Selbstbestimmung - Auch am Lebensende

HAMBURG. (hpd) Die Humanistische Union (HU) lehnt sich nicht zurück, sondern engagiert sich mit Stellungnahmen zur Patientenverfügung

und Sterbehilfe. Sie formuliert ihre eigenen Forderungen zum Selbstverständnis des eigenen Willens.

 

Rosemarie Will, Bundesvorsitzende der Humanistischen Union und Professorin für Öffentliches Recht an der Humboldt Universität Berlin, referierte am vergangenen Mittwoch die Gesetzentwürfe zu Patientenverfügung und Sterbehilfe sowie die Stellungnahme der HU.

Nach einem aktuellen Hinweis auf die Diskussion um den „Selbsttötungsautomaten" des früheren Hamburger Justizsenators Kusch, verwies Hartmuth Wrocklage als Moderator darauf, dass die Humanistische Union das Thema der Patientenverfügung bereits seit mehr als 25 Jahren öffentlich macht und 1984 die erste Patientenverfügung formuliert hat. Das Thema erfahre zwar immer mehr öffentliche Akzeptanz, werde aber politisch immer noch weitgehend negiert.

Frau Will gab als Einleitung in ihrem Vortrag einen Überblick über die derzeitige Gesetzeslage und die im Bundestag vorliegenden und im März diskutierten Entwürfe und deren Veränderungen. Gegenwärtige Rechtslage ist die Straffreiheit der passiven und der indirekten Sterbehilfe und das Verbot der aktiven Sterbehilfe. In der Praxis sind aber sowohl bei Medizinern wie bei Juristen die Unterschiede weitgehend nicht bekannt. Die indirekte Sterbehilfe (ein todkranker Mensch erhält - weil andere Hilfe nicht möglich ist - gegen Schmerzen oder Beschwerden Medikamente, die den Tod früher eintreten lassen) wird vielfach als aktive Sterbehilfe bewertet. Es braucht also klarere Regelungen.

In der gegenwärtigen Diskussion – die sich u. a. mit der Frage beschäftigt, ob und wann Geräte abgeschaltet werden dürfen und ob dafür der irreversible tödliche Verlauf Voraussetzung ist – wird dabei übersehen, dass der Bundesgerichtshof bereits mehrmals angemerkt hat, die strafrechtliche Regelung zu bedenken. So hat der BGH-Senat auch 2005 wieder bekräftigt: „Die strafrechtlichen Grenzen einer Sterbehilfe erscheinen bisher nicht hinreichend geklärt."

Gesetzentwürfe und Betreuungsrecht / Strafrecht

Die vorliegenden Entwürfe beziehen sich alle auf Regelungen im Betreuungsrecht (§ 1901 und 1904 BGB). Die zivilrechtliche Rolle des Arztes wird dabei jedoch nicht geregelt. Das verdeutlicht, dass diese Entwürfe aus einer Zeit stammen, als das Betreuungsrecht politisch diskutiert wurde.

Die Humanistische Union schlägt dagegen vor, bei der zivilrechtlichen Willenserklärung (§ 130 BGB) anzusetzen und sie dahingehend zu erweitern, dass sie auch für Patientenverfügungen gilt. Im Betreuungsrecht (§ 1901b BGB-E) sei dann zu präzisieren, dass eine Patientenverfügung auch gilt, wenn die Krankheit noch keinen tödlichen Verlauf genommen hat. Und schließlich sei der § 216 StGB neu zu fassen: „Nichts rechtswidrig sind Handlungen in Fällen (1) des Unterlassens oder der Beendigung einer lebenserhaltenden Maßnahme, (2) die Anwendung Leid mindernder Maßnahmen, die jedoch Leben verkürzend sind, (3) einer Tötung auf Grund des ausdrücklichen und ernstlichen Verlangens des Getöteten.

Klare Regelungen zur Schaffung der individuellen Autonomie

Zivilrechtlich könne nur geregelt werden, was strafrechtlich nicht verboten ist. Deshalb werde sich die Humanistische Union auch weiterhin für klare Regelungen einsetzen, die eine individuelle Autonomie bis zum Lebensende ermöglichen - einschließlich der aktiven Sterbehilfe. Seit 1984 hat die HU Regelungen dieser Art vorgeschlagen und wird sich in dieser Hinsicht auch in die Beratungen des Bundestages Anfang 2008 einbringen.

In der Diskussion wurden die verschiedenen Facetten des Themas Sterbehilfe deutlich. Betroffene schilderten ihre persönliche erlebte Problematik mit Partnern und Verwandten; ebenso gab es philosophische Erwägungen, ob eine sprachliche Äußerung in einer Patientenverfügung den konkreten Diskurs ersetzen kann. Die Rolle der Ärzte wurde thematisiert, ebenso wie der Schutz der Betreuer. Nachdenkliche Beiträge, die die Vielschichtigkeit von Situationen aufzeigten, die zur gesetzlichen Regelung anstehen.

CF.