Notizen aus Frankreich

Frankreich, das Land mit dem niedrigsten Interesse an Religion.

Nach einer internationalen

Untersuchung in 20 Ländern für die kanadische Zeitschrift Macleans bejahen nur 23 % der Franzosen die These, dass die Religion wichtig ist für das tägliche Leben. Aber auch für die Briten und Japaner (24%) sowie die Deutschen (26%) hat sie kaum Bedeutung. An der Spitze stehen die Ägypter (96%) gefolgt durch die Südafrikaner (89%) Mexikaner (70%), die USA und Libanon (65%). <Originalartikel> (französisch)

 

Gründung eines Observatoriums für die Laizität

Vor der Versammlung der Bürgermeister Frankreichs hat Jacques Chirac für die nächsten Wochen die Gründung eines Observatoriums für die Laizität angekündigt. Ziel der Einrichtung ist es, das republikanische Prinzip der Laizität in den öffentlichen Einrichtungen besser respektieren zu lassen. Das Observatorium soll auch mit Vertretern der Kirchen besetzt werden. <Originalartikel> (französisch)

Keine Trennung von Staat und Kirche für französische Protestanten

In Metz findet erstmalig in Frankreich eine Ausstellung zu der Geschichte des französischen Protestantismus statt. In der umgebauten protestantischen Kirche will man das Wissen über die Hugenotten wieder auffrischen und beweisen, dass sie zu der französischen Spiritualität viel beigetragen haben. Obwohl nur noch 3 % der Einwohner der alten Hugenottenstadt protestantisch sind, wird die Ausstellung sehr stark besucht und es gibt noch 6 evangelische Prediger in der Stadt. Diese für Frankreich untypisch Situation wird bedingt durch das spezielle Rechtssystem in den Regionen der Mosel und des Elsass. Weil in der Zeit der Trennung von Kirche und Staat in Frankreich diese Landesteile deutsch waren, wurde die Trennung hier nie vollzogen: Der französische Staat zahlt hier die Pfarrer und subventioniert die Ausstellung. <Originalartikel> (niederländisch)

Asterix gegen den Papst

Im kleinen Städtchen Ploërmel, in der tiefsten Bretagne, demonstrierten etwa 600 Menschen gegen den Bau eines neun Meter hohen Monuments von Papst Johannes Paul II. Die Skulptur ist ein Geschenk des russischen Bildhauers Zurab Tsereteli, heutiger Vorsitzender der Akademie der bildenden Künste Russlands, an seinen Freund den Bürgermeister von Ploërmel. Das Geschenk wurde von Putin und dem russischen Patriarch Alexis begrüßt und der Bürgermeister ließ sofort einen öffentlichen Platz zu Johannes Paul Platz umbenennen. Dagegen, gegen die Kosten für den Steuerzahler und eine geplante Monstereinweihung protestieren die Anhänger der Laizität, da sie einen Verstoß gegen die Trennung von Kirche und Staat sehen. <Originalartikel> (französisch)

Rassistischer Internetangriff auf Entenleber

Ein Unternehmen aus der Region der Landes wird im Internet angegriffen, weil es die bekannte “foie gras“ auf moslemischer Art (halal) herstellt und verkauft. Dem Unternehmen wird vorgeworfen, damit die Islamisation Frankreichs zu unterstützen. <Originalartikel> (französisch):

Pater Anatrella falsch verdächtigt?

Der Sachverständige der Pariser Diözese für sexuelle Ethik und Berater des Vatikans, Tony Anatrella, hat nach Erscheinen von Presseberichten über sexuelle Missbrauchshandlungen des Paters wegen Diffamierung Klage gegen Unbekannt eingereicht. Zugleich wurde jedoch eine neue Klage gegen den Pater beim Staatsanwalt bekannt, wonach er 2001 während einer Therapiesitzung einen Studenten sexuell missbraucht haben soll. Die Taten sollten der Kirche bereits seit 2001 bekannt gewesen sein, ohne dass reagiert wurde. Aus der Umgebung des Paters wird behauptet, dass er Opfer einer Kampagne katholischer Schwule ist. Originalartikel <Le Monde> und <Liberation> (französisch)

Nationale Akademie der Medizin gegen das Recht auf Kenntnis der Elternschaft

Gegen eine Gesetzesnovellierung im Bereich der Spermienbanken und der Leihmutter hat die Nationale Medizinische Akademie Widerstand angekündigt. Die Gesetzesinitiative will die bis jetzt gesicherte Anonymität der jeweilig beteiligten Personen aufheben. In bestimmte Fällen (Junge Mädchen, Muslims etc.) könnte dies nach Ansicht der Akademie zu Gefährdung dieser Personen führen. <Originalartikel> (französisch)

Kondome zu 20 Cent landesweit verschenkt

Der Gesundheitsminister, Xavier Bertrand, hat angekündigt, dass die Operation “Kondome zu 20 Cent“ verallgemeinert wird und 10 Million von ihnen nun landesweit an Tabakkiosken bis hin zu Schulen verteilt werden sollen. <Originalartikel> (französisch)

Katholiken boykottieren TV-Kampagne für Hilfe an genetisch Kranken

2005 konnte die TV-Kampagne Téléthon 104 Millionen Euros für die Unterstützung der Untersuchungen zu genetischen Krankheiten und insbesondere zu Myopathie sammeln. Dieses Jahr droht das Ende, weil bedeutende katholische Persönlichkeiten ethische Bedenken angemeldet haben. Besonders der extrem konservative Erzbischof Vingt-Trois kritisiert Téléthon weil dadurch möglicherweise auch Untersuchungen mit menschlichen Embryos finanziert werden können. <Originalartikel> (französisch)

Eine Haarlocke von Pharao Ramses II im Internet

Auf der Internetseite des Verkaufshauses Vivastreet wurde die Locke von Ramses II zum Kauf angeboten – begleitet von 3 Photos und einem Echtheitszertifikat . Der Preis ist nach Vereinbarung, da der Verkäufer über mehrere Exemplare verfügte: Entsprechend der verlangte Größe der Locke ab etwa 2000 bis 2500 Euros. Zwar gelang dem Verkäufer – ein Postbeamter auf Rente aus dem Departement Isère – den Coup, aber zurzeit steht er unter Polizeikontrolle. Bei einer Durchsuchung fand die Polizei mehr als zehn kleine Plastiksäckchen mit Haaren. Und es ist möglich, dass sie wirklich von Ramses II stammen: die Mumie war 1977 für eine Röntgenuntersuchung nach Frankreich geschickt worden! <Originalartikel> (französisch)

Die Blogs revolutionieren den politischen Kampf

9 Stunden nachdem eine kontroverse Videoaufnahme von Ségolène Royale als Blog ins Internet erschien, hatten bereits etwa 900.000 Internauten dieses Video runter geladen und waren bei Google bereits 428 Bloghinweise verzeichnet. Die Entwicklung zeigt, wie heute eine Information legitimiert werden kann und dadurch politische Macht bekommt. Nicht mehr die Wahlzentralen der Parteien, sondern die politisch interessierten Bürger, bzw. die Basismilitanten bestimmen den politischen Diskurs. <Originalartikel> (französisch)

Le Pen Präsident?

Nach einer Umfrage des Instituts CSA erreicht Jean Marie Le Pen 6 Monate vor den Präsidentschaftswahlen einen Stimmenanteil von 17 % (2001: 9%) und dies vor allem bei den Arbeitslosen und den Rentnern. 68 % der Franzosen möchten, dass er sich als Kandidat stellen kann (mindestens 500 Unterschriften von gewählten Politikern). Die Frauen sind dabei restriktiver, da sie nur mit 56 % für Le Pens Zulassung sind und nur 14 % von ihnen ihn tatsächlich wählen wurden. <Originalartikel> (französisch)

Katholische Vorschläge an die Präsidentschaftskandidaten

Die katholische Vereinigung „Semaines Sociales“ unter Leitung des früheren IWF-Vorsitzende Camdessus hat den Präsidentschaftskandidaten eine Liste mit 12 Vorschlägen für eine gerechtere Gesellschaft überreicht. Sie umfassen u.a. die Situation der diskriminierten Jugendliche, die Gehälter der Manager großer Unternehmen, die Lebensbedingungen in den sozialen Ghettos, die Obdachlosigkeit, die Immigration, die Staatsverschuldung etc. Weitere <Informationen> / Originalartikel <Le Monde> und <Liberation> (französisch)

Gestresste Pfarrer

Nach einer Untersuchung des Apsecc unter 1.200 französischen Pfarrern sind die meisten Geistlichen sehr gestresst bis hin zu deprimiert. Durch die erbitterte Schlacht zur Verteidigung der letzten kirchlichen Territorien wird das geistliche Leben sehr oberflächlich und verschwindet jede freie Zeit. Sollte sich, wie geschätzt, in den nächsten 10 Jahren die Zahl der Pfarrer um das dreifache vermindern, ist diese Situation nicht mehr haltbar. Es gilt, die Seelsorge in der Zukunft mehr kollektiv als Solidaritätsgemeinschaft aller Pfarrer zu gewährleisten. Die Pfarrer selbst fordern eine sechste Urlaubswoche, jede sechste Woche ein freies Wochenende und die 35 Stunden Woche. Originalartikel <Rorate> und <La Croix> (französisch)

Freiheit oder Autorität?

Die 300 Leiterinnen der französischen katholischen Kongregationen tagten Mitte November in Lourdes zum Thema „Freiheit und Autorität im religiösen Leben“. Als Hauptproblem stellte sich heraus, dass der Freiheitsbegriff angesichts der autoritären und detaillierten Verhaltensregel der Kirche schwer zu fassen ist. Die religiöse Freiheit ist trotzdem grenzenlos, weil offen zu jedem Gespräch mit Jesus und Gott. Gehorsamkeit ist zwar nötig, aber immer unter Berücksichtigung des individuellen Gewissens. Schwester Christiane, Oberin der Jesustöchter von Kermaria, formulierte es wie folgt: die religiösen Leiter sind zwar Schwestern aber keine Kumpelinnen. <Originalartikel> (französisch)

Christus in Afrika

Organisiert durch die "École pratique des hautes études“ fand in Paris ein Seminar zur Rolle der afrikanischen katholischen Priester statt. Vor 50 Jahren erschien das Buch „Schwarze Priester im Gespräch“ in dem zum ersten Mal die Notwendigkeit einer eigenständigen schwarzen Mission vertreten wurde. Im Laufe der Entwicklung wurde erkannt, dass die Anpassung der christlichen Liturgie an die afrikanischen Gebräuche, die Gestaltung eines authentischen afrikanischen Christentums (heute mehr als kulturelle Integration verstanden) eine wichtige Rolle für die Mission spielt. Angesichts der Expansion des Islams sei die Verfeinerung dieser Bewegung eine dringende Notwendigkeit. <Originalartikel> (französisch)

Aufruf zu einem internationalen Treffen der Laizität

In allen Ländern, wo die Laizität besteht, wird sie durch Integralisten und Deregulierer aller Couleur und Religionen bedroht. Die Laizität und die Trennung von Kirche und Staat ist ein universelles Prinzip des menschlichen Fortschritts und wird heute vor allem durch den fundamentalistischen Islam als Kind des ausufernden Neoliberalismus angegriffen. Aus diesem Grunde ruft ein Initiativkomitee auf zu einem internationalen Treffen am 10. und 11.02.07 in Paris. <Originalartikel> (französisch):

Warum rasierst Du deinen Bart nicht ab?

Diese und einige andere seltsame Fragen wurden 71 Arbeiter der Pariser Flughafen Charles de Gaule vor Gericht gestellt, nachdem sie wegen ihrer moslemischen Religion als eine Gefahr für die Sicherheit gekündigt worden waren. Nur 4 von ihnen konnten nach der Entscheidung des Verwaltungsgerichts von Cergy Pontoise ihre Arbeit wieder aufnehmen. <Originalartikel> (französisch)

Rudy Mondelaers