Theologien an staatlichen Hochschulen

GÖTTINGEN. (BfL) Am Dienstag, dem 24. Juni, fand in der Universität Göttingen eine vom AStA und der Hochschulgruppe

„Bündnis für Laizismus" organisierte Podiumsdiskussion statt: „Konfessionalisierung von Bildung und Wissenschaftskultur? Christliche und islamische Theologien an staatlichen Hochschulen".

 

Als Teilnehmer aus Göttingen waren eingeladen Prof. Dr. Hans Michael Heinig, (Öffentliches Recht, Leiter des Kirchenrechtlichen Instituts der EKD), Prof. Dr. Matthias Koenig (Religionssoziologie), Prof. Dr. Gerd Lüdemann (Geschichte und Literatur des frühen Christentums) und Dr. Behrouz Khosrozadeh (promovierter Politikwissenschaftler, freier Autor und Publizist). Eigens aus Osnabrück angereist war Prof. Dr. Bülent Ucar (islamische Religionspädagogik).

Nach geltendem Recht hat jede Religionsgemeinschaft Anspruch auf die Einrichtung theologischer Fakultäten und konfessionellen Religionsunterrichtes durch den Staat. Leitfrage der Diskussion war daher, ob es sinnvoll ist, dass der Staat in Zeiten der religiösen Pluralisierung weiterhin dieses Recht gewährt, obwohl dies zu einer immer stärkeren und kostspieligeren Konfessionalisierung der Schul- und Hochschullandschaft führt.

Grundgesetzliche Verankerung

Die Frage nach dem Fortbestand staatlich-theologischer Fakultäten und des konfessionellen Religionsunterrichtes bejahte Herr Heinig zunächst im Hinblick auf dessen grundgesetzliche Verankerung. Darüber hinaus betonte er die Kompatibilität des Staatskirchenrechtes mit einem religiös pluralistischen Deutschland. Es sei bereits bei seiner Entstehung in der Weimarer Republik im Hinblick auf einen religiösen Pluralismus angelegt worden.

Über den Status Quo der islamischen Theologie in Deutschland machte Herr Ucar deutlich, dass es noch ein weiter Weg zur Errichtung islamisch-theologischer Fakultäten und eines flächendeckenden islamischen Religionsunterrichtes sei. Er befürworte jedoch das bestehende Staatskirchenrecht, weil es langfristig zur kulturellen Vielfalt der Gesellschaft beitrage. Zwar könne er sich mit verschiedenen Systemen abfinden, die Hauptsache sei aber die Gleichberechtigung aller Religionsgemeinschaften und die Freiheit der Religionsgemeinschaften von staatlicher Beeinflussung. Als Negativbeispiel führte er die Türkei an, wo der Staat die Ausbildung islamischer Geistlicher kontrolliere.

In Hinblick auf die Einrichtung islamisch-theologischer Fakultäten in Deutschland sprach Herr Khosrozadeh das organisatorische Problem der Muslime an, denn weder die von Innenminister Schäuble einberufene Islamkonferenz noch die größeren islamischen Verbände seien repräsentativ für die Muslime in Deutschland.

Einen Beitrag über den Zusammenhang von staatlicher Unterstützung und gelebter Religiosität brachte Herr Koenig mit dem Beispiel der USA, wo der Staat weder theologische Fakultäten, noch konfessionellen Religionsunterricht anbietet. Doch scheint dort gerade die staatliche Zurückhaltung den „religiösen Markt" anzuregen. Herr Lüdemann plädierte in diesem Zusammenhang für die Umstrukturierung staatlich-theologischer Fakultäten in Deutschland in nichtkonfessionelle religious studies departments nach Vorbild der USA.

Scharfe Auseinandersetzung

Die Diskussion spitzte sich schließlich auf eine scharfe Auseinandersetzung zwischen Herrn Lüdemann auf der einen Seite, sowie Herrn Heinig und dem sich aus dem Publikum einschaltenden Prof. Dr. Peter Gemeinhardt (Kirchengeschichte) auf der anderen Seite zu.

Die Frage, ob Theologie überhaupt als Wissenschaft zu bezeichnen ist, verneinte Herr Lüdemann, dem 1998 aufgrund seines Abschieds vom christlichen Glauben die Prüfungsberechtigung innerhalb der Theologischen Fakultät der Universität Göttingen entzogen wurde. Die Wissenschaftlichkeit der Theologie als Institution sei deshalb zweifelhaft, da sie den Glauben an eine Offenbahrung, sowie die Taufe voraussetze. Herr Heinig und Herr Gemeinhardt betonten hingegen die öffentlich anerkannte Wissenschaftlichkeit theologischer Forschung und Lehre.

Die kritisch-engagierten Gäste und Zuhörer in der Enge des gefüllten Hörsaals ZHG 003 machten die Podiumsdiskussion nicht nur zu einer informativen, sondern auch zu einer sehr lebendigen Veranstaltung.

Sven Wortmann