Der Mensch in seiner Verantwortung

(hpd) Der Biowissenschaftler Franz M. Wuketits argumentiert in seinem neuen Buch „Darwins Kosmos. Sinnvolles Leben in einer sinnlosen Welt“ gegen die teleologische Auffassung, wonach das Leben in der Natur Folge eines vorgegebenen Plans oder Sinns sei.

Dem gegenüber stellt er anschaulich geschrieben und überzeugend argumentierend sein Plädoyer für einen neuen Individualismus, wonach der Mensch auch auf Basis des Evolutionsdenkens seine Moralvorstellungen selbstbestimmt entwickeln müsse.

 
Gibt es einen Sinn in der Geschichte? Nein, antwortete der Erkenntnistheoretiker und Sozialphilosoph Karl R. Popper. Die Geschichte enthält den Sinn, den ihr die Menschen mit ihren Handlungen geben! Gibt es einen Sinn in der Natur? Nein, antwortet der Biowissenschaftler und Evolutionstheoretiker Franz M. Wuketits in seinem neuen Buch „Darwins Kosmos. Sinnvolles Leben in einer sinnlosen Welt“. Es will nach den Worten des Autors „nicht nur deutlich machen, dass aus evolutionstheoretischer Perspektive die Annahme eines Weltenzwecks oder vorgegebenen Plans in der Natur unhaltbar ist, sondern auch davon überzeugen, dass der aufgeklärte, mündige Mensch auf der Suche nach dem Sinn seines eigenen Lebens dieser Annahme nicht bedarf“ (S. 10). Damit wird unter Berufung auf die Evolutionstheorie von Charles Darwin und deren Fortentwicklung gegen die Idee der Teleologie argumentiert, wonach der historischen Entwicklung des Universums ein übergeordneter Plan zugrunde liege.

Wuketits entwickelt seine entsprechende Argumentation in sechs Kapiteln: Zunächst beschreibt er die „Ordnung des Lebens“ in der Natur, welche das Bestehen eines feststehenden Planes nahe legt. Dem wird dann die Evolutionstheorie als weitaus überzeugendere Erklärung für die Entwicklung und Wandlung des „Lebens und Sterbens“ in der Natur entgegengestellt. Dies sei „alles nur Zufall“, welcher aber durch die im Rahmen der Evolution wirkende natürliche Auslese sehr wohl auch Gesetzmäßigkeiten unterworfen sei. Danach wendet sich der Autor gegen die Auffassung von der geplanten Entstehung des Lebens, lasse sich doch in der Natur mehr ein „Unintelligent Design“ auch und gerade angesichts des menschlichen Wirkens ausmachen. Eine gegenteilige Auffassung zu „Sinn, Gesellschaft und Moral“ gilt ihm als Position von Moralisten, die nichts mit der Wissenschaft zu tun hätte. Dem stellt der Autor in Verbindung mit einem Plädoyer für individuelle Sinnstiftung „Darwins Kosmos: Sinnvolles Leben in einer sinnlosen Welt“ entgegen.

„Werte und Normen sind nirgends vorgegeben"

Die zentralen Auffassungen von Wuketits in dessen eigenen Worten: „Werte und Normen sind nirgends vorgegeben, wir müssen sie uns selbst erfinden. Moral fiel nicht vom Himmel, sie ist das Ergebnis unserer Evolution als soziales Lebewesen, entsprungen der Notwendigkeit, die Interaktion zwischen Individuen im Interesse ihres eigenen Überlebens und des Überlebens der Gruppe zu regeln“ (S. 116). Es gebe „keinen Plan, keine Absicht und keinen vorgegebenen Sinn in unserer Welt ...“ Und: „Der Glaube an ein intelligent design dient letztlich nur der Durchsetzung moralischer Absolutheitsansprüche und politischer Macht ...“ (S. 119). Demnach postuliert Wuketits auch: „Es kann nicht Aufgabe der Evolutionstheorie sein, uns einen Lebenssinn zu vermitteln, weil sie Prozesse erklärt, die keinen Plan und keine Absicht erkennen lassen.“ Und im Sinne seines „Plädoyer für einen neuen Individualismus bemerkt er: „Die Suche nach Sinn, der wir uns als nachdenkende Spezies nicht entziehen können, liegt in unserer eigenen Verantwortung“ (S. 128).

Wuketits wendet sich mit seinem Buch gegen eine auch heute noch weit verbreitete Auffassung, welche im gesellschaftlichen, individuellen und natürlichen Leben die Folge eines vorgegebenen Plans oder Sinns sieht. Doch mit der Orientierung am Vorgegebenen nimmt man ihm die Verantwortung für eigene Entscheidung. So kann auch folgenden Forderung zugestimmt werden: „ ... es bleibt noch manches an Gedankenmüll wegzuräumen, um die Idee durchzusetzen, dass Sinnstiftung und Sinngebung ausnahmslos Angelegenheiten des Individuums sind ...“ (S. 113). Mit dieser Perspektive rückt der Autor in einem aufklärerischen Sinne das Individuum und seine Potentiale ins Zentrum der Betrachtung. Dies geschieht bei Wuketits in bekannter Manier und Qualität, anschaulich geschrieben und überzeugend argumentiert. Mitunter hätte man sich noch eine stärkere Thematisierung gesellschaftlicher und politischer Gesichtspunkte gewünscht, aber dies ist sicherlich auch nicht die primäre Aufgabe eines Biowissenschaftlers.

Armin Pfahl-Traughber

 

Franz M. Wuketitis, Darwins Kosmos. Sinnvolles Leben in einer sinnlosen Welt, Aschaffenburg 2009 (Alibri-Verlag), 162 S., 14 €

Das Buch ist auch im denkladen erhältlich