BERLIN. (hpd) Das Berliner Verwaltungsgericht hat entschieden, dass es kein uneingeschränktes Verbot der Überlassung todbringender Medikamente an Sterbewillige geben kann. Auch Ärzte haben eine individuelle Gewissensfreiheit.
Ein Arzt entscheidet sich, gerichtlich klären zu lassen, ob er seiner Gewissensentscheidung folgen kann, „Schwerstkranken, die sich nichts sehnlicher als einen schnellen sanften Tod wünschen, zu helfen“. Er stellt damit das Verbot der Bundesärztekammer nicht nur in Frage sondern er widerspricht dem.
Er legt in Berlin und Thüringen Klage gegen die Entscheidung der Bundesärztekammer vor, die einem Arzt diese Hilfestellung untersagt. Beide Kammern folgen der Bundesärztekammer und bekräftigen damit das Verbot einer Hilfestellung bei einem unter der genannten Prämisse geplanten Suizid. Die Berliner Kammer fügt die Androhung einer Geldstrafe von 50.000 Euro hinzu, für den Fall einer Abgabe von Medikamenten. In Thüringen wird der Arzt noch nicht einmal zur Sache befragt. Er legt bei beiden Kammern Einspruch ein. Das war 2007.
Das Verwaltungsgericht Berlin hat diesen Einzelfall nun neu entschieden und gibt dem Arzt Dr. Christian Arnold Recht. Auch ein Arzt hat das Recht auf eine Gewissensentscheidung, die er selbst zu treffen habe. Ein generelles Verbot — wie von der Bundesärztekammer verlangt —, wäre eine Einschränkung, verstoße gegen die Freiheit der Berufsausübung (Art. 12 GG) und die Gewissensfreiheit des Arztes (Art. 2 Abs. 1 GG).
Mit den genannten Grundrechten unvereinbar sei es, so das Gericht, „die ärztliche Beilhilfe zum Suizid auch in Ausnahmefällen unter Androhung eines Zwangsgeldes zu verbieten, in denen ein Arzt aufgrund einer lang andauernden, engen persönlichen Beziehung in einen Gewissenkonflikt geraten würde, weil die Person, die freiverantwortlich die Selbsttötung wünsche, unerträglich und irreversibel an einer Krankheit leide und alternative Mittel der Leidensbegrenzung nicht ausreichend zur Verfügung stünden.“
Darüber hinausgehend wurde verdeutlicht, „dass ein Verbot der Überlassung todbringender Medikamente an Sterbewillige verfassungsrechtlich unbedenklich sei, soweit diese Gesunden oder in ihrer Entscheidungsfähigkeit beeinträchtigten psychisch Kranken überlassen werden sollen.“ Und: „Ohne weiteres zulässig sei auch ein Verbot beruflicher oder organisierter Sterbehilfe, wie sie der Verein Dignitas anbiete.“
Wegen der grundsätzlichen Bedeutung hat das Gericht die Berufung zum Oberverwaltungsgericht zugelassen.
Evelin Frerk