Mehr Autobiographie denn Reformvorschläge

(hpd) Winfried Ridder, der zwanzig Jahre lang als Auswerter im Bundesamt für Verfassungsschutz gearbeitet hat, will in seinem Buch Position zur aktuellen Debatte über Reformen beziehen. Diese durchaus interessanten Ausführungen nehmen aber nur wenige Seiten des Buches ein, welches mehr eine Art berufliche Autobiographie über die Tätigkeit in den 1970er bis 1990er Jahren ist.

Die Nichterkennung der NSU-Serienmorde hat die Sicherheitsbehörden in eine erhebliche Legitimationskrise gestürzt: Fast vierzehn Jahre lang agierte ein neonazistisches Trio im Untergrund und ermordete dabei zehn Menschen. Während die für die Aufklärung derartiger Verbrechen eigentlich zuständige Polizei bislang nur eingeschränkt Kritik auf sich zog, sahen sich die Verfassungsschutzbehörden gar der Forderung nach „Abschalten“ und „Auflösen“ ausgesetzt. Deren Leiter hielten sich mit öffentlichen Stellungnahmen meist zurück, wodurch in der Öffentlichkeit ein etwas schiefes Bild von den Positionen entstand.

Mit Winfried Ridder tritt nun ein ehemaliger Mitarbeiter in Form seines Buches „Verfassung ohne Schutz. Die Niederlagen der Geheimdienste im Kampf gegen den Terrorismus“ an die Öffentlichkeit. Laut den Angaben im Klappentext war Ridder fast 20 Jahre bis 1995 im Bundesamt für Verfassungsschutz als „Chefauswerter“ zuständig für den deutschen Linksterrorismus. Der Verlag wirbt für sein Buch mit „Ein Insider klärt auf“.

Bereits im Vorwort positioniert sich der Autor deutlich über den Verfassungsschutz: „Seine Bilanz seit mehr als vierzig Jahren in der Terrorismusabwehr ist eindeutig von Niederlagen bestimmt. Nicht einen einzigen schweren terroristischen Anschlag hat er verhindern können ...“ Weiter heißt es: „Abschied nehmen muss der Verfassungsschutz auch von dem nachrichtendienstlichen Mittel, das er bisher als unverzichtbar zur Erfüllung seiner Aufgaben angesehen hat: der traditionellen V-Person“. Denn: „Die Bekämpfung des gewalttätigen Extremismus gehört in eine Hand. Und dies kann nur die Polizei sein“ (S. 9).

Diese Kernaussagen werden aber auf den folgenden Seiten nicht genauer erläutert und veranschaulicht. Vielmehr steht das Buch für eine Mischung aus einer Autobiographie eines ehemaligen Verfassungsschützers und Kommentaren zu nachrichtendienstlichen Praktiken, wobei die Entwicklung im Linksterrorismus der 1970er und 1980er Jahre aus den Perspektiven der Sicherheitsbehörden den inhaltlichen Schwerpunkt bildet.

Dafür stehen denn auch Kapitelüberschriften wie „Die Geheimdienste und die terroristische Herausforderung der 70er-Jahre“, „Die Entführung Schleyers und die Strategie des Nicht-Verhandelns“ oder „Das Ministerium für Staatssicherheit und der Terrorismus“. Über weite Strecken hat das Buch demnach mehr mit Ridders beruflichen Erfahrungen und weniger mit der eigentlichen Thematik zu tun. Mitten in der Rückschau findet man dann ein Kapitel „Menschliche Quellen“, worin aber auch lediglich die Arbeit mit „V-Leuten“ bezogen auf den Linksterrorismus von der „Rote Armee Fraktion“ bis zu den „Revolutionären Zellen“ thematisiert wird. Nur knapp postuliert Ridder: „Terroristische Kleinstgruppen ... sind für die Sicherheitsbehörden grundsätzlich nicht penetrierbar“ (S. 69). Erst ganz am Ende des Buches geht der Autor auf die aktuelle Debatte mit einem Kapitel über das „Netzwerk ‚Nationalsozialistischer Untergrund“ mit 14 Seiten und die „Grundzüge einer neuen Sicherheitsarchitektur“ mit nur sieben Seiten ein.

Auch hier bleibt Ridder in Diagnose und Reformvorschlägen viel zu allgemein. Bereits einige Annahmen treffen nicht zu: So konnten die Sicherheitsbehörden sehr wohl in den 1970er bis 2000er Jahren eine Reihe von rechtsterroristischen Gruppen bereits in der Entstehungsphase oder nach einer halbjährigen Aktivität zerschlagen. Ähnliche Erfolge gelangen bei der Aufklärung bzw. Verhinderung von islamistischen Anschlägen, wofür das Stichwort der „Sauerland“-Gruppe hier als Beispiel dienen kann.

Ridder beschränkt sich in seinem Buch allzu sehr auf die Schilderung eigener Erlebnisse, ohne seine ja durchaus bedenkenswerten und reflexionswürdigen Grundpositionen näher zu begründen. Er erörtert auch nicht mögliche Alternativen, sollte man etwa bestimmte Behörden auflösen oder auf spezifische Instrumente verzichten. Hier und da sind die geschilderten Einblicke in die nachrichtendienstliche Arbeit von Interesse. Ebenso wie Ridder dem Verfassungsschutz Analyseschwächen unterstellt, kann man ihm diese auch selbst zuschreiben.

Armin Pfahl-Traughber

Winfried Ridder, Verfassung ohne Schutz. Die Niederlagen der Geheimdienste im Kampf gegen den Terrorismus, München 2013 (Deutscher Taschenbuch-Verlag), 177 S., 13,90 €.