Der Ahnherr Europas

TRIER. Zur kritischen Ausstellung "Konstantin: Kunst & Provokation" in der Trierer Tuchfabrik ist soeben ein "Lese- und Bilderbuch"

erschienen, das u.a. ein messerscharf formuliertes Vorwort von Karlheinz Deschner enthält.
Wir danken Karlheinz Deschner sowie dem Herausgeber des Bandes, Helmut Schwickerath, für die freundliche Abdruckerlaubnis.

 

 

 

 

 

 

Der Ahnherr Europas

Mit schönen Grüßen an die Christgemeinde!

Kultur ist nur der dünne Firnis
auf der Fratze unsrer Barbarei

Nein...! Wessen denn gedenkt, wen ehrt man da, ehrt als ein „Hauptprojekt der Kulturhauptstadt Europas 2007", ehrt durch gleich „1400 Exponate aus 160 international bedeutenden Museen"? Ja, wen, wen würdigt, respektiert man so? Den ersten christlichen Kaiser. Und einen Heiligen, einen „Ketzer" auch, und Stammbaumfälscher, einen Räuber großen Stils, einen Mordbrenner, Terroristen, einen Verwandtenmörder, Massenmörder, ein welthistorisches Scheusal, einzig und allein deshalb nicht exorbitante Bestie zu schmähen, weil es so verfehlt geschmäht, so beleidigend für jede echte Bestie wäre.

Ja, mit welch gewaltigem Aufwand erinnert ihr an einen Starbanditen der Geschichte, einen entmenschten Despoten, dem es um nichts ging als um Alleinherrschaft, die Universalmonarchie, um Macht, Macht, Macht um jeden Preis; der lebenslang Kriege führt, Kleinkriege, Großkriege, bevorzugt Offensivattacken, nach außen, nach innen, Gemetzel, Blutbäder, Überfälle auf Brukterer, Alemanen, auf Franken, Sarmaten, Goten, immer wieder auf Goten, wobei er jeden, der ihnen beisteht, lebendig zu verbrennen befiehlt.

So wird er der Schrecken am Rhein, an der Donau, der keine Grausamkeit, keine Heimtücke scheut, der foltern lässt, Erhebungen im Blut erstickt, Nachbargebiete ausplündert, niederbrennt, die Gefangenen versklavt oder in der Trierer Arena von Raubtieren zerfleischen lässt, unter den Opfern gelegentlich auch der eine, der andere Germanenkönig - zur Dauereinrichtung erhobene Darbietungen, als „Fränkische Spiele" vom 14. bis 20. Juli der jährliche Höhepunkt der Saison. (Dazu dann, weitere schöne Stiftung, die „ludi Gothici": 4 bis 9. Februar.)

Noch in seinem Todesjahr will der Tyrann die Perser besiegen, ausdrücklich durch einen Kreuzzug besiegen, mit Haufen von Feldpfaffen, Militärbischöfen bereits, die seit dieser Zeit, seit Konstantin „dem Großen", so substantiell zur Religion der Frohen Botschaft und der Feindesliebe gehören, der Religion des Friedens, die nie Frieden bringt - bis heute.

Im Inneren führt der machtgeile Bluthund (ein wieder irritierend verniedlichendes Bild) Jahr um Jahr Bürgerkriege. 306 illegal Kaiser geworden, kämpft er einen nach dem anderen seiner drei Mitkaiser nieder. Zunächst Maxentius in Schlachten bei Turin, vor Verona, vor Rom, wobei Maxentius umkommt, dann auch sein Sohn samt politischem Anhang und das ganze Haus des Besiegten.

Nun ringt der „Große" mit Hilfe des Licinius, den er vorschickt, dem er, Festigung einer hinterfotzig kalkulierten Allianz, sogar seine Schwester Konstantia vermählt, den Maximinus Daia nieder. Ermordet werden danach dessen Frau und Kinder, ein achtjähriger Sohn, eine siebenjährige Tochter sowie weitere Verwandte, ermordet auch, was an Frauen und Kindern sonstiger Kaiser und Cäsaren noch lebt, unter anderem: der Sohn des selbst schon 307 ermordeten Kaisers Severus, Severianus; ermordet der Sohn des Kaisers Galerius, Kandidian; ermordet - besonders brutal - Prisca und Valeria, Gattin und Tochter Kaiser Diokletians samt Kindern.

Nachdem so der Mohr seine Schuldigkeit getan, zwei Kaiser, nebst ganzen Kaiserhäusern, ausgerottet, verschwunden sind, schaltet der Weltmachtpolitiker, der Ahnherr Europas, glorifiziertes Vorbild für ähnliche christliche Größen bis tief ins 20. Jahrhundert hinein, auch noch den dritten und letzten Rivalen aus, durch ungeheuere Schlachten zu Land und zur See mit Hekatomben von Toten. Dem Licinius freilich schenkt der Schwager, auf Bitten von Schwester Konstantia, gar großmütig das Leben - und lässt ihn ein Jahr später erwürgen.

Tabula rasa. Und sicher ist sicher.

Dieses Sicherheitsbedürfnis aber hatte der Verantwortungsvolle auch gegenüber der übrigen lieben Verwandtschaft. So lässt er seinen Schwiegervater, Kaiser Maximian, 310 in Marseille erhängen; seinen Schwager Bassianus, den Gatten seiner Schwester Anastasia - wie schon Schwager Licinius erwürgen; den Sohn des Licinius, den Prinzen Licinianus, versklaven, auspeitschen und in Karthago totschlagen; auch seinen eigenen Sohn Crispus, nebst vielen Freunden, umbringen; und seine eigene Frau Fausta, Mutter von drei Söhnen und zwei Töchtern, im Bad ersticken. Kurz, wie der katholische Theologe August Franzen, ehemals Ordinarius für Kirchengeschichte an der Universität Freiburg i. Br., mit Imprimatur (1965) von Konstantin treffsicher schreibt: „...auch in seinem Privatleben machte er aus seiner christlichen Überzeugung keinen Hehl... und führte ein christliches Familienleben".

Wundert es, dass ein so auf Sicherheit bedachtes Gewissen auch das Strafrecht, damals ohnehin barbarisch, in vielen Fällen noch verschärft, besonders gegenüber den „kleinen" Leuten und den Sklaven? Dass er auf Publikation anonymer Schmähschriften, statt der üblichen Verbannung, die Todesstrafe setzt. Dass er Denunzianten vor ihrer Hinrichtung noch die Zunge ausreißen lässt. Dass er Verwandtenmörder (!) durch das längst abgeschaffte schreckliche „Säcken" (poena cullei) zu töten befiehlt. Dass er besonders streng Sittlichkeitsvergehen pönalisiert, Ehebruch den schwersten Verbrechen gleichstellt, bei Geschlechtsverkehr zwischen einem Sklaven und seiner Herrin diese köpfen, jenen verbrennen lässt (eine entsprechende Bestimmung für Herren und Sklavinnen freilich fehlt). Dass bei Brautraub nicht nur Entführer und (willig) Entführte auf furchtbare Weise sterben müssen, sondern auch das kupplerische Personal durch flüssiges Blei in den Mund oder Verbrennung.

Verbrennung sieht der große christliche Herrscher auch für Juden vor, die er - so in einem Brief nach dem Konzil von Nicaea an alle Kirchen - „durch gottloses Verbrechen befleckt", „mit Blindheit des Geistes geschlagen", „von Sinnen gekommen" schimpft, weshalb ihnen auch gleich sein erstes judenfeindliches Gesetz aus dem Jahr 315 mit Verbrennung droht. Den Feuertod setzt Konstantin auf die Konversion eines Heiden zum Judentum, Feuertod auf jede jüdische Gemeinde, die einen bekehrten Heiden aufnimmt, Feuertod auf jeden, der den Übertritt eines Juden zum Christentum verhindert. Die Juden sind eben für den Kaiser ein „verhasstes Volk", dem er „angeborenen Wahnsinn" bescheinigt.

Doch schließlich war Konstantin, wie uns der protestantische Theologe Kurt Aland versichert, „Christ, und zwar Christ dem Herzen, nicht nur der äußeren Handlung nach." Und dachte nicht noch in viel jüngeren Jahrhunderten so mancher über die Juden wie Konstantin „der Große"? Und was seine grandiosen Schlachtentriumphe betrifft, beteuert der katholische Theologe Peter Stockmeier (und er und Aland sind alles andere als Einzelfälle) noch nach dem Zweiten Weltkrieg: „Diesem großen Vorbild nachzueifern bemühte sich jeder christliche Kaiser, beliebig ließ sich auch darauf verweisen, um ein Ideal (!) vor die Augen der Fürsten zu stellen."
Jawohl. Und ganz danach sieht unsere Geschichte aus! Also stelle man jetzt stolzgeschwellt - denn Scham ist wahrlich nicht erst im 21. Jahrhundert ein unbekanntes Gefühl - jene „1400 Exponate" fein säuberlich dazu.

Und herzlichen Glückwunsch!

Karlheinz Deschner

Mai 2007