Jahrbücher für Islamophobieforschung

(hpd) Der österreichischen Politikwissenschaftler Farid Hafez gibt das "Jahrbuch für Islamophobieforschung" heraus, welches sich als Forum für interdisziplinäre Forschungen zum Thema Islam- und Muslimenfeindlichkeit versteht. Bei aller Anerkennung für die konkreten Ergebnisse und multimethodischen Perspektiven, verkennen nicht wenige Beiträge den grundlegenden Unterschied zwischen einer aufklärerisch-menschenrechtlichen Kritik und einer fremdenfeindlich-ressentimentgeladenen Hetze.

Nach den islamistischen Anschlägen vom 11. September 2001 stiegen in den westlichen Ländern auch die Ressentiments gegen den Islam und die Muslime an. Mitunter machte man pauschal Gläubige für derartige Aktionen verantwortlich oder sah im Koran die theologische Grundlage für Verbrechen dieser Art. Rechtsextremistische Parteien stellten mitunter ihre Propaganda von der Fremdenfeindlichkeit auf die Muslimenfeindlichkeit um, erhoffte man sich doch so breitere Akzeptanz aus der Mitte der Gesellschaft. Dort fand wiederum eine mitunter aufgeregte Debatte um Fragen wie das Kopftuch oder die Verschleierung statt. Umgekehrt bedienten sich fortan aber auch islamistische Organisationen des "Islamophobie"-Vorwurfs, um Kritik an angeblichen oder tatsächlichen Besonderheiten der Muslime mit Fremdenfeindlichkeit und Rassismus gleichzusetzen. Grund genug für eine kontinuierliche und seriöse Betrachtung des Phänomens, die in dem "Jahrbuch für Islamophobieforschun" auf wissenschaftlicher Basis mit interdisziplinärem Zuschnitt erfolgen soll.

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Gründer des Projekts ist der österreichische Politikwissenschaftler Farid Hafez, der das Periodikum seit 2010 herausgibt. Der Band für 2013 enthält neun Aufsätze: Wolfgang Palaver deutet Breiviks Morde als Folge eines islamfeindlichen Diskurses in Europa, und Zülfukar Cetin und Salih Alexander Wolter erkennen in der deutschen Beschneidungsdebatte eine Fortsetzung einer "Zivilisierungsmission" mit islamophober Orientierung. Martin Meyrath analysiert in einer Fallstudie den antisemitischen und islamfeindlichen Diskurs in einem "Rechtsrock"-Lied, und David Christopher Stoop widmet sich dem antimuslimischen Wahlkampf rechtsextremistischer Parteien. Oliver Wäckerlig und Rafel Walthert beschäftigen sich mit der Schweizer Minarett-Bewegung, und Stefanie Claudine Boulila nimmt eine Kritik am Anti-Muslim-Feminismus vor. Armin Muftic analysiert die Islamophobie in den Medien, Alexander Steffek entwickelt einen sozialanthropologischen Islamophobiebegriff, und Rainer Feldbacher geht der Fernwirkung der Kreuzzüge bei der Legitimation von Gewalt nach.

Der Band für das Jahr 2014 enthält zehn Aufsätze, ebenfalls zu unterschiedlichen Themen: Klas Borell geht auf den Komplex Islamophobie und Hasskriminalität ein, und Zülfukar Cetin und Savas Tas widmen sich der diskursiven Kontinuität des antimuslimischen Rassismus. Charles von Denkowski fragt nach dem sicherheitspolitischen Umgang von jihadistischer Bedrohung und islamfeindlicher Kriminalität im Vergleich, und Nadja lgendy erörtert alltagskulturelle Erscheinungsformen der Muslimenfeindlichkeit. Wolfgang Aschauer und Elisabet Donat skizzieren das breite Spektrum antimuslimischer Ressentiments, und David Stoop untersucht die Auseinandersetzung mit dem Kölner Moscheebauprojekt in rechter Agitation und Zeitungsberichterstattung. Eva Kalny behandelt Muslimenfeindlichekt als Thema der Lehre, und Ingrid Thurner fragt nach der touristischen Wahrnehmung des Islam. Daniel Geschke und seine Mitautoren behandeln Zusammenhänge zwischen Fernsehkonsum und Islamophobie, und Kerim Edipoglu widmet sich dem Orientalisten Ignaz Goldziher.

Die Bennennung der Themen macht bereits die inhaltliche, aber auch methodische Breite der Jahrbücher deutlich. Gerade der interdisziplinäre Ansatz ist ein Gewinn für die Erforschung von Aversionen und Feindbildern im Kontext von Islam und Muslimen. Indessen nutzen die Autoren unterschiedliche Begrifflichkeiten, womit sich auch verschiedene Deutungen verbinden können: "Islamophobie", "antimuslimischer Rassismus" und "antimuslimische Ressentiments". Man kann indessen die Autoren nicht zur Einhaltung festgelegter Begriffe zwingen.

Weitaus problematischer ist indessen, dass die idealtypische Trennlinie zwischen humanistisch-menschenrechtlicher Kritik und fremdenfeindlich-hetzerischem Vorgehen nicht genügend beachtet wird. So lassen sich sehr wohl auch Einwände gegen die Beschneidung im erstgenannten Sinne vorbringen. Mehr als nur bedenklich ist darüber hinaus, wenn der Herausgeber das Referieren von Ergebnissen der Sozialforschung über Einstellungen von Muslimen in die Nähe islamophober Stereotype bringen will.

 


Farid Hafez (Hrsg.), Jahrbuch für Islamophobieforschung 2013 und 2014, Wien 2013/2014 (new academic press), je 194 Seiten