BERLIN. (hpd) Am vergangenen Samstag gab es in Neukölln das kritische Filmfestival „Commitale“. Die Veranstalter wollten Licht auf das unterbewertete Problem von Rassismus im Alltag werfen und zur Diskussion anregen. Welche Foren und Facetten hat Rassismus im Alltag? Der Saal war bis auf den letzten Platz gefüllt.
Der Verein „Commit-Berlin e.V.“ hatte in die Villa Neukölln zu einem kritischen Filmfestival eingeladen.
Schwarze Deutsche
„Ich wohne gerne mit schwarzen Menschen in einem Haus, weil ich kulturelle Vielfalt toll finde!“ Mit dieser Position konfrontieren die jungen Filmemacher im Eröffnungsfilm spontan die Besucher einer Berliner Einkaufspassage.
Sie wollen wissen, ob dieser Satz als rassistisch eingeschätzt wird. Fast alle ihre Interviewpartner antworten aus dem Bauch heraus mit „nein“ oder, dass sie auch schon mit Ausländern in einem Haus zusammengewohnt hätten und immer alles in Ordnung gewesen wäre. Manch einer gibt auch ganz offen zu, dass er den Satz zwar nicht rassistisch fände, selber aber vorzöge, nur mit sogenannten Deutschen in einem Haus zu wohnen. Ob denn aber Hautfarbe und Kultur zwingend zusammengehören würden? „Eigentlich nicht…“
Eine junge Frau muss länger überlegen und kommt stufenweise zu dem Schluss, dass der Satz sogar sehr rassistisch sei, da er ja implizit schwarzen Menschen eine andere Kultur zuschreibt als sich selbst.
Der Verein Commit Berlin möchte mit diesem Kurzfilm „Wohnst du schon?“ (06:12) auf Rassismus im Alltag aufmerksam machen und das Problem damit vom Rande der Gesellschaft, wie NSU und NPD wegholen und in ihrer Mitte sichtbar machen. „Allein die Nennung des Begriffs „Rassismus“ löst bei den Menschen eine Abwehrreaktion aus und nimmt ihnen damit die Chance, über das Thema richtig nachzudenken.“, sagt Commit Vorstandsmitglied Sören Boller, Macher des Films und Mitorganisator des Festivals.
Die vor über 25 Jahren aus dem Iran kommende Chenour Mohammadi verarbeitet ihre Alltagserfahrungen in dem 2. Film „Das Date“. (08:29)
Der Zuschauer erfährt aus der point of view Perspektive von den ‚kleinen’ rassistischen Situationen, die ihr das Leben unnötig erschweren. Sie lebt immer mit der Ungewissheit, ob sich das abweisende Verhalten ihrer Mitmenschen in der S-Bahn, im Fitnessstudio, beim Einkaufen oder im Park auf sie persönlich oder ihre Haut- und Haarfarbe beziehen: „Jeder soll seine Position reflektieren, bevor er sich selbst als antirassistisch bezeichnet und lieber wieder einen Schritt zurück gehen, bevor man Menschen durch zu gut gemeinten Aktionismus anders und dadurch wiederum rassistisch behandelt.“
Die Initiative Schwarzer Menschen in Deutschland (ISD) schätzt die Zahl der Afrodeutschen im Jahre 2008 auf etwa 500.000 Personen. „Ich bin in Deutschland geboren, ich bin in Deutschland aufgewachsen, ich spreche deutsch, ich denke deutsch“, sagt der Macher des 3. Films „Shit some white Germans say to black Germans“ (03:33), Sydney Franz, in dem er eine für ihn typische Gesprächssituation mit einem unbekannten weißen Deutschen nachspielt.
Es dreht sich anscheinend immer um die gleichen Fragen: „Wo sind Sie denn jetzt WIRKLICH her?“, „Sie sprechen aber gut deutsch!“, „Sie können bestimmt gut singen und tanzen?“ Viele rechtfertigen ihre penetrante Fragerei mit reinem „Interesse für den Anderen“. Dass sie aber dabei offensichtlich machen, wie in ihrem Kopf ein „richtiger Deutscher“ auszusehen hat, merken sie leider gar nicht.