Politisch extreme Rechte seit 1949

(hpd) Der Politikwissenschaftler Gideon Botsch beschreibt die historische Entwicklung der organisierten Formen des politischen Lagers der extremen Rechten. Er trägt dabei auf engem Raum überaus kenntnisreich und gut strukturiert die wichtigsten Informationen zusammen.

Die Möglichkeit eines NPD-Verbots und der Schrecken einer neonazistischen Mord-Serie beherrschen gegenwärtig inhaltlich die Aufmerksamkeit über und die Debatte um den Rechtsextremismus. Doch wie muss die Entwicklung in diesem politischen Lager vor dem historischen Hintergrund gesehen werden? Nur eine solche inhaltliche Einbettung ermöglicht letztendlich auch eine differenzierte Einschätzung zu Bedeutung und Gefahrenpotential.

Ausführungen und Einschätzungen dazu liefert das Buch „Die extreme Rechte in der Bundesrepublik Deutschland 1949 bis heute“, das der Politikwissenschaftler Gideon Botsch vom Moses Mendelssohn-Zentrum Potsdam vorgelegt hat. Es erschien in der Reihe „Geschichte Kompakt“ der Wissenschaftlichen Buchgesellschaft. Sie will historisches Grundlagenwissen auf dem neuesten Stand der Forschung insbesondere Lehrenden und Studierenden vermitteln. Diese Reihenvorgabe muss daher auch bei der Lektüre und Wertung des Bandes inhaltlich Berücksichtigung finden.

Botsch beginnt seine Arbeit mit Ausführungen zu Grundbegriffen, arbeitet er doch ganz bewusst nicht mit dem Begriff „Rechtsextremismus“, sondern mit dem Terminus „extreme Rechte“. Damit meint der Autor ganz allgemein eine „national Opposition“ unabhängig von deren Einstellung gegenüber den Normen eines demokratischen Verfassungsstaates. Der organisierte Teil des gemeinten politischen Spektrums unter besonderer Beachtung von Jugendorganisationen steht danach im Zentrum des Interesses.

Botsch geht historisch-chronologisch vor und unterteilt drei Blöcke 1949 bis 1969, 1970 bis 1989 und 1990 bis 2009. In den jeweiligen Kapiteln findet man die einschlägigen Informationen zu Organisationen und Parteien wie der „Sozialistischen Reichspartei“ und der „Nationaldemokratischen Partei Deutschlands“ oder zur „Nationalistischen Front“ und der „Wehrsportgruppe Hoffmann“. Dabei wird der Text durch Erläuterungen in Kästen oder durch Quellentexte aus der Szene sowie gegen Ende durch ein Literaturverzeichnis ergänzt.

Bezüglich der gesellschaftspolitischen Bedeutung des Rechtsextremismus heißt es bereits zu Beginn: „Seit der Gründung der Bundesrepublik Deutschland existiert eine randständige, weithin einflusslose politische Subkultur, die sich selbst als ‚nationale Opposition’ begreift“ (S. 1). Der Blick auf die Geschichte dieses politischen Lager zeige darüber hinaus: „Die extreme Rechte hat es nicht verstanden, in der bundesdeutschen Demokratie anzukommen – sie hat keinen adäquaten Umfang mit den Formen gefunden, in denen sich politische Auseinandersetzungen in pluralen Gesellschaften und parlamentarischen Demokratien abspielen.“ Diese Selbstpositionierung habe auch Einfluss auf deren gesellschaftliche Bedeutung und politischen Verankerung gehabt. Denn: „Auf diesem Wege manövrierte sich die nationale Opposition in die politische Isolation, was zugleich ihr Überdauern mit bewirkt“ (S. 139). Dieses stabilisierende Basis-Milieu bilde auch immer dann einen Rückzugsraum, wenn die politischen Projekte wie etwa bei Wahlen gescheitert waren.

Botsch hat die wichtigsten Informationen zur Geschichte des Rechtsextremismus gut strukturiert auf engem Raum dargestellt, wobei die formale Untergliederung aus dem Band auch ein nützliches Nachschlagewerk macht. Bedauerlich ist das Fehlen von Fußnoten mit Beleg- und Zitatnachweisen, was aber wohl durch die Vorgabe des Verlages bedingt ist. Der Autor geht zu Beginn auch ideengeschichtlich weit bis zum Beginn des 19. Jahrhunderts zurück, spielen doch die geschilderten Besonderheiten in der deutschen Geschichte in der Tat eine wichtige Rolle für die spätere Geschichte des Rechtsextremismus. Insgesamt bleibt der Autor aber stark der Beschreibung einschlägiger Organisationen verhaftet, hätte man sich hier und da doch mehr analytische Einschätzungen gewünscht. Dabei hat er durchaus ein Auge auf derartige Gesichtspunkte, weist Botsch doch bereits zu Beginn auf die Bedeutung der sozioökonomischen Verankerung solcher politischen Bestrebungen hin (vgl. 4). Insgesamt handelt es sich um einen gelungenen und informativen Band zum Thema.

Armin Pfahl-Traughber

 

Gideon Botsch, Die extreme Rechte in der Bundesrepublik Deutschland 1949 bis heute, Darmstadt 2012 (Wissenschaftliche Buchgesellschaft), 151 S., 14,90 €