Notizen aus Russland

Alexi prophezeit Europas Untergang ohne Christentum.

Moskau, 7. Dezember. Russlands orthodoxer Patriarch Alexi II. hat die Europäer vor dem Verlust des christlichen Glaubens gewarnt. „Das heutige Europa baut keine postchristliche Kultur und Zivilisation auf, sondern verschwindet einfach aus der Geschichte“, sagte Alexi bei einem Festakt zum 15. Jahrestag der Eröffnung der Orthodoxen Sozial-Universität in Moskau.

Ohne seine christlichen Wurzeln sei Europa zum Tode verurteilt, meinte der Patriarch. Aus diesem Grund verurteilte er auch die Proteste gegen die Einführung des orthodoxen Religionsunterrichts in russischen Schulen.

In Russland wird seit einigen Jahren um die Einführung des obligatorischen orthodoxen Religionsunterrichts gestritten. Vor allem die orthodoxe Kirche macht sich dafür stark, während Vertreter anderer Religionen in Russland, aber auch das Bildungsministerium darin eine Bevorzugung des Moskauer Patriarchats sehen. In einigen russischen Regionen wird das Unterrichtsfach „Grundlagen der orthodoxen Kultur“ bisher fakultativ angeboten. (Deutsch)
 

Geistliche rehabilitiert

Wolgograd, 7. Dezember. Die Staatsanwaltschaft der Wolgograder Oblast hat auf Antrag von Metropolit German mehrere Geistliche und Einwohner in dieser Provinz rehabilitiert. Die Betroffenen hatten sich zur Sowjetzeit 1922 gegen die Beschlagnahme kirchlicher Wertgegenstände zur Wehr gesetzt und waren daraufhin inhaftiert worden. Einer der Gefangenen, Bischof Nikolai, verstarb im Gefängnis. Gegenwärtig sammelt die orthodoxe Diözese von Wolgograd Informationen über das Schicksal der anderen Rehabilitierten und ihrer Familienangehörigen. (Russisch)
 

Ab nach Sibirien

Moskau, 7. Dezember. In Estland machen etwa 100 Anhänger der russischen Wissarion-Sekte von sich reden. Sie sind bereit, ihre Häuser zu verkaufen und nach Sibirien auszuwandern.

Begonnen hatte alles damit, dass eine russische Sektenanhängerin Anfang 2007 in einem Dorf nahe der zweitgrößten estnischen Stadt Tartu aufgetaucht war und für ein „neues Leben“ warb. Sie erzählte von einer wundersamen Stadt in Sibirien, wo die Wissarioner in Harmonie und Einklang mit der Natur lebten. In der Schrift ihrer 61 Gebote stehe anstelle von Jesus stets „Wissarion“, der Name des Sektengründers, der als Christus angesehen werde.

Die Estin Ana Raud, bei der die russische Missionarin Unterkunft gefunden hatte, war von der Idee des „neuen Lebens“ so begeistert, dass sie sich entschloss, sich und ihr Kind den strengen Regeln der Sekte zu unterwerfen. Das bedeute, so ihre Nachbarn, dass man beispielsweise bestimmte Lebensmittel wie Zucker, Sahne, Fleisch und Teigwaren nicht essen dürfe. Die Tochter sei daher schon völlig abgemagert.

Letztlich habe Ana Raud ihr Haus verkauft, um nach Sibirien umzuziehen. Doch Russland erteilte ihr keine Aufenthaltserlaubnis. Nachdem die Frau mit ihrer Tochter von Nachbarn aufgenommen worden war, diese sie aber auch nicht von ihrem Irrweg abhalten konnten, seien beide mittlerweile obdachlos.

Neu angekommene russische Missionare konnten auch andere Dorfbewohner, darunter solche mit Hochschulabschluss, für das „neue Leben“ in der Sekte begeistern. Der Dorfälteste habe sich daher an verschiedene Sozialbehörden und das estnische Parlament gewandt. Denen scheint das Schicksal ihres Volkes jedoch egal zu sein, denn bisher hat er keine einzige Antwort erhalten. (Russisch)

 

Reaktionen auf erste islamische Poliklinik in Moskau

Moskau, 6. Dezember. In Moskau wird die Eröffnung einer ersten islamischen Poliklinik für Privatpatienten kontrovers diskutiert. Nach Auffassung des Politikers Dmitri Rogosin sei dies ein gefährliches Zeichen: „Die Schaffung separater religiöser oder nationaler Abgrenzungsräume führt zum Zerfall Russlands.“

Der Sänger Waleri Sjutkin sieht in dieser Tendenz eine Beschränkung der Freiheit: „Was soll ich im Bedarfsfall tun, wenn ich als orthodoxer Bürger gegenüber einer solchen Klinik wohne? In einem multikonfessionellen Land darf es so etwas nicht geben, was das Volk noch mehr auseinanderreißt.“

Michail Kropopenko, Vertreter des Moskauer Patriarchats der orthodoxen Kirche, erklärte, es gebe schon genug auf der Welt, was die Menschen trenne. Orthodoxe Gläubige bräuchten keine eigenen Krankenhäuser. Das Wichtigste sei doch, dass man einen guten Arzt finde. Gleichzeitig wollte er sich aber auch nicht darauf festlegen lassen, ob die Gründung konfessionell gebundener Gesundheitseinrichtungen gut oder schlecht sei.

Die Leiterin des jüdischen Kulturzentrums „Chesed Oser“ Marina Krol meinte hingegen, dass jede nationale Kultur ihre Spezifik habe, insbesondere in der Einstellung zur Frau: „Indem man diese Spezifik berücksichtigt, achtet man jede andere Nationalität.“

Ganz anders sah dies eine Leserin der Online-Ausgabe der „Komsomolskaja Prawda“, die das Krankenhaus für Muslime mit einem „Kosovo in Moskau“ verglich.

Die Kardiologin Tamara Ogijewa rief das medizinische Personal der Klinik auf, den Eid des Hippokrates einzuhalten und das Leben eines Patienten nicht dem „Willen Allahs“ zu überlassen. „Ich denke, Altenheime und Reha-Zentren können religiös ausgerichtet sein, aber keinesfalls dürfen medizinische Einrichtungen von kirchlichen Dogmen abhängen“, betonte sie. (Russisch)

 

Luschkow fordert Erziehung zur Toleranz

Moskau, 6. Dezember. Bürgermeister Juri Luschkow hat sich dafür ausgesprochen, den Kampf gegen nationale und religiöse Intoleranz als Norm in die Verfassung aufzunehmen. Auf der Konferenz „Russlands Städte für zivile Solidarität und multinationale Eintracht“ betonte der Politiker, dass man mit der Erziehung zur Toleranz schon im Kindesalter beginnen müsse, um ein Milieu zu verhindern, in dem nationalistische Ideen ihren Nährboden fänden.

Das Stadtoberhaupt berichtete von einem Versuch an Moskauer Schulen mit unterschiedlichem konfessionellen Hintergrund. Dort habe man einen fakultativen Unterricht zur Geschichte der Religion und der Nationalitäten durchgeführt, der nach den Worten Luschkows bei den Kindern die Einstellung gefördert habe, einerseits Gleiche unter Gleichen zu sein und andererseits den Glauben der Anderen zu achten.

Über die Einführung eines Toleranzunterrichts für Juri Luschkow im Kampf gegen seine allseits bekannte Homophobie ist hpd hingegen nichts bekannt. (Russisch)

 

Moskauer Stadtgericht bestätigt Gay-Pride-Verbot

Moskau, 6. Dezember. Das Moskauer Stadtgericht hat die Klage der Veranstalter gegen das Verbot ihres Gay Pride zurückgewiesen. Die Schwulen- und Lesbenparade, zu der etwa 5.000 Teilnehmer erwartet worden waren, sollte am 27. Mai dieses Jahres stattfinden.

Im Vorfeld untersagte jedoch am 16. Mai ein für Sicherheitsfragen zuständiger Vertreter der Stadtverwaltung die Demonstration. Er berief sich auf Bitten der Bürger an die Stadtverwaltung, diese öffentliche Veranstaltung nicht zuzulassen. Die sichere Durchführung des Gay Pride sei damit nicht garantiert, da sie eine negative Reaktion gegenüber ihren Teilnehmern hervorrufen und zur Störung der öffentlichen Ordnung führen könne.

Die Moskauer Stadtregierung bezog sich in ihrer Argumentation auf Artikel 11 der Europäischen Menschrechtskonvention, wonach das Recht auf friedliche Versammlungen im Interesse der öffentlichen Ordnung eingeschränkt werden darf, um die Gesundheit und die Rechte und Freiheiten anderer Personen zu schützen.

Nikolai Alexejew, einer der Veranstalter des Gay Pride, kündigte nach der erneuten Bestätigung des Verbots an, sich nun an das Europäische Gericht für Menschenrechte in Straßburg zu wenden, um erneut die Russische Föderation wegen der Verletzung von Bürgerrechten sowie aufgrund seiner Inhaftierung am Tag der geplanten Veranstaltung auf Schadensersatz zu verklagen. Eine ähnliche Klage läuft bereits in Straßburg seit Anfang des Jahres wegen eines analogen Gay-Pride-Verbots im vergangenen Jahr. Die Entscheidung steht noch aus. (Russisch)
 

St. Petersburger Schüler töten Obdachlosen

St. Petersburg, 6. Dezember. Fünf Schüler im Alter von etwa 14 Jahren haben in St. Petersburg einen Obdachlosen totgeprügelt. Die Jungen wollten den 45-jährigen Mann aus dem Eingangsbereich eines Wohnhauses vertreiben. Zunächst, so der Polizei-Bericht, hätten sie dem Obdachlosen gedroht und ihn beschimpft. Als der Mann keine Anstalten machte, den Platz zu räumen, seien die Jugendlichen immer aggressiver geworden und hätten begonnen, auf den Obdachlosen einzuschlagen.

Bei der Obduktion kam heraus, dass der Mann an einer Schädelverletzung starb. Außerdem waren mehrere Rippen gebrochen. Der After des Mannes wies Verletzungen auf, die die Jugendlichen ihm laut Geständnis mit dem Stiel eines Schrubbers zugefügt hatten. (Deutsch)
 

Russlands „Nr. 2“ über Kirche und Armee

Moskau, 5. Dezember. Dmitri Medwedjew, erster Vize-Premier des russischen Präsidenten Wladimir Putin und dessen Amtsnachfolger in spe, meint, dass die Anwesenheit religiöser Amtsträger in der Armee sinnvoll sei. Bei einem Treffen mit Dekanen und Leitern jüdischer Hochschulen beklagten sich diese bei Medwedjew, wie schwer es für Juden sei, ihre religiösen Bräuche in der Armee einzuhalten.

Der Staat habe hier keine leichte Aufgabe, doch man müsse Antworten auf diese Fragen finden und dabei auf der Grundlage der staatlichen Gesetze bleiben. „Es ist offensichtlich, dass die Anwesenheit von Geistlichen der unterschiedlichen Konfessionen die Situation im Leben der Armee erleichtert und dabei hilft, die erzieherische Arbeit zu leisten“, erklärte der Vize-Premier. Gleichwohl handele es sich um eine delikate und komplizierte Frage, die gewisse russische und sowjetische Traditionen berühre. (Russisch)

 

Russlands „Nr. 2“ über Kirche und Hochschule

Moskau, 5. Dezember. Der erste Vize-Premier des russischen Präsidenten Dmitri Medwedjew rechnet damit, dass die im Dezember neu gewählte Staatsduma zügig ein Gesetz zur staatlichen Anerkennung von Bildungsprogrammen nichtstaatlicher Bildungseinrichtungen verabschieden wird.

 

Dieses Gesetz werde auch die religiösen Bildungseinrichtungen auf eine Stufe mit den staatlichen Hochschulen stellen und ihre Entwicklung fördern. Religiöse Hochschulen werden die Möglichkeit bekommen, staatlich anerkannte Bildungsabschlüsse zu verleihen, erklärte Medwedjew bei dem bereits in der vorhergehenden Meldung erwähnten Treffen, das im Moskauer Zentrum der jüdischen Gemeinde stattfand.

Nach Ansicht des Vize-Premiers seien Fragen der normativen Regelung religiöser Aktivitäten äußerst aktuell geworden, weil beispielsweise die Anzahl jüdischer Gemeinden in den letzten Jahren auf das Zehnfache im Land angestiegen sei. Somit bestehe auch Bedarf, die Aufgaben und die Entwicklung der religiösen Bildung in Russland staatlich zu regeln.

An dem Treffen nahmen außerdem der russische Bildungsminister Andrej Fursenko, der stellvertretende Leiter der Föderalen Bildungsagentur Alexander Roschdestwenski und der Oberste Rabbi Russlands Berl Lasar teil. (Russisch)

 

Fortsetzung des Sekten-Dramas in Pensa

Pensa, 5. Dezember. Die Behörden im Gebiet Pensa haben sechs weißrussische Staatsangehörige des Landes verwiesen. Sie gehören der Sekte an, von der 27 Mitglieder seit Wochen in einer selbst gegrabenen Erdhöhle das Ende der Welt erwarten (hpd berichtete). Die Ausgewiesenen waren nicht mit in die Höhle umgezogen und hatten im Gebetshaus der Sekte im Dorf Nikolskoje gelebt.

Die Situation um die Höhle ist nach wie vor unverändert: Die Polizei hat das Areal abgesperrt und hält über ein Lüftungsrohr Kontakt mit den Eingeschlossenen. Diese haben damit gedroht, sich selbst zu verbrennen, wenn gegen sie irgendwelche Maßnahmen ergriffen werden.

Unterdessen sind auch Psychologen des Moskauer Serbski-Institutes sowie Höhlenforscher vor Ort. Während Erstere versuchen, eine Vertrauensbasis mit den Sektenmitgliedern aufzubauen, bemühen sich die Höhlenforscher, mit Spezialgeräten die Höhle von der Oberfläche her zu kartografieren. (Deutsch)
 

Petersburg erklärt Scientology-Zentrum für illegal

St. Petersburg, 22. November. Der Oberste Gerichtshof Russlands hat ein Urteil des Petersburger Stadtgerichts vom Sommer bestätigt, nach dem die Scientology-Organisation in Petersburg ab sofort verboten ist. Damit ist St. Petersburg die dritte Region Russlands, in der die als Sekte eingestuften Scientologen offiziell ihre Tätigkeit einstellen müssen. Das Verbot gilt neben Petersburg in Baschkortostan und im Gebiet Chabarowsk.

Es ist allerdings zu erwarten, dass die Scientology-Anhänger ihre rege Tätigkeit nicht einstellen werden. Wie die Erfahrung in den beiden anderen Regionen zeigt, gehen die Scientologen in den Untergrund und wirken von dort weiter.

Das Petersburger Scientology-Zentrum existierte seit den 1990er Jahren in einem repräsentativen Gebäude im Stadtzentrum unweit des Newski-Prospekts. Ihre Propagandaarbeit betrieb die Organisation an den stark frequentierten Metrostationen „Pl. Wosstanija“ und „Ligowski Prospekt“.

Seit Jahren war die russische Justiz damit beschäftigt, der Sekte illegale Machenschaften nachzuweisen. So wurde ihr vorgeworfen, in ihrem Zentrum kostenpflichtige Kurse abzuhalten und medizinische Hilfe zu erweisen, ohne dafür eine Lizenz zu besitzen. Die in der Scientology-Praxis verbreitete Technik des „Auditing“ stuften die Rechtsschützer als „unqualifizierte Einmischung in die Sphäre des Bewusstseins des Menschen“ ein.

Im Dezember 2003 erfolgte die vorübergehende Schließung des Zentrums. Als die Sekte ihre Aktivitäten dennoch weiterführte, wandte sich das Justizministerium an die Staatsanwaltschaft und reichte Klage ein. Ein jahrelanges Tauziehen führte schließlich zu dem gefällten Urteil, das nun nochmals bestätigt wurde. (Deutsch)

 

Tibor Vogelsang