Rechter und linker Populismus. Eine Annäherung

(hpd) Die Soziologin Karin Priester will einen Überblick zu den Forschungsergebnissen und Theorien zum Thema Populismus geben und deren Inhalte auch anhand von verschiedenen Fallstudien erläutern. Leider mangelt es dem Gesamtband wie den Aufsätzen an inhaltlicher Stringenz und Struktur, wodurch sich die einzelnen Kapitel dem Phänomen eben nur annähern.

Bei "Populismus" handelt es sich in der politischen Debatte um einen negativ besetzten Begriff: Er steht für eine einfache und platte, emotionale und stereotype Sicht auf gesellschaftliche Probleme, wobei dem "Stammtisch"-Diskurs im angeblichen Namen des Volkes eine Stimme gegeben wird. Handelt es sich hierbei aber nur um ein politisches Schlagwort oder auch um eine wissenschaftliche Kategorie?

Die Soziologin Karin Priester, die an der Universität Münster als Professorin lehrte und zum Thema einige Aufsätze veröffentlicht hat, legt nun mit "Rechter und linker Populismus. Annäherung an ein Chamäleon" ein Buch zum Thema vor. Bereits einleitend konstatiert sie darin, dass es zwar viele Publikationen über als populistisch geltende politische Bewegungen oder Parteien gibt. Es fehle allerdings an einer Monographie "zu einer Populismustheorie und zu weiteren Einzelfällen, die neue Erscheinungsformen des Phänomens in den Blick nehmen" (S. 8). Als einen solchen Band versteht Priester ihr Werk.

Dessen zehn Kapitel können in zwei große Bereiche unterteilt werden: Zunächst geht es um mehr theoretische Gesichtspunkte, wofür die Beiträge über Definitionen und Typologien des Populismus, dessen Verhältnis zu Demokratie, Repräsentation und Volkssouveränität, zur überschätzten Rolle des Charismas im Populismus und zu einem Phasenmodell des Populismus als Prozess stehen. Bereits am Beispiel des US-amerikanischen Agrarpopulismus des 19. Jahrhunderts könnten Merkmale ausgemacht werden, welche für den heutigen Populismus ebenfalls noch zutreffend seien: "Er verfügte über keine konsistente Gesellschaftstheorie und vertrat ... nur eine dünne Ideologie." Und weiter heißt es, er weise ein Merkmal auf, "das ihn von anderen Tendenzen und Strömungen unterscheidet: seine diskursive Praxis der Polarisierung zwischen Volk und Eliten, den Kleinen und den Großen, zwischen unten und oben" (S. 12). Darüber hinaus sei der Populismus morphologisch ein Chamäleon, das sich je nach dem den Strömungen des Zeitgeistes anpasse.

Der zweite Teil des Bandes enthält Fallstudien wie etwa zu Hugo Chavez als linken Populisten an der Macht in Venezuela oder der Tea Party-Bewegung in den USA zwischen Basisbewegung und Elitensteuerung. Hier geht es auch um den Linkspopulismus, wobei Priester in der Occupy Wall Street-Bewegung einen Glücksfall für die Populismusforschung sieht. Hier zeigten sich exemplarisch drei Merkmale von genuinem Populismus: "(1) einen von Ideologien noch nicht affizierten moralischen Protest ... einer von Statusängsten getriebenen Gruppe ... (2) Aversion gegen die Vermittlung des politischen Willens und Rückgriff auf 'direkte Aktion' und das Gemeinschaftsethos, (3) die politische Ambivalenz (das Oszillierende oder Chamäleonhafte)" (S. 243). Wie alle populistischen Bewegungen oder Parteien handele es sich aber um ein reaktives Phänomen, das eben nur auf gravierende Fehler und Versäumnisse der etablierten Politik reagiere. Populisten hätten nur dort Erfolg, wo ein Vakuum der politischen Repräsentation entstanden sei.

Auch wenn Priesters Buch keine Sammlung bereits erschienener Aufsätze zum Thema ist, liest sich das Werk aufgrund seines fragmentarischen Charakters so. Man erhält so einen durchaus interessanten Einblick in den Forschungsstand, etwa wenn einschlägige Definitionen und Typologien dargestellt und kommentiert werden. Auch darüber hinaus gehende Aspekte wie das Verhältnis zu Demokratie oder Faschismus werden angesprochen. Priester präsentiert sogar ein interessantes Phasenmodell zur Entwicklung des Populismus als kleiner Bewegung bis möglicherweise an die Spitze eines Staates. In der Gesamtschau fehlt dem Band aber eine nötige inhaltliche Stringenz und Struktur. Es bleibt auch unklar, worin Priesters eigene Populismus-Auffassung genau besteht. Am Ende des Bandes wäre eine Art bilanzierende Betrachtung in diesem Sinne nötig gewesen. Insofern ist der Untertitel zutreffend gewählt: "Annäherung an ein Chamäleon". Es handelt sich in der Tat um nicht mehr als eine Annäherung an das Phänomen des Populismus.

Armin Pfahl-Traughber