Säkulare Buskampagne 2019 – Tag 5: Hamburg

"Ein Hamburger kniet vor niemandem, auch nicht vor der Kirche"

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Der Bus in Hamburg am Jungfernstieg
Der Bus in Hamburg

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Der Bus in Hamburg auf dem Rathausmarkt
Der Bus in Hamburg

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Der Bus in Hamburg an den Landungsbrücken
Der Bus in Hamburg

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Das Podium bei der Abendveranstaltung
Das Podium bei der Abendveranstaltung

Hamburg beehrte die Kampagne mit echtem Küstenwetter: Es regnete. Kirchenfinanzexperte Carsten Frerk übernahm die Stadtführung, die von einer kleinen Buspanne unterbrochen wurde. Abends diskutierte er mit Michael Schmidt-Salomon und einem evangelischen Kirchenvertreter im Altonaer Museum.

Buskampagne 2019
Untertitel

Am fünften Tag der Säkularen Buskampagne ging es nach dem kurzen Ausflug in südliche Richtung wieder 151 Kilometer nach Norden: Hamburg stand an. Dort sollte der Bus auf dem Jungfernstieg stehen, mit Blick über die Binnenalster auf das Rathaus. Allerdings war auch hierfür der Zwölftonner laut Polizei zu schwer. David Farago, technischer Leiter der Buskampagne, der auch für alle Versammlungsanmeldungen vor Ort verantwortlich ist, kann das nicht nachvollziehen: "Zum Kirchentag 2013 stand hier ein großer, ausklappbarer Truck, der war auch nicht zu schwer." Davon ließen sich die Beamten nicht beeindrucken. Als Kompromiss wurde der Pavillon samt Begleitfahrzeug auf der gegenüberliegenden Seite vor der Brücke gegenüber der Europa-Passage aufgebaut, der Bus stand ein Stück entfernt am Straßenrand.

Das Hamburger Wetter machte seinem Ruf alle Ehre: Schon bald begann es zu regnen, was den ansonsten regen Passantenstrom etwas bremste. Carsten Frerk, der "Maestro der Kirchenfinanzen", wie ihn der Vorstandssprecher der Giordano-Bruno-Stifung (gbs), Michael Schmidt-Salomon, ankündigte, hat selbst lange Jahre in Hamburg gelebt und übernahm die Stadtführung durch den Hafen und die Speicherstadt, vorbei am Fischmarkt und der Elbphilharmonie. Er erzählte von einem Gemälde aus dem Festsaal des Hamburger Rathauses, das die Christianisierung der Stadt zeigen soll. Darauf kniete die Stadt Hamburg, symbolisiert durch einen Jungen, vor einem Bischof in Segnungspose. Das wollten die Ratsherren so nicht stehen lassen. Als sie das Bild 1896 zum ersten Mal sahen, sollen sie gesagt haben: "Ein Hamburger kniet vor niemandem, auch nicht vor der Kirche". Der Junge wurde daraufhin übermalt. So ist das Bild auch heute noch zu sehen.

Hamburg sei traditionell immer offen gewesen, vor allem wenn es ums Geldverdienen ging – es gab keine Handelsbeschränkungen aufgrund irgendeiner "falschen" Religionszugehörigkeit. Überhaupt sei hier der Handel immer der entscheidende Faktor gewesen – die Hamburger Universität hingegen wurde erst 1919 gegründet. Künste und Bildung seien in der Hansestadt nicht sehr hoch angesehen: "Wozu soll das gut sein? Kann man damit Geld verdienen?", frage sich da der Hamburger, schmunzelte der Stadtführer. Eine weitere Geschichte, über die der Kirchenfinanzexperte zu berichten wusste, handelte von der Gründung des Erzbistums Hamburg 1994: Die Kirche fragte an, wie es denn mit Staatsdotationen stehe. Henning Voscherau, damals Erster Bürgermeister der Hansestadt, soll darauf erwidert haben: "Hamburg hat seit 800 Jahren noch nie freiwillig Geld an Dritte gezahlt und dabei soll es bleiben." Vorbildlicher Säkularismus also, zumindest in der Vergangenheit. Heute sieht das leider anders aus: 2005 wurde ein Staatskirchenvertrag zwischen dem Stadtstaat, der Nordkirche und dem Bistum geschlossen, um den Status quo zu sichern, wie Carsten Frerk sagte. Nach einer kurzen Panne – die Druckluft entwich, wodurch der Türöffnungsmechanismus versagte – ging es zurück zum Jungfernstieg. Die technische Leitung der Buskampagne wusste – mit telefonischer Unterstützung der Busfirma – auch dieses Problem zu beheben.

Foto: © Evelin Frerk
Foto: © Evelin Frerk

Abends diskutierte der Kirchenfinanzexperte, der die Forschungsgruppe Weltanschauungen in Deutschland (fowid) leitet, im Altonaer Museum im wunderschönen Galionsfiguren-Saal mit dem Philosophen Michael Schmidt-Salomon und Karl-Heinrich Melzer, dem Propst des evangelisch-lutherischen Kirchenkreises Hamburg-West und Südholstein. Zwar begrüßten alle drei einstimmig, dass es keine Staatskirche gibt und der Staat säkular konzipiert ist, was die tatsächliche Situation angeht, waren die Wahrnehmungen allerdings unterschiedlich. Während Frerk und Schmidt-Salomon die mangelnde Umsetzung der Trennung von Staat und Kirche anprangerten, widersprach der evangelische Vertreter dem und der Aussage, dass Konfessionsfreie benachteiligt würden: "Ein grundgesetzliches Umsetzungsdefizit kann ich nicht erkennen." Er warf den beiden gbs-Vertretern vor, für einen laizistischen und nicht für einen säkularen Staat einzutreten, was diese wiederum von sich wiesen: "Wir sind nicht prinzipiell gegen die Kooperation zwischen Kirche und Staat, aber wir sind gegen Kumpanei", so der Vorstandssprecher – als Beispiel nannte er die Heimkinder, die als billige Arbeitskräfte missbraucht wurden. Das Publikum richtete seine Fragen und Wortbeiträge vor allem an den Propst ("Ich mache mich gerne zum Prellbock"), der oft darauf verweisen musste, nur für seine "Abteilung" innerhalb der evangelischen Kirche sprechen zu können.


Der hpd ist Medienpartner der Säkularen Buskampagne 2019 und berichtet über alle Tage der Tour des Busses durch Deutschland.