöse Inhalte aufgedrängt bekommt oder mit Argumentationsstrukturen konfrontiert ist, die sich nur mit einem blinden Vertrauen auf irgendeine höhere Macht erklären lassen. Da hört er zum Beispiel bei einem Arztbesuch lautstärkebedingt das Gespräch zweier älterer Damen mit an. Beide sind überzeugt, „ein Schutzengerl“ habe das kleine Mädchen einer Bekannten wieder gesund werden lassen. Oder doch der barmherzige Gott? Die Frage, wieso dann dieser Gott, so es ihn gibt, das Mädchen überhaupt krank werden hat lassen, können sie nicht beantworten.

Nicht einmal in seinem Beruf als Installateur bleibt er verschont. Der Vertreter einer Solarfirma versucht ihn mit viel Geschwafel vom Produkt seiner Firma zu überzeugen. „Der Inder“ habe ein Patent drauf und nur der wisse, wie es funktioniert. Das Geheimnis sei der Wechselrichter, erklärt ihm der Vertreter. „Da kommen von den Kollektoren zum Beispiel 100 W und nach dem Wechselrichter sind es 200 W.“ Der Hinweis, das sei ein Wirkungsgrad von mehr als 100 Prozent und technisch unmöglich, ruft nur die Antwort hervor: „Das ist ja auch das Geniale am Patent vom Inder.“ Beim Lesen merkt man, dass Pirker ob so viel Dummheit beinahe körperliche Schmerzen empfunden haben muss. Dennoch kommt man aus dem Lachen kaum heraus.

Besonders amüsant und ironisch ist die Schilderung der katholischen Heirat seiner Tochter – die zu allem Überfluss noch in Tirol stattfinden muss. „Sie ist nicht religiös, aber geheiratet wird in der Kirche, mit weißem Kleid und allem dazugehörigen Klimbim. Antiklerikal hin, kirchenfeindlich her, was macht der atheistische Papi? Selbstverständlich wird er die Braut zum Altar bringen, was auch sonst. Ja, ja, so sind wir Atheistenfundis.“ Allein, der katholische Pfarrer muss sich erst mühsam überzeugen lassen, die Trauung durchzuführen. Der Bräutigam ist evangelisch. Die Zeremonie wird beinahe zum Fiasko. Auch das ist nicht Pirkers Schuld. „Da konnte ich mit zunehmendem Vergnügen feststellen, dass auch der Rest der Gesellschaft nur mehr vage Vorstellungen von den geforderten Verrichtungen hatte. (…) Ein Teil stand auf, die anderen blieben sitzen. Die Stehenden sahen, dass die anderen sitzen geblieben waren und setzten sich wieder hin.“ Das bisschen Schadenfreude sei ihm gegönnt…

„ungläubig“ ist nicht der Versuch einer großen gesellschaftspolitischen Analyse. Es ist der treffende und sehr amüsante Blick auf eine Gesellschaft, die sich als tief katholisch versteht, aber weder mit der Religion etwas anfangen kann noch mit deklariertem Unglauben. Es ist der Blick auf eine Gesellschaft, die in gewissen Belangen (und nicht nur diesen) keine Kultur der Auseinandersetzung kennt. Und es ist ein Blick in das Gefühlsleben und die Gedankenwelt eines Menschen, der erlebt, dass es in dieser Gesellschaft nicht erwünscht ist, etwas kritisch zu hinterfragen. Wer das trotzdem tut, wird schnell als Querulant abgestempelt.

Für deutsche Leserinnen und Leser (mit Ausnahme Bayerns) ist vermutlich das österreichische Idiom gewöhnungsbedürftig, aus dem Pirker einen guten Teil seiner Ironie schöpft. Das sollte dem Lesevergnügen keinen Abbruch tun. Stellenweise könnte es etwas ausführlicher sein. Vielleicht lässt sich das bei weiteren Auflagen beheben.
 

Christoph Baumgarten
 

Friedrich Pirker: ungläubig, Books on Demand. ISBN: 978-8423-8032-5. € 8,90