Zum Selbstverständnis von Philosophie

(hpd) Der von Kurt Salamun herausgegebene Band erhält Erläuterungen und Texte zum Philosophie-Verständnis bedeutender philosophischer Richtungen im 20. Jahrhundert. Es handelt sich aufgrund der guten Strukturierung um einen wirklich gelungen Einführungsband zum Thema, der sich um eine differenzierte und faire Kommentierung bemüht.

Was verstehen die unterschiedlichen Richtungen und Schulen der Philosophie eigentlich unter Philosophie? Diese Frage beantworten die Erläuterungen und Textdokumentationen in dem gelungen Arbeitsbuch „Was ist Philosophie? Neuere Texte zu ihrem Selbstverständnis“, das der ehemalige Professor für Philosophie am der Universität Graz Kurt Salamun herausgegeben hat. Es dient sowohl als Einführung in die Philosophie für Interessierte wie als Lehrbuch und Textgrundlage für Einführungsveranstaltungen. Außerdem gibt das Buch einen Überblick über Hauptgedanken und Hauptrichtungen der Philosophie, wobei im Sinne einer Pluralität von Standpunkten alle bedeutenden Richtungen des 20. Jahrhunderts vorgestellt werden. Dabei geht es um den Neopositivismus und die Existenzphilosophie, die Hermeneutik und den Marxismus-Leninismus, die Kritische Theorie und den Kritischen Rationalismus. Darüber hinaus findet man im Anhang noch Texte von Philosophien, die nicht einfach und pauschal einer der genannten Schulen zugeordnet werden können.

Salamun wählt eine einheitliche und klare Struktur für jedes Kapitel: Zunächst findet man eine allgemeine Einführung, wobei es um die historischen Wurzeln und Hauptvertreter jeder Richtung geht. Danach folgt eine Kurzcharakteristik der jeweiligen Grundpositionen. Anschließend nimmt Salamun eine kritische Würdigung der Vorzüge und Nachteile vor, wobei die jeweiligen Punkte gesondert herausgearbeitet und präsentiert werden. Erst danach folgt eine kurze Erläuterung zu den folgenden Texten, die aus Abhandlungen zweier Repräsentanten der jeweiligen Richtung bestehen. Bei der Kritischen Theorie sind es Adorno und Horkheimer, beim Kritischen Rationalismus Popper und Albert. Die Autoren im Anhang werden demgegenüber nur allgemein und kurz vorgestellt. Da Salamun die einzelnen Besonderheiten gut herausarbeitet, gibt dies dem Band einen hohen Gebrauchswert. Obwohl er sich selbst dem Standort der Analytischen Philosophie und des Kritischen Rationalismus zurechnet, ist ihm das Bemühen um eine möglichst objektive Darstellung gelungen.

Gleichwohl fällt auf, dass er beim Marxismus-Leninismus sieben Punkte der Kritik und beim Kritischen Rationalismus nur drei Nachteile benennt, was aber wohl an den Richtungen selbst liegt. Salamun bemüht sich um Fairness und nennt auch als Vorteile des Marxismus-Leninismus vier Gesichtspunkte.

In anderen Fällen irritiert mitunter die Auswahl der Repräsentanten und Texte: So findet man im Bereich der Existenzphilosophie Jaspers und Marcel mit Beispielen, aber nicht Camus oder Sartre. Die Aufnahme des Marxismus-Leninismus mit einem Text zweier DDR-Philosophen erklärt wohl dadurch, dass die Erstausgabe dieses mittlerweile in fünfter Auflage vorliegenden Werkes bereits 1980 noch zur Zeit der Existenz dieses deutschen Staates erschien. Die Texte im Anhang hätten vielleicht noch näher kommentiert werden können. Ansonsten liegt mit dem Band eine wirklich gelungene Einführung vor, welche durch die gute Strukturierung des Stoffs auch eine systematische Erarbeitung des Inhalts möglich macht.

Armin Pfahl-Traughber

Kurt Salamun (Hrsg.), Was ist Philosophie? Neuere Texte zu ihrem Selbstverständnis, 5. Auflage, Tübingen 2009 (Mohr Siebeck-Verlag), 400 S., 14,90 €.