Beiträge zu Atheismus und Religionskritik

(hpd) Der Philosoph Herbert Schnädelbach machte mit seinem Essay „Der Fluch des Christentums. Die sieben Geburtsfehler einer altgewordenen Weltreligion“ im Jahr 2000 auf sich als Religionskritiker aufmerksam. Der Band „Religion in der modernen Welt“ versammelt seine Beiträge zu Glaube und Religion aus den Jahren 2000 bis 2008 und lässt einen überaus differenziert argumentierenden Religionskritiker erkennen.

 

Im Jahr 2000 erschien in der Wochenzeitung „Die Zeit“ der Artikel „Der Fluch des Christentums. Die sieben Geburtsfehler einer alt gewordenen Weltreligion“ aus der Feder des Frankfurter Philosophen Herbert Schnädelbach. Darin setzte er sich kritisch mit Begleiterscheinungen wie Antijudaismus, Erbsünde, Eschatologie oder Missionsbefehl auseinander, welche als Grundlagen und nicht als Verfallserscheinungen dieser Religion gedeutet wurden. Eine solche Sicht löste heftigen Unmut unter Gläubigen und eine damit zusammenhängende emotionale Debatte in der Öffentlichkeit aus. Dadurch wurde Schnädelbach, wie er selbst schreibt, „in die Rolle eines ernstzunehmenden Religionskritikers gedrängt, die auszufüllen ich gar nicht beabsichtigt hatte“ (S. 7). So sieht er es jedenfalls im Vorwort seines neuesten Buchs, das unter dem wenig aussagekräftigen Titel „Religion in der modernen Welt“ erschien und seine Beiträge zum Themenkomplex Glauben und Religion aus den Jahren 2000 bis 2008 in Form eines Sammelbandes enthält.

In den 13 Texten des Bandes geht es um unterschiedliche Schwerpunkte: Zunächst erörtert Schnädelbach das Verhältnis von Aufklärung und Religionskritik und das Verhältnis von Religion und Vernunft. Dem folgt eine Auseinandersetzung mit der Kritik an atheistischen Grundpositionen und mit den neuen Begründungsversuchen für eine Gottesexistenz. Das besonders Fromme an den Atheisten, die Politische Theologie im Sinne Carl Schmitts und der Ort der Existenz Gottes stehen danach im Zentrum der Erörterung. Diesen Ausführungen schließen sich Betrachtungen zur angeblichen Wiederkehr der Religionen und der Gesellschaft jenseits des Christentums an, könne doch nur von einem stärkeren Bedürfnis nach Glauben, aber nicht von einer höheren Bedeutung ausgegangen werden. Und schließlich geht der Autor vor dem Wiederabdruck des einleitend erwähnten Beitrags nach Ausführungen zur gesellschaftlichen Bedeutung der Religion und ihrem Stellenwert für Erziehungsfragen noch auf die Debatte zwischen Joseph Ratzinger und Jürgen Habermas ein.

Angesichts dieser Themenvielfalt lässt sich keine bilanzierende Position des Autors ermitteln. Gleichwohl gibt Schnädelbach sich in den Texten als „ein nachdenklicher, irreligiöser Sympathisant der Religion“ (S. 9) zu erkennen. Seine Kritik zielt insbesondere gegen die auch von Vertretern der Kirche und der Theologie nur noch bemühte Funktionalisierung und Instrumentalisierung des Religiösen, dem unabhängig von der Frage der Richtigkeit nur noch der Nutzen als sozialer „Kitt“ über kulturelle Identität zugewiesen werde. „Diese Instrumentalisierung des Religiösen bezeugt meist nur den faktischen Unglauben derer, die die Religion so verteidigen, denn da ist nur selten vom eigenen Glauben die Rede“ (S. 76). Und weiter bemerkt der Anhänger der Parole „Lieber keine Religion!“ (vgl. S. 139) dazu: „Das aber hat vor allem das Christentum nicht verdient, denn in das, was wir in dieser Tradition heute noch vorfinden, ist jahrhundertelanges Nachdenken mit höchster intellektueller Energie und selbstkritischem Wahrheitsanspruch eingegangen, wodurch hier die Theologie selbst zu einem Motor der abendländischen Aufklärung wurde“ (S. 9).

Schnädelbachs kritische Ausführungen machen deutlich, dass eine klare Ablehnung des Christentums keineswegs mit pauschalen Verdammungen einhergehen muss. So bemerkt der Autor etwa in Richtung der Dawkins-Anhänger: „Dieser konfessionelle Atheismus mit seiner naturwissenschaftlich verpackten Propaganda hat es in unseren Tagen auf die Bestseller-Listen geschafft, und man fühlt sich ins 19. Jahrhundert zurückversetzt“ (S. 53). Insgesamt argumentiert Schnädelbach weitaus differenzierter und ruhiger, setzt er doch stärker auf das bessere Argument und weniger auf die zugespitzte Polemik. Dies macht sich auch und gerade bei der Auseinandersetzung mit den unterschiedlichen Varianten moderner Atheismuskritik oder bei den Einwänden gegen neue Gottesbeweise von Volker Gerhardt oder Robert Spaemann positiv bemerkbar. Auch wenn der Buch aufgrund seines Sammelband-Charakters etwas fragmentarisch wirkt, enthält es doch beachtenswerte und diskussionswürdige Beiträge zu atheistischem Selbstverständnis und intellektueller Religionskritik.

Armin Pfahl-Traughber

Herbert Schnädelbach, Religion in der modernen Welt, Frankfurt/M. 2009 (S. Fischer-Verlag), 191 S., 12,95 €