Hitlers Theologie

(hpd) War Hitler ein Anhänger des Atheismus und ein Feind der Religion? Erklären sich seine Verbrechen durch eine Abkehr vom Glauben?

Mit derartigen Fragen verbundene Behauptungen kann man immer wieder lesen. Meist überlagern hierbei ideologische Interessen die vorgeschobene Absicht zur Erklärung eines historischen Prozesses.

 

Ausgerechnet der Theologie-Professor Rainer Bucher, Leiter des Instituts für Pastoraltheologie und Pastoralpsychologie an der Katholisch-Theologischen Fakultät der Universität Graz, widerlegt derartige Annahmen nun in seiner Studie „Hitlers Theologie". Er will darin deutlich machen, dass die religiösen Metaphern in den Reden des Diktators keineswegs nur instrumentalisiert wurden. Vielmehr habe Hitler sehr wohl über eine wenn auch intellektuell krude und rassistisch geprägte eigene Theologie verfügt. Da sie praktisch wurde, verdiene sie auch Beachtung. Darüber hinaus will Bucher die Frage beantworten, warum bedeutende katholische Theologen in den 1930er Jahren von Hitler fasziniert waren.

Die Studie enthält zehn Kapitel, die wiederum in drei Teile aufgegliedert sind: Zunächst veranschaulicht der Autor die Bedeutung des Theologiebegriffs für seine Fragestellung, beschreibt das Verhältnis Hitlers zur katholischen Kirche und zur Religion der „völkischen Bewegung". Danach widmet er sich dem Glaubensverständnis, Gottesbegriff und Vorsehungsverständnis des Diktators sowie der Bedeutung von Hitlers Theologie für den Holocaust und der Attraktivität des Nationalsozialismus für als „fortschrittlich" geltende katholische Theologen. Und schließlich geht es um das Verhältnis von Hitler zur Moderne und die Erlösungsdimension seiner Theologie.

Im Zentrum steht die Analyse von Hitler-Texten, die auf theologische Kategorien hin untersucht werden. Bucher veranschaulicht dabei in welch hohem Maße Hitler „sein politisches Projekt als theologisch fundiert" (S. 110) begriff. Selbst die Unbedingtheit beim Massenmord an den Juden – auch und gerade in Kenntnis des eigenen Untergangs – sei durch Hitlers spezifische Theologie erklärbar.

Bucher veranschaulicht in seiner Studie überzeugend, dass der Diktator sehr wohl ein religiöser Mensch war und sein besonderes religiöses Verständnis mit handlungsleitend wirkte. Differenziert arbeitet der Autor die Gemeinsamkeiten und Unterschiede zu katholischer Kirche und völkischer Religion heraus. In der Tat handelte es sich um eine eigenständige Form, die etwas schief von ihm als „kulturalistisch-rassistische Variante einer ‚Physikotheologie'" (S. 168) bezeichnet wird.

Auch bei der Analyse der bei den Theologen Karl Adam, Joseph Lortz und Michael Schmaus auszumachenden „Option für den Nationalsozialismus" (S. 131) erweist sich der Autor als differenziert denkender Kopf. Zwar hebt er hier und da allgemein Gemeinsamkeiten des damaligen Katholizismus mit dem Nationalsozialismus hervor, geht den hiermit verbundenen Zusammenhängen aber nicht näher nach. Entsprechende Ansätze in der Forschung wertet Bucher dabei all zu eilfertig als „Kurzschluss" (S. 113) ab. Gleichwohl handelt es sich um eine beachtenswerte Studie.

Armin Pfahl-Traughber

 

Rainer Bucher, Hitlers Theologie, Würzburg 2008 (Echter-Verlag), 228 S., 16,80 €