"Kampfabsage"

(hpd) Nach den Terroranschlägen vom 11. September 2001 erlebte die Auffassung von einem „Kampf" oder „Zusammenprall der Kulturen"

(Huntington) eine Renaissance. Frühere inhaltliche und methodische Einwände legte man zur Seite, die schrecklichen Ereignisse schien der lange Zeit umstrittenen Prognose Recht zu geben. Ihr widersprechen nun der Kulturkritiker Ranjit Hoskote und der Schriftsteller Ilija Trojanow in ihrem Buch „Kampfabsage". Dessen zentrale Aussage findet sich schon im Untertitel: „Kulturen bekämpfen sich nicht - sie fließen zusammen".

Die beiden aus Indien stammenden Autoren richten ihre Kritik gegen eine weit verbreitete Auffassung, wonach Kulturen über einen unveränderlichen Kern in unüberbrückbarer Abgrenzung von anderen Kulturen verfügten. Dies seien aber nur historische Mythen, habe es doch immer eine Annäherung oder Durchmischung der Kulturen gegeben. Der Austausch in Kunst, Philosophie oder Wirtschaft führte für Hoskote und Trojanow erst zur Entwicklung der europäischen Gesellschaften hin zu ihrem jetzigen Stand. Mit leichter Feder verdeutlichen sie dies anhand von Alltagsphänomenen wie der Verwendung der Gabel beim Essen oder dem Einfluss der aufgeklärten Philosophen der islamischen Welt auf das westliche Denken.

Die Auffassungen der beiden Autoren lauten daher zusammengefasst: Kulturen sind keine geschlossene Einheiten, sondern erstaunliche Mischformen. Haltbarer als die These vom „Kampf der Kulturen" ist eine Perspektive, wonach die Fronten quer durch unsere Gesellschaften und nicht durch Kulturkreise verlaufen. Sie liegen demnach nicht im Konflikt miteinander, sondern fließen zusammen. Den Zusammenfluss anzunehmen, bedeutet den Kampf abzusagen, den Kampf abzusagen bedeutet den Zusammenfluss anzunehmen.

Widerlegung der realitätsfremden Vorstellung von einheitlicher Kultur

Hoskote und Trojanow kommt das Verdienst zu, die falsche und realitätsfremde Vorstellung von einer einheitlichen Kultur oder Nation widerlegt zuhaben. Diese Einsicht ist nicht neu, artikuliert sich hier aber in eingängiger Form. Insofern erscheint die These vom „Kampf der Kulturen" tatsächlich als nicht begründ- und belegbare Ideologie. Hinsichtlich des Blickes in die Gegenwart bleiben die beiden Autoren aber überraschend diffus und belassen es bei einer oberflächlichen Kritik an Bushs „Krieg gegen den Terror". Gerade bezogen auf die damit zusammenhängenden Themen hätte man sich doch noch eine nähere Betrachtung gewünscht.

Dabei wäre auch darauf zu verweisen, dass sich Grundlagen für ein individuelles Menschenrechtsverständnis zwar in allen Kulturen finden, sie aber unterschiedlich stark gesellschaftliche Akzeptanz genießen. Dies bedingt Konflikte innerhalb von Kulturen, aber auch zwischen Kulturen. Eine historisch durchaus zutreffende These, wonach sich Kulturen immer annähern, führt bei der Betrachtung solcher Konflikte nicht weiter. Zutreffend betonen Hoskote und Trojanow, das Zusammenfließen der Kulturen sei nicht immer ein friedlicher Prozess gewesen. Es gilbt dann aber nicht nur die positiven Begleitumstände, sondern auch die Schattenseiten solcher Entwicklungen stärker ins Visier zu nehmen.

Armin Pfahl-Traughber

Ranjit Hoskote / Ilija Trojanow „Kampfabsage. Kulturen bekämpfen sich nicht - sie fließen zusammen." Aus dem Englischen von Heike Schlatterer, München: Blessing, 2007. 239 S., 17,95 €