Evangelikale und die Medien

Finanziell gut ausgestattet

Über finanzielle Probleme muss sich die evangelikale Szene offenbar keine Sorgen machen; die Spendenbereitschaft der Mitglieder ist sehr hoch. So deckt Bibel-TV seinen Etat zu 70% aus Spenden. Eine finanzielle Abhängigkeit von staatlichen Zuwendungen besteht nicht.
In einem anderen Punkt hingegen verhalten sich die Evangelikalen traditionell: ihre Propagandabemühungen ergänzen sie durch ein zielgerichtetes und aggressives Vorgehen gegen jede Form kritischer oder auch nur unabhängiger Berichterstattung. Mittlerweile werden Workshops fürs Leserbriefschreiben angeboten, über Internetforen werden Protestwellen initiiert.

Lammers schilderte den Fall der Schülerzeitung Q-Rage, die heftig angegriffen wurde, weil in einem Beitrag über das Christival auch eine kritische Stimme zu Wort kam. Die jugendlichen Redakteure sahen sich nicht nur verbalen Attacken ausgesetzt, sondern mussten auch hinnehmen, dass ihre Privatanschrift im Internet veröffentlicht wurde. Diese Kampagne war übrigens erfolgreich: die Bundeszentrale für politische Bildung, die das Projekt Q-Rage unterstützt, knickte ein und gab gewissermaßen als „Entschädigung“ zwei affirmative Publikationen zur evangelikalen Szene heraus. Auch das Politmagazin Frontal21, das über evangelikale Missionare in islamischen Ländern berichtet hatte, geriet ins Visier; ebenso die NDR-Journalisten Oda Lambrecht und Christian Baars aufgrund ihres im Frühjahr erschienenen kritischen Buches.

Anstehende Auseinandersetzungen

Eine Gefahr sieht der MIZ-Chefredakteur darin, dass gerade Menschen in prekären Situationen angesprochen werden. Indem sie in deren soziale Lebenswelten eindringen, eröffnen sich die Evangelikalen ein großes Rekrutierungsfeld, „denn bei der aktuellen Situation wird es immer mehr Menschen in einer sozial verzweifelten Situation geben“. Da diesen Menschen einfache Antworten auf nicht so einfache Fragen geboten werden, die sie kaum in die Lage setzen, ihre soziale Situation zu ändern, kann aus der anhaltenden Frustration ein Gewaltpotential erwachsen, das sich dann gegen jene entladen könnte, die als die „Bösen“ identifiziert werden.

Lammers führte als Beispiel die Diskussion in einem Chatroom an: Nach einem Vortrag wurde dort diskutiert, wie auf die ungeheuerlichen Behauptungen des Referenten reagiert werden könne. Einige der Teilnehmer meinten, das Jüngste Gericht werde das schon regeln; (Das „Verbrechen“ des Vortragenden bestand übrigens darin, dass er die Auffassung vertreten hatte, das Leben auf der Erde sei in einem Prozess der Evolution entstanden.)

In der anschließenden Diskussion stand im Vordergrund, wie der IBKA die Auseinandersetzung mit den Evangelikalen führen sollte. Insbesondere die Frage nach der Definition von Weltanschauungsfreiheit wurde angesprochen. Deutlich wurde auch, dass dem Phänomen mit den im Kampf für eine Trennung von Staat und Kirche bewährten Instrumenten nicht beizukommen ist, sondern dass hier ein gesellschaftspolitischer Ansatz erfolgversprechender erscheint.

Martin Bauer