Darf man über Religion lachen?

TRIER. Kleine Veranstaltungsreihe in der Tuchfabrik.

Ricarda Hinz mit

ihrem amüsanten und informativen Film Kruzifix von 1996 und Jacques Tilly mit seinem wundervoll illustrierten Vortrag Narrenfreiheit - Kunst und Provokation zeigten am Samstagabend in der Trierer Tufa gekonnt, welch subversive Sprengkraft Kunst, besonders karnevalistische Kunst haben kann. Bei Ricarda Hinz und Jacques Tilly durften schon viele der Anwesenden über Religion und Religionskritik lachen - wie auch jene, die Tillys Wagen alljährlich im Düsseldorfer Rosenmontagszug bewundern dürfen. Denn er versteht es wie kaum ein Anderer, die Absonderlichkeiten der großen und kleinen Politik und vor allem der Religion auf den Punkt zu bringen.

„Ohne Ansehen der Person wird drauf gehauen, wenn's nötig ist".

Im Interview äußert sich Jacques Tilly, wie er zu den Konzepten für seine Rosenmontagswagen kommt. Die Kriterien dafür, wann es „nötig ist, drauf zu hauen", bezieht Tilly, der „volksnah", „für die Massen an der Straße" arbeitet, aus der Atmosphäre, aus dem, „was in der Luft liegt". Der „Empörungspegel" bezüglich der Absonderlichkeiten, auf die er mit seinen Wagen aufmerksam machen will, muss „berechtigterweise hoch" sein - was berechtigt ist, entscheidet dann Tilly als letzte Instanz. Die Ideen entstammen seiner eigenen „zerebralen Zirbeldrüse", seine Frau Ricarda Hinz ist mit Kritik und Kommentar die „erste Hürde". Die Wagen allerdings baut er dann im Team. Zu guter Letzt entscheidet das Düsseldorfer Karnevalskomitee, welche Wagen auf die Straße gelassen werden. Und „die achten schon auf weltanschauliche Ausgewogenheit".

Ricarda Hinz wiederum plant ein neues Filmprojekt, mit dem sie „die säkulare Szene in Deutschland erfahrbar machen" möchte. Hinz wird in Zusammenarbeit mit Michael Schmidt-Salomon Hausbesuche bei „philosophischen Hintertreppenleuten, die viele Bücher geschrieben haben", machen. Es werden persönliche Privatporträts, die zeigen sollen, dass es „eine breite Gruppe gibt, die sich außerkirchlich engagiert, kluge, spannende Köpfe". Vorgesehen sind zum Beispiel Interviews mit Karlheinz Deschner, Hans Albert und Hermann Josef Schmidt.
Wer den 1998 produzierten Deschner-Film Die hasserfüllten Augen des Herrn Deschner - Karlheinz Deschners "Kriminalgeschichte des Christentums" im Kreuzfeuer von Ricarda Hinz noch nicht gesehen hat, kann dies am 3. August in der Trierer Tufa nachholen.

Die Achse des Blöden - Warum die Aufklärung religiöse Gefühle verletzen muss und dabei auf Humor nicht verzichten kann

Michael Schmidt-Salomon legte am Sonntag in seinem Vortrag dar, warum man über Religion nicht nur lachen darf, sondern warum man dies mitunter nicht einmal verhindern kann. Auf das von Fundamentalisten aller Couleur vorangetragene Projekt „Schluss mit lustig!" gebe es nur eine einzige, passende Antwort, nämlich: „Schluss mit blöde!"

Es sei ohnehin sehr schwer, so Schmidt-Salomon, nicht satirisch über Religion zu sprechen, weil schon ihre Hauptkomponenten absurd seien, wenn man sich etwas eingehender mit ihnen befasse. Und es sei deswegen so wichtig, humorvoll bzw. satirisch mit Religion umzugehen, weil mit gut gemachter Satire weitaus mehr Menschen erreicht und aufgerüttelt würden als mit philosophischen Abhandlungen. Ein Hinweis auf die Sprengkraft von Satire ist die Zensur – selbst wenn philosophische Abhandlungen sehr scharf religionskritisch formuliert seien, würden sie nicht verboten; die Bestrebungen der Zensoren konzentrierten sich aus guten Gründen (Wirksamkeit!) auf vergleichsweise harmlose satirische religionskritische Filme (z. B. Popetown), Musicals (z. B. Maria Syndrom von M.S. Salomon) oder Rosenmontagswagen (z. B Kruzifix von Tilly).

„Oh, mein Gott!" - "Die blitzgescheite Comedy über Fundamentalismus und Kaspers Prügel für heilige Excellenzen"

Lilly Walden rundete mit ihrem Kabarett den religionskritischen Sonntagabend ab. Es wurde viel gelacht, doch oftmals blieb den ZuschauerInnen das Lachen im Halse stecken, wenn Walden als naiv-schlaue Sekretärin Fräulein Mosimann im feinsten Schwyzerdütsch uns beispielsweise darüber aufklärte, dass die Anzahl der verbrannten Hexen in den vergangenen 50 Jahren immer geringer wurde: Die katholische Kirche setzt in ihren Verlautbarungen die Zahl der verfolgten und getöteten Hexen immer weiter herunter und es kommt ein immer höherer Anteil Männer hinzu. „In ein paar Jahren werden sie sagen, es ist keine einzige Frau als Hexe verbrannt worden!"

Fiona Lorenz