DORTMUND. (HVD/hpd) Hiesige Schulleitungen untersagen „Lebenskunde“ in der offenen Ganztagsbetreuung. Das wird nun die Landesregierung NRW beschäftigten. Denn eine von Eltern und Schülern gewünschte Bildung, angeboten von jungen Humanisten/innen wurde faktisch verboten.
Die „Jungen Humanisten NRW“ (JuHu's) sind eine eigenständige Jugendorganisation und anerkannter Träger der freien Jugendhilfe nach § 75 KJHG (vgl. Ministerialblatt v. 16.10.1975). Der Jugendverband gehört dem „Jugendring Dortmund – Arbeitsgemeinschaft Dortmunder Jugendverbände“ an und wird über ihn aus städtischen Mitteln gefördert, so auch das Projekt (mit dem nachfolgend abgekürzten) Titel „Lebenskunde“.
In seiner Sitzung am 03.09.2007 bewilligte der Verwaltungsausschuss des Jugendrings einstimmig einen Projektantrag der JuHu's Dortmund mit dem Titel: „Förderung humanistischer Kompetenz durch Lebenskundeunterricht“ (PDF im Anhang). Das Projekt wurde ab 01.10.2007 vorbereitet und bis zum Ende der Herbstferien am 12.10.2008 umgesetzt mit einer Option auf Verlängerung bis Herbst 2009, die ebenfalls vom Verwaltungsausschuss des Jugendring Dortmund beschlossen wurde.
Das Projekt wurde im Angebot des Trägers SJD – „Die Falken“ im Rahmen einer Kooperationsvereinbarung mit den JuHu's Dortmund als „Lebenskunde“ an einer Förderschule in den Jahrgangsstufen 1 und 2 sowie 3 und 4 und ebenfalls an einer Hauptschule im Rahmen der verlässlichen Nachmittagsbetreuung für die 5. und 6. Klassen angeboten. Frau Andrea Hirsch wurde als Lehrerin für diese Angebote eingesetzt und darüber hinaus für mehrere schulinterne Veranstaltungen unentgeltlich zur Verfügung gestellt.
Am 24.10.2008 erreichte den „Humanistischen Verband NRW“, jedoch die Jugendorganisation JuHu's betreffend, ein Brief der Frau S., Schulleiterin einer Dortmunder Förderschule, ein Text in sehr ungewöhnlicher Diktion und eigentlich als unverschämt zu bezeichnen. Ebenfalls teilte die Schulleiterin Frau H. einer Dortmunder Hauptschule dem Projektleiter der „SJD-Die Falken“ telefonisch mit, ab sofort auf „Lebenskunde“ der Humanisten zu verzichten.
In beiden Fällen hat offensichtlich die Schulaufsicht in Arnsberg bei der jeweiligen Schulleitung interveniert.
Hintergrund ist: Der „Humanistische Verband NRW, Körperschaft des öffentlichen Rechts“, hat zu Beginn des Jahres 2006 einen Antrag auf Einführung von „Humanistischer Lebenskunde“ (Weltanschauungsunterricht) an öffentlichen Schulen in Nordrhein-Westfalen beim zuständigen Ministerium gestellt. Nach Ablehnung des Antrags durch das Ministerium wurde der Klageweg beschritten. In der Klageschrift des „Humanistischen Verbandes“ wurde auf die positiven Erfahrungen der JuHu's in Dortmund in der OG-Betreuung hingewiesen. In keiner Weise sollte damit aber intendiert werden, dass sich die jeweilige Schule für einen Lebenskundeunterricht ausspricht. Die Intention war vielmehr, auf eine vorhandene Akzeptanz und Erfahrung hinzuweisen.
Fakt ist nunmehr, dass, nachdem die Schulaufsicht die jeweiligen Schulleitungen dermaßen unter Druck gesetzt hat, an keiner der beiden Schulen „Lebenskunde“ angeboten werden darf, ungeachtet der freiwillig getroffenen Teilnahmeentscheidungen der Kinder und deren Eltern.
Unrühmlich ist das Verhalten beider Schulleitungen. Ohne in irgendeiner Form mit dem HVD NRW in Verbindung zu treten, wurde über den Träger der offenen Ganztagsbetreuung und verlässlichen Nachmittagsbetreuung – in diesem Fall die SJD „Die Falken“ – die Weiterführung von „Lebenskunde“ untersagt. Soweit bekannt ist, wurden die Entscheidungen einzig durch die Schulleiterinnen getroffen. Eltern und Schüler wurden über die Entscheidung nicht informiert.
Die Idee der Offenen Ganztagsschule und der damit einhergehenden Öffnung des Schullebens soll Grenzen abbauen oder jedenfalls öffnen, die das System Schule bislang auf Distanz zur Kinder- und Jugendhilfe, zu Verbänden und Vereinen und überhaupt zum Leben im Stadtbezirk hielt. Die in Dortmund gemachten Erfahrungen mit der Öffnung des Schullebens belegen, dass sich die Idee der Offenen Ganztagsschule in Trägerschaft freier Verbände konstruktiv und positiv umsetzen lässt.
Die Entscheidung, die JuHu's Dortmund von der Offenen Ganztagsbetreuung und der verlässlichen Nachmittagsbetreuung auszuschließen – durch Arnsberg im besonderen Maße gesteuert – legt den Verdacht nahe, dass freie Träger nach dem Wohlwollen der Schulaufsicht ausgewählt werden (siehe auch Stellungnahme des Jugendrings Dortmund).
Mit Datum vom 11.12.2008 wurde von der Landtagsabgeordneten Gerda Kieninger nun eine „Kleine Anfrage“, PDF im Anhang, an die Landesregierung NRW gestellt (Kleine Anfrage 2987; Drucksache 14/8120). Hierin sind auch beide Dortmunder Schulen namentlich genannt, die hier – unter Androhung von juristischen Schritten von Seiten der Schulleiterinnen – nicht angeführt werden dürfen.
Dieter Grützner