NPD-Aufmärsche Friedberg und Nidda verhindert

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Foto: privat

FRIEDBERG. (hpd) Am Samstag wollte die NPD in Friedberg „Gegen Islamisierung und Überfremdung“ demonstrieren. Doch daraus wurde nichts: Über 1.000 Menschen kamen zur Gegenkundgebung und 300 Leute blockierten die vorgesehene Route. Der Polizei war der antifaschistische Protest nicht geheuer: Sie filmte die gesamte Veranstaltung vom Dekanatsgebäude.

Seit einiger Zeit versucht die NPD Stimmen zu fangen, indem sie vor einer „Islamisierung unserer Heimat“ warnt. Im sächsischen Landtag etwa versuchte die Fraktion unlängst die Ermittlungen gegen den als fundamentalistisch geltenden Prediger Hassan Dabbagh für ihre Zwecke auszuschlachten. Am vergangenen Samstag wollte die Partei in Friedberg (Hessen) und Nidda Aufmärsche durchführen. Dass es dabei nicht um Religionskritik gehen würde, machte bereits das Motto deutlich. Denn die „Nationalen“ sehen im Islam in erster Linie eine Religion „kulturfremder“ Ausländer, im Begriff „Überfremdung“ spiegelt sich unverhohlene Ausländerfeindlichkeit.

In Friedberg hatte sich schnell nach Bekanntwerden der NPD-Pläne ein breites Bündnis zusammengefunden, das sich zum Ziel setzte, die faschistische Demonstration zu verhindern. Wer am Samstag vor Ort war, konnte wirklich den Eindruck gewinnen, dass sich die ganze Stadt quer stellte; Menschen aus unterschiedlichen Schichten und politischen Lagern hatten sich auf dem Bahnhofsvorplatz versammelt, um ein gemeinsames Ziel zu erreichen: Die NPD aus ihrer Stadt fernzuhalten. Selbst Friedbergs Bürgermeister Michael Keller (SPD) war anwesend und hielt die erste Rede der Kundgebung.

Kurz nach 11 Uhr kamen rund 150 NPD-Anhänger mit einem Sonderzug am Bahnhof an. Daraufhin wurde das Programm unterbrochen und die Kundgebungsteilnehmer begaben sich an die Absperrung, um lautstark kundzutun, dass die Faschisten in Friedberg unerwünscht sind. Dadurch fielen einige geplante Redebeiträge aus, darunter auch der von hpd-Redakteur Gunnar Schedel, der für die Deutsche Friedensgesellschaft-Vereinigte Kriegsdienstgegner (DFG-VK) sprechen sollte. (Der Text ist im Anhang dokumentiert.) Nach längeren Kontrollen setzte sich der NPD-Tross in Bewegung – kam jedoch nicht weit, weil über 300 Menschen die vorgesehene Route blockierten. Nach etwas mehr als drei Stunden Sonnenbad zogen die Faschisten unverrichteter Dinge wieder ab.

Auch in Nidda gelang es durch eine Blockade des Bahnhofsplatzes, den rechtsextremen Aufmarsch zu verhindern. Dass im benachbarten Ranstadt am späten Nachmittag dann doch noch eine Spontan-Demonstration der NPD stattfand, empfanden viele als Wermutstropfen. Doch überwog bei den Organisatoren die Freude darüber, dass es gelungen war, so viele Menschen für „Toleranz, Gleichberechtigung und Religionsfreiheit“ zu mobilisieren.

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Dekanatsgebäude, von dem gefilmt wurde Eine ausgesprochen fragwürdige Rolle spielte an diesem Tag die evangelische Kirche. Einerseits unterstützte das Dekanat Wetterau die Gegenkundgebung (ebenso wie die katholischen Kollegen), Pfarrer eröffneten die Gegenveranstaltung mit einem politischen Gebet und am kirchlichen Erasmus-Alberus-Haus hing ein riesiges Transparent mit der Aufschrift „Faschismus ist keine Meinung sondern ein Verbrechen“. Andererseits wurde die Gegenkundgebung, nach hpd vorliegenden Informationen, vom Dach des am Bahnhofsvorplatz gelegenen Erasmus-Alberus-Hauses aus von der Polizei abgefilmt. Dem Vernehmen nach soll mangelhafte Abstimmung zwischen verschiedenen kirchlichen Stellen dafür verantwortlich sein. Eine Anfrage des Verfassungsschutzes war offenbar noch abschlägig beschieden worden (die für ihre „teilnehmende Beobachtung“ der NPD bekannte Organisation filmte dann vom Dach der Fachhochschule).

Ebenso ambivalent ist das Vorgehen der Polizei einzuschätzen. Positiv ist zu vermerken, dass die Einsatzleitung die Verhältnismäßigkeit wahrte und sich den Aufforderungen der NPD widersetzte, den vorgesehenen Demonstrationsweg freizuräumen – was kaum ohne den Einsatz massiver Gewalt möglich gewesen wäre. Andererseits müssen die obsessive Filmleidenschaft der Polizei ebenso wie die schikanösen Vorkontrollen mit dem Begriff „Überwachungsstaat“ beschrieben werden. Die Staatsgewalt signalisierte unmissverständlich, dass als Feind und potentieller Verbrecher betrachtet wird, wer sein im Grundgesetz verankertes Demonstrationsrecht in Anspruch nimmt. In Friedberg standen sogar Taschenmesser auf der Liste der Gegenstände, die nicht zu einer Demonstration mitgenommen werden dürfen, und selbst einer der Redner durfte den Ort der Kundgebung nicht mit Halstuch betreten, weil ein möglicher Verstoß gegen das Vermummungsverbot befürchtet wurde. Über dem Bahnhofsvorplatz kreiste immer wieder ein Polizeihubschrauber. Um angesichts einer völlig friedlichen Kundgebung die überzogenen Maßnahmen gegenüber der Öffentlichkeit zu rechtfertigen, entblödete sich die Polizei nicht, über die Presse verbreiten zu lassen, ein Beamter hätte durch den Wurf einer etwa zehn Gramm schweren Trillerpfeife eine „Schnittverletzung“ erlitten.

Am Ende des Tages zählte für Friedberg jedoch vor allem eines: Die NPD konnte ihre Propaganda in der Stadt nicht wie geplant verbreiten.

Martin Bauer