(hpd) Die Islam- und Politikwissenschaftlerin Khadija Katja Wöhler-Khalfallah liefert in ihrem Buch „Islamischer Fundamentalismus. Von der Urgemeinde bis zur Deutschen Islamkonferenz" einen beachtenswerten, informativen und sachlichen Überblick zum Thema. Die stark beschreibend orientierte Darstellung hätte hier und da aber noch stärker analytisch ausgerichtet sein können.
Wer den Islamismus der Gegenwart in seiner gewalttätigen wie reformorientierten Ausrichtung verstehen will, muss sich auch mit dem von ihm idealisierten Bild der muslimischen Urgemeinde auseinandersetzen. Nahezu alle Ideologen dieses politischen Lagers sehen darin ihr Bild von der Idealgesellschaft. So kann man wenigstens über diesen Umweg ansatzweise ermitteln, was die Anhänger eines islamischen Gottesstaates eigentlich mit ihrer diffusen Parole „Der Islam ist die Lösung" meinen. Diese Perspektive wählt auch die Islam- und Politikwissenschaftlerin Khadija Katja Wöhler-Khalfallah, die zuvor schon eine beachtenswerte vergleichende Arbeit zum islamischen Fundamentalismus in Algerien und Tunesien vorgelegt hatte, in ihrem neuesten Buch „Islamischer Fundamentalismus. Von der Urgemeinde bis zur Deutschen Islamkonferenz". Wie der Haupt- und Untertitel nahe legt, versteht sich das Werk als eine Art Gesamtdarstellung zum Thema, die mit einem stark ideengeschichtlich orientierten Ansatz verbunden ist.
Zunächst geht die Autorin auf die Frühgeschichte des Islam ein, wobei das Wirken Muhammads und der frühen Kalifate im Zentrum stehen. Dem folgend widmet sich Wöhler-Khalfallah dem Aufkommen des modernen Fundamentalismus: Dieser wird auf die ideologische und politische Allianz von Abd al-Wahab und dem Hause Saud im 18. Jahrhundert zurückgeführt. Die Muslimbruderschaft und die militanten Fundamentalisten in Ägypten von den 1920er Jahren bis zu Beginn der 1980er Jahre stehen danach im Zentrum. Dem schließt sich eine Betrachtung zur Globalisierung des Dschihadismus von Asien aus mit Ausführungen zum Afghanistan-Konflikt und dem Aufkommen von Al-Quaida an. Außerdem liefert das Buch noch einen Überblick zu den Einflusssphären des islamischen Fundamentalismus in Deutschland. Und schließlich nimmt die Autorin noch eine bilanzierende Betrachtung und Einschätzung zum gegenwärtigen Stand der Entwicklung des islamischen Fundamentalismus vor.
Insgesamt handelt es sich um eine gut lesbare und strukturierte Arbeit, die sowohl als Einführung wie als Nachschlagewerk genutzt werden kann. Manche der darin behandelten Themen fanden in der bisherigen deutschsprachigen Literatur noch keine so große Aufmerksamkeit. Hierzu gehören vor allem die Ausführungen zur Entstehung des Wahhabismus, der die Staatsideologie Saudi Arabiens darstellt, und dem Wirken der Muslimbruderschaft, die als Mutterorganisation vieler Islamistengruppen gelten kann. Leider bleibt die Darstellung aber auch über weite Strecken einer stark beschreibenden Perspektive verhaftet. So wird etwa der zentrale Arbeitsbegriff „islamischer Fundamentalismus" nicht definiert und von ähnlichen Phänomenen abgegrenzt. Analytisch wichtige Aspekte wie zum Beispiel die strukturellen Schwächen der frühen Kalifate finden sich nur in der historische Beschreibung dargestellt, nicht aber allgemein herausanalysiert. Gleichwohl liefert der Band einen beachtenswerten, informativen und sachlichen Überblick zum Thema.
Armin Pfahl-Traughber
Khadija Katja Wöhler-Khalfallah, Islamischer Fundamentalismus. Von der Urgemeinde bis zur deutschen Islamkonferenz, Berlin 2009 (Verlag Hans Schiler), 300 S., 32 €