Jesus Kinski Superstar

(hpd) „Jesus Christus Erlöser" von Klaus Kinski ist ein erstmaliger Zusammenschnitt einzelner Filmaufnahmen des gleichnamigen Vortrags

in der Deutschlandhalle aus dem Jahr 1971.

 

Ausgerechnet der damalige Darsteller der Wahnsinnigen und Verbrecher aus den alten Edgar-Wallace-Filmen stellte sich damals auf die Bühne und wollte den Menschen sein Verständnis des Neuen Testaments näher bringen. Der Vortrag, der eigentlich eine Vortragsreihe werden sollte, endete in einem Tumult-artigen Desaster – der teilweisen Räumung des Saales unter Polizeieinsatz – und wurde nach einem weiteren Vortrag eingestellt.

Kinski hatte 30 Schreibmaschinenseiten auswendig gelernt und wollte diese als Monolog vortragen. Das dem damaligen Zeitgeist entsprechend aufmüpfige Publikum hingegen wollte Diskutieren und sparte nicht mit Zwischenrufen. Der emotionale und durchaus provozierende Vortrag Kinskis hatte dies wohl durchaus einkalkuliert, vermutlich aber die Heftigkeit der Reaktionen unterschätzt.

Tränen, Zwischenrufe, Beleidigungen

Teilweise dürften die dargestellten Emotionen dem schauspielerischen Genie Kinskis geschuldet sein, der nach eigenem Bekunden 10 Jahre an dem Projekt gearbeitet haben will, etwa wenn Kinski Tränen über die Wangen laufen, nachdem er zuvor jedoch auffällig selten geblinzelt hatte, ein simpler Schauspielertrick also. Schließlich überfordert Kinski sein Publikum aus Jesus-Freaks und christlichem Bürgertum ganz bewusst, indem er von Jesus in der dritten Person spricht, dann aber Aussagen in wörtlicher Rede wieder gibt, als sei er selbst Jesus. Einerseits trägt er schauspielerisch vor, reagiert aber andererseits höchstpersönlich und beleidigend auf die Zwischenrufe, ohne dass zwischen Kinski selbst und dargestelltem Jesus noch eine Unterscheidung möglich wäre. Gleichzeitig wird der Film durch die persönlichen Reaktionen zu einem einzigartig aussagekräftigen Portrait der Person Klaus Kinski.

Auch inhaltlichen provoziert Kinski durch sein Jesus-Verständnis, das an Ehrlichkeit und Authentizität seines Gleichen sucht: Der bürgerlich-christlichen Gesellschaft wirft er deren Inkonsequenz vor, führt aber auch gleichzeitig den utopischen Charakter und die Unvereinbarkeit der Lehre mit dem bürgerlichen Leben vor Augen. Durch die vermengende Vortragsart und das Einbinden von Jesus-Zitaten bringt Kinski die Menschen auf, wie dies ein Prediger vor 200 Jahren vielleicht auch getan hätte.

Lange nach Kinskis Tod wird mit dem Zusammenschnitt eine Gesamtaufführung gezeigt, deren Bestandteil gerade auch das johlende und protestierende Publikum ist, das bis zum Schluss unbewusst mitspielt.

Holger Rudolph

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