HAMBURG. (hpd) Die traditionellen konfessionellen Wochenzeitungen verlieren kontinuierlich an Auflage. Nur konfessionelle
Nischenprodukte sind auf Wachstumskurs.
Die „Kirchenpresse" in Deutschland ist recht unübersichtlich. Vereinfacht gibt es drei Segmente: Die unzähligen Gemeindeblätter der Kirchengemeinden (meist DIN A 5 und von schlicht
bis aufwändig gestaltet), die über örtliche Termine und Vorkommnisse berichten, regionale Kirchenzeitungen und bundesweit vertriebene Publikationen.
Während für Anzahl und Gesamtauflage der kirchlichen Gemeindeblätter keine Angaben zu finden sind, liegen für die anderen Publikationen durch die IVW (Informationsgemeinschaft zur Feststellung der Verbreitung von Werbeträgern) Zahlen zu den verkauften Auflagen vor.
Dabei ist die Zuordnung manchmal kurios, da zum Beispiel der „Bayernkurier" von der IVW unter „Publikumszeitschriften mit regionaler Verbreitung / Konfessionelle Zeitschriften" aufgeführt wird. Vielleicht weil der Bayernkurier - die letzte verbliebene Parteizeitschrift der ‚bürgerlichen' Parteien - das gleiche ‚Schicksal' wie die Kirchenzeitung teilt? Billiges Papier und sinkende Auflage: vom ersten Quartal 1/1998 (148.015 Expl.) bis 1/2008 (78.039 Expl.) eine Verringerung um 78.000 Exemplare oder eine Halbierung (minus 53 %) der verkauften Exemplare.
Gesamttrend: Verluste
Ganz so dramatisch ist es bei der Kirchenpresse zwar nicht, aber der Trend ist der gleiche. Der „Rheinische Merkur", die einzig verbliebene nationale (katholische) konservative Wochenzeitung hat im selben Zeitraum (von 1/1998 bis 1/2008) 39.875 Käufer weniger aufzuweisen (minus 36 % von 111.647 Expl. in 1998), mit einer auffallenden Verringerung seit 2005, als sich erstmals weniger als 100.000 Käufer fanden. Aktuell sind es noch 71.772.
Diese Verluste entsprechen auch der Gesamtentwicklung der regionalen Kirchenzeitungen. Die Zeitungen der „Konpress" - nationaler Vermarkter von 42 konfessionellen Wochenzeitungen - haben insgesamt in den vergangenen zehn Jahren 663.000 Käufer verloren, ein Minus von 36 %, und verkaufen aktuell 1,16 Mio. Exemplare pro Woche (bei noch rund 52 Mio. Kirchenmitgliedern), d.h. nur 2,2 % der Kirchenmitglieder sind auch Käufer einer Kirchenzeitung.
Der mögliche Einwand, dass läge im Trend, dass die gedruckten Zeitungsauflagen sich generell verringern, stimmt nur bedingt. Bei den Tageszeitungen gibt es zwar im gleichen Zeitraum auch einen Rückgang, jedoch nur um 19 % (von 29,4 Mio. auf 23,9 Mio. Exemplaren), während sich die großen Wochenmagazine recht stabil halten und in einem Auflagenkorridor nach oben und unten bewegen (Der Spiegel: 1 bis 1,1 Mio. Expl. / Focus: 0,7 bis 0,8 Mio. Expl. / Stern: 1 bis 1,1 Mio. Expl.).
Kooperation und Eigenbrötlerei
Die 14 regionalen evangelischen Kirchenzeitungen (mit einer Gesamtauflage von 350.000 Exemplaren) haben sich in einer Art Arbeitsgemeinschaft „Kirchenpresse" zusammengefunden, während die 27 katholischen Bistumszeitungen (und eine sorbische katholische Kirchenzeitung) nur partiell kooperieren. Sieben Bistumszeitungen (für elf Diözesen) kooperieren in der „Verlagsgruppe der katholischen Bistumspresse" deren Verbreitungsgebiet sich mit 170.000 Exemplaren auf Nord- und Ostdeutschland (außer Berlin) begrenzt.
Jedes Bistum hat seine eigene Zeitung und wie schwierig sich die aktuelle Absatzlage teilweise darstellt, zeigt eine Aktion des ostdeutschen „Tag des Herrn", der 2008 mit 50 % Rabatt angeboten wird.
An acht ausgewählten Kirchenzeitungen aus der IVW-Gruppe „Publikumszeitschriften mit regionaler Verbreitung / Konfessionelle Zeitschriften" sind zur Illustration der Gemeinsamkeiten bzw. Unterschiede acht (in der Größenordnung bis 30.000 verkaufte Exemplare) ausgewählt und (siehe Grafik im Anhang) dargestellt. Es handelt sich um drei katholische (Bayerisches Sonntagsblatt, Bonifatiusbote, Glaube und Leben), vier evangelische (Evangelische Sonntagszeitung, Evangelischer Kirchenbote, Glaube und Heimat, Kasseler Sonntagsblatt) und eine evangelikale (idea-spektrum).
Zwei Zeitungen haben nur einen geringen Rückgang (zwischen minus 4 - 6 %), die anderen liegen deutlich darüber (minus 22 %, 34 %, 35 %, 44 % und minus 49 %). Nur ein einziger Titel (idea-Spektrum) zeigt eine Steigerungsrate (plus 49 %) in dem Zehnjahreszeitraum 1998 - 2008.
Tradition verschwindet
Eine eindeutige konfessionelle Zuordnung gibt es bei den Titeln mit zurückgehenden Verkaufszahlen nicht. Bemerkenswert und eindeutig ist jedoch - wenn auch auf niedrigem Niveau - die kontinuierliche Steigerung des wöchentlichen Magazins des „Informationsdienst der Evangelischen Allianz" (idea) von 20.382 auf 30.360 verkaufte Exemplare.
Der Unterschied zu den traditionellen Kirchenzeitungen ist offensichtlich. Es ist zum einen das handliche Magazin-Format (A-4-Variante), die farbige Gestaltung und das Bilderdruckpapier, zum anderen aber, eine eindeutige, um nicht zu sagen kämpferische Positionierung. Diese beiden Elemente, moderne Gestaltung und klare Standpunkte, können auch aktuell noch neue Leser interessieren.
Auf der katholischen Seite gilt das gleiche für die „Zeitung kritischer Christen": Publik Forum, die 14-tägig erscheint und im gleichen Zeitraum eine Steigerung der Verkaufsauflage um 12 % erreichen konnte (von 34.223 auf 38.370 Exemplare).
Nischenprodukte auf Wachstumskurs
Das Publikum der traditionellen Kirchenzeitungen schwindet dahin und in den ‚verlassenen Weiten' positionieren sich entschlossene ‚Glaubensstreiter', die jedoch in keiner Weise die Verluste der tradierten Kirchenzeitungen kompensieren. Allerdings sind es – so klein wie sie auch sind – Nischenprodukte auf Wachstumskurs.
Die Unterschiede zeigen sich auch bei der Internetpräsenz. Die Internetauftritte der Kirchenzeitungen – auch die des Erzbistums Köln – sind meist schmucklos wie hausbacken und es ist offensichtlich, dass dafür nur wenig Geld oder nur geringes Engagement dafür aufgebracht wird. Was nicht verwundert, da 97 % der Auflage im Abonnement verkauft wird und eine Internetpräsenz eigentlich gänzlich überflüssig ist. Dagegen ist sowohl die evangelikale Internetseite (von idea-spektrum) wie die katholisch-kritische Seite (von Publik-Forum) durchaus sehens- und lesenswert.
Carsten Frerk
Der hpd dankt der MIZ (Materialien und Informationen zur Zeit) für die Veröffentlichungsgenehmigung.