Am 9. März 2017 steht die Ablösung der Staatsleistungen an die Kirchen auf der Tagesordnung des Deutschen Bundestages. Er entscheidet über einen vor zwei Jahren eingebrachten Antrag der Fraktion DIE LINKE (BT-Drs. 18/4842 vom 6. Mai 2015), beim Bundesfinanzministerium eine Kommission zur Evaluierung dieser Staatsleistungen einzurichten. Bisher ist nicht bekannt, welche Beschlussempfehlungen die Ausschüsse für Finanzen sowie Innen und Recht aussprechen werden; sie treffen ihre Entscheidungen erst am Vortag der Plenarsitzung.
Die Bürgerrechtsorganisation Humanistische Union (HU) fordert die Abgeordneten des Deutschen Bundestags auf, den Verfassungsauftrag zur Ablösung der sogenannten Staatsleistungen endlich umzusetzen. Dazu Dr. Kirsten Wiese vom Bundesvorstand der HU: "Wir befürchten, dass das unliebsame Thema der Staatsleistungen zum Ende der Legislaturperiode erneut vertagt und der aktuelle Antrag ohne weitere Debatte abgelehnt werden wird.
Das ist umso weniger verständlich, als der Antrag noch nicht festlegt, wann und zu welchen Konditionen die Staatsleistungen eingestellt würden – er dient lediglich der Vorbereitung dieses Prozesses." Wird dieser Prozess zur Ablösung der Staatsleistungen nicht eingeleitet, heißt das: Die Länder müssen weiterhin jährlich wachsende Beträge an die Kirchen zahlen – ohne Gegenleistung und ohne Aussicht auf ein Ende. "In der kommenden Wahlperiode - 2019 - steht das 100jährige 'Jubiläum' des Verfassungsauftrags zur Ablösung der Staatsleistungen an", erinnert Dr. Kirsten Wiese. "Eine derart lang anhaltende Missachtung eines Verfassungsgebots ist beispiellos."
Kirsten Wiese verweist auf die zusätzlichen Kosten, die durch einen weiteren Aufschub der Ablöseverhandlungen entstehen. "Kirchennahe Juristen schlagen aktuell einen 20fachen Wert der jährlichen Zahlungen als Betrag für die einmalige Ablösung der Staatsleistungen vor. Selbst wenn man diesen Wert akzeptiert, heißt das: Hätte der Deutsche Bundestag in seiner zweiten Wahlperiode 1957 die von der Verfassung geforderten Grundsätze der Ablösung verabschiedet, so wäre diese bei einem damaligen Jahresbetrag von 59 Millionen Euro nach 20 Jahren bzw. mit einer Gesamtsumme von 1,2 Milliarden Euro inzwischen längst abgeschlossen. Mittlerweile haben die Länder dagegen weitere 16 Milliarden Euro verausgabt – und sind von einem Ende der Zahlungen genauso weit entfernt wie 1957."
6 Kommentare
Kommentare
Joachim Müller am Permanenter Link
Wenn man nach dem Begriff Verfassungsgebot googelt, scheint der Begriff nicht von besonderer Wichtigkeit zu sein. Ist ein Verfassungsgebot überhaupt justiziabel?
Ralf Hoppe am Permanenter Link
Im Bericht ist von einem Verfassungsauftrag die Rede. Woraus ergibt sich dieser?
Mit freundlichem Gruss, Ralf Hoppe
Resnikschek Karin am Permanenter Link
Die HU tut was, die Linke tut was, was tun die anderen: der HVD, die Parteien?
Frank Roßner, H... am Permanenter Link
Liebe Frau Resnikschek,
der HVD tut sehr wohl etwas. Einzelheiten finden Sie unter:
http://www.glaeserne-waende.de/
http://www.reformation2017.jetzt/download/
oder ganz aktuell:
http://www.radiolotte.de/audio/Ungeschnitten/17-03-09-Humansitischer-Verband.mp3
Herzlichen Dank aber auch an die Humanistische Union und Carsten Frerk, die diese durchaus diffizilen Vorgänge mit Top Statistiken zum "Reichsdeputationshauptschluß" von 1803 begleiten.
Lesenswert wegen seiner Darstellung der eigentlichen Vorgänge zu napoeleonischen Zeiten finde ich auch folgenden Beitrag:
http://www.freigeist-weimar.de/beitragsanzeige/zwischenruf-saekularisation-von-1803-war-keine-enteignung/
Frank Roßner
Dieter Bach am Permanenter Link
Missachtet der Bundestag ein fast 100-jähriges Verfassungsgebot auch in dieser Wahlperiode?
Antwort: Da können Sie sich ganz sicher sein!
Kay Krause am Permanenter Link
Ich lese gerade: "Das Bundes-Verfassungsgericht wacht über die Einhaltung des Grundgesetzes. Seine Entscheidungen sind unanfechtbar. An seine Rechtsprechung sind alle übrigen Staatsorgane gebunden!"
Man mag mit mir Nachsicht üben, wenn ich denke, dass die Übertretung eines "Gebotes"
mit dem drohenden Finger geahndet wird: "Du, Du, das darfst Du aber nicht!", die Nichtbeachtung einer höchstrichterlichen "Entscheidung" (also eines Urteils) durch die selbst gesetzgebenden Politiker aller Coleur aber über 60 Jahre mißachtet wird.
Kann mir irgend ein halbwegs intelligenter Mensch erklären, warum diese Politiker nicht durch "Beugehaft" oder andere wirksame Polizeimaßnahmen zur Durchsetzung dieser höchstrichterlichen Forderung gezwungen werden? Kann mir irgend jemand erklären, warum wir Steuerzahler offensichtlich nie davon befreit werden, diese weltweit agierende Kirchenmafia finanziell am Leben zu erhalten?
Und dann lese ich hier im Artikel, dass es momentan lediglich um die "Einleitung eines Prozesses" gehen soll. Ich sage: Nein, nein, nein!!! Schluß mit öffentlichen Geldern an die Kirchen! Jetzt und sofort! 60 Jahre Nachdenken sind genug! Die Ablösungen sind längst vielfach getilgt! 60 Jahre ist es den agierenden Politikern gelungen, dieses Urteil des BVG zu mißachten, zu ignorieren. Da werden sie doch auch einen Weg finden, diese unselige Geschichte ein für allemal und von heute auf morgen zu beenden.
Und - liebe Christen und anderweitig gläubige Mitbürger, damit keine Mißverständnisse entstehen: Friede Eurer Seele, Euer Glaube sei mir heilig, und das meine ich durchaus ernst! Aber bitte: kann mir eine(r) von Euch eine vernünftige Antwort geben auf die Frage, warum ausgerechnet ich und ca. 30 bis 35% der deutschen Bevölkerung einen Teil ihrer Arbeitskraft dafür aufwenden müssen, damit Ihr Euren Glauben leben könnt?
Finanziert Euren Klerus gefälligst selber!