(hpd) Die Medienwissenschaftlerin Sabine Schiffler und der Religionswissenschaftler Constantin Wagner wollen mit ihrem Buch „Antisemitismus und Islamophobie – ein Vergleich“ eine Studie zu einer aktuellen Debatte um Islamfeindschaft, Islamkritik und Islamophobie vorlegen. So interessant manche Beispiele und Reflexionen sind, so enttäuscht die Arbeit doch aufgrund ihrer unsystematischen Anlage.
Kann man Antisemitismus und Islamophobie als ähnliche oder gleiche Phänomene verstehen? Sind die Muslime die Juden der Gegenwart? Oder verbieten sich solche Betrachtungen? Über diese Fragen wird in Öffentlichkeit und Wissenschaft mehr emotional denn sachlich gestritten. Um so interessierter greift man da zu einer Buchveröffentlichung mit dem Titel „Antisemitismus und Islamophobie – ein Vergleich“, die von der Medienwissenschaftlerin Sabine Schiffer und dem Religionswissenschaftler Constatin Wagner vorgelegt wurde. Darin wollen die Autoren ausgehend vom antisemitischen Diskurs „den aktuellen Diskurs über Islam und Muslime untersuchen, um zu prüfen, inwiefern islamfeindliche Muster vergleichbar beziehungsweise unterschiedlich sind“ (S. 14). Hierbei sollen die Diskursverläufe im Vordergrund der Betrachtungen stehen. Gleichzeitig wollen Schiffer und Wagner auf andere diskriminierende Diskurse aufmerksam machen, um sie hinsichtlich der Reproduktion von rassistischen Denkmustern zu untersuchen.
Ihre Arbeit gliedert sich neben Einleitung und Schlusswort in drei große Teile: Zunächst geht es um den „lange kultivierten Antisemitismus und seine Folgen“ (S. 15ff.), wobei die Judenfeindschaft als besonderes Beispiel eines rassistischen Diskursmusters hinsichtlich der darin enthaltenen Begründungsformen untersucht wird. Dem folgen nähere Ausführungen zur „Islamfeindlichkeit und ihrer Plausibilität“ (S. 69ff.), die sich auch der Rolle von bestimmten Publizisten und der Projektion von Ängsten ausführlich widmen. Beide Kapitel thematisieren auch einheitlich Konstanz und Varianz, Assimilationsforderungen und Verschwörungstheorien, Projektionen und Sprachbilder. Und schließlich geht es noch bilanzierend und vergleichend um „Spiegelungen, Übernahmen, Verschiebungen“ (S. 167ff.), wobei einschlägige Assoziationsketten im öffentlichen Diskurs am Beispiel des Nahostkonflikts angesprochen werden. Insbesondere die überaus aktive islamfeindliche Internet-Szene findet dabei größere Aufmerksamkeit.
Bilanzierend kommen Schiffer und Wagner in eigenen Worten zu folgenden Einschätzungen hinsichtlich eines Vergleichs von Antisemitismus und Islamophobie: „Während viele Diskursbeispiele belegen, dass Antisemitismus und Islamfeindlichkeit sich nicht ablösen, sondern ergänzen, ist von einer in Teilen vergleichbaren Diskriminierungserfahrung der betroffenen Juden und Muslime auszugehen. Antisemitismus und Islamfeindlichkeit unterscheiden sich jedoch in einigen wichtigen Grundlagen: Sowohl Hass als auch die Vernichtung der Juden basierte auf ihrer Ablehnung ‚als Juden’ – wenn auch ganz andere Interessen nicht ausgeschlossen werden können. Wenn Muslime Opfer von Diskriminierung, Unterdrückung und kriegerischer Gewalt sind, werden sie weniger ‚als Muslime’ verfolgt, sondern die antiislamische Argumentation dient vielmehr als Mittel zum Zweck der Rechtfertigung von Krieg und Gewalt in Gegenden, die anderweitig von großem Nutzen sind beispielsweise als Rohstofflieferant oder geostrategisch relevanter Ort“ (S. 71f.).
Wer einen Vergleich vornehmen will muss nach entwickelten formalen und inhaltlichen Kriterien systematisch nach Gemeinsamkeiten und Unterschieden fragen. Dies geschieht in dem vorliegenden Band nicht: Zwar bietet er immer wieder Material für eine solche Analyse und er deutet auch Reflexionen an. Aber eine wirklich komparative Erörterung enthält er nicht. Diese analytische Schwäche lässt sich auch an einem formalen Gesichtspunkt ausmachen: Über weite Strecken enthalten die Kapitel keine Absätze. Absätze dienen aber dazu, inhaltliche Gesichtspunkte auch optisch voneinander zu trennen. Genau damit tun sich die Autoren schwer, listen sie doch häufig nur Beschreibungen und Kommentare ohne klare Systematisierung auf. Zweifellos verdienen diese Interesse und Reflexionen! Ärgerlich ist darüber hinaus, dass keine differenzierte Unterscheidung von Islamkritik und Islamophobie erfolgt. So werfen die Autoren denn auch als Propagandisten von Letzterem „Feministinnen, christliche Fundamentalisten, Humanisten“ (S. 124) gleichzeitig in einen Topf.
Armin Pfahl-Traughber
Sabine Schiffer/Constantin Wagner, Antisemitismus und Islamophobie – ein Vergleich, Wassertrüdingen 2009 (HWK Verlag), 260 S., 24,80 €