(hpd) Ralf Königs zweiter Teil der „Bibel-Trilogie“ liegt vor: Archetyp. Schon der Titel, „Archetyp“, nach „Prototyp“ Adam, ist genial gewählt. Archetyp ist die Geschichte Noahs, frei nach Ralf König.
Außerdem gibt die Ludwiggalerie Schloss Oberhausen anlässlich der ersten Ausstellung von Königs Gesamtwerk einen lesenswerten Katalog zu derselben heraus.
Archetyps recht edler, blauer Einband könnte seine Farbe wegen des ganzen Wassers, um das es ja bei der Sintflut gehen wird, erhalten haben. Vorne, als Krone der Schöpfung, Noah, gar nicht so freundlich, auf einem Berg von Tieren. Auf der Rückseite der Hinweis, das Buch gehöre in jeden Haushalt!
Ungewöhnlich, nach dem Aufschlagen erscheint es grün und direkt danach geht es in medias res: Huch, die Geschichte fängt schon an! „Leer war die Welt und ohne Sinn, drum ist im ersten Bild nichts drin.“ Ja, er reimt sich aus dem Off. In einem Prolog, zusammengerafft, steht geschrieben und gemalt die blblische Geschichte der Erschaffung der Welt: Adam, Eva, Kain und „boff!“, der erschlag’ne Abel, ein kurzer Sprung (war ja nur eine Frau da...), und wir sind bei Noah, wie wir ihn kennen. Alles irgendwie harmonisch und nicht betroffen, wenn „ringsherum die Welt ersoffen“. Doch was, wenn sich das Ganze anders zugetragen?
Also dann, ab Seite 29 erst, geht es richtig los mit dem Archetyp. Luz taucht auf, die altbekannte Schlange aus dem Prototyp, nebst Gott, der damals „vielleicht“ „etwas überreagiert“ hat, denn schließlich hat die Erschaffung der Welt seine Nerven strapaziert, und mittlerweile erscheint er als gemütliche, ziemlich coole Type. Aber Noah, mit einem Bart, der fusselig und dunkel! Der nervt! Der nach eigenem Bekunden einzige Mensch, der „fromm und ohne Tadel“: ein religiöser Eiferer. Bitterbös. Mit dem Warnschild in der Hand steht er mal in Sodom, mal in Gomorrha – am liebsten im Rotlichtviertel – herum und verkündet, das Ende sei nah. Er ist es nun, der den Weltuntergang von Gott verlangt. Dieser willigt ein, um Noah irgendwie vom Hals zu kriegen und überlegt dann, wie er dieses Problem lösen soll. Die Geschichte der Arche und des Typs löst sich irgendwann, nach einigen Knallern, in Wohlgefallen auf. Und dann auch wieder nicht.
Erdbeerfröschchen gibt es übrigens wirklich, sie sind rot, die Beine blau. Ebendies trifft auf Schmuckhornfrösche (kugelrund, farbenfroh und sehr gefräßig, wie ich recherchieren konnte) zu. Ob es allerdings wirklich den Katholikenfrosch und den Darwinfrosch gibt? Tja, ich weiß es jetzt!
Archetyp ist in seinen Details so liebevoll bebildert und getextet, ich habe das Buch mehrmals gelesen, um mir hoffentlich nichts entgehen zu lassen. Wie „Noahs Frau“ (deren Name in der Bibel offenbar unerwähnt bleibt) im Zelt sitzt, neben sich das freundlich dreinblickende Schaf, von dessen Hinterteil sie direkt die Wolle abstrickt, gibt ein definitiv feines Bild. Gesichtsausdrücke von Mensch und Tier, ganz allgemein und insbesondere noch extra, sind köstlich, lustig, lehrreich. Mit mancher Zeichnung hat Ralf König monumentale Aussagen derart auf den Punkt gebracht, dass nur andächtiges Staunen, Lachen oder Heulen bleibt. Als Beispiel sei genannt das Tier zum Text: „Ob Noah wirklich Tiere mag: erstmals im Rowohlt Buchverlag!“
Und auch das Wort, ob gereimt oder im Fluss, trifft gelegentlich von hinten durch die Brust ins Auge, autsch! Kurzum: Ralf Königs Comic stellt eine einmalige, erzählende Kunstform dar, die Herz und Geist erfreut.
Würde ich nun schreiben, Archetyp sei ein mehrschichtiges Lehrstück, träfe das zwar zu, griffe aber viel zu kurz. Nichtsdestotrotz kann man die eigene Ähnlichkeit zu genau dem Noah, über den man sich eben noch hämisch belustigte, irgendwann nicht abstreiten. Und das macht Archetyp zu einem auch düsteren Werk, das unterhält, amüsiert, belustigt und traurig machen kann, je nachdem.
Der Katalog
Christine Vogt, Direktorin der Ludwig Galerie, hat anlässlich der Ausstellung „Der Eros der Nasen“ einen Katalog mit Beiträgen des Comic-Kenners Andreas C. Knigge, dem FAZ-Feuilletonisten Andreas Platthaus und einer eigenen Würdigung Königs herausgegeben. Zudem finden sich im Katalog Fragmente von Ralf Königs Comics seit den 1980ern, in denen sowohl sein Werdegang wie auch die Entstehung seiner Bücher nachvollziehbar werden. Darüber hinaus zeigen die Beiträge, welche wichtige Rolle Ralf König für die gesellschaftliche und sexuelle Liberalisierung in der Bundesrepublik Deutschlands spielte, für die „Kunstwerdung“ von Comics in Deutschland, für die angemessene Bekämpfung religiöser Zensur in Zeiten des Karikaturenstreits. Ganz abgesehen davon, thematisieren die drei Fans, wie gekonnt Königs Kunst tatsächlich ist, mit welchen Erwartungen er spielt, welche er sprengt, und wie genau er das tut.
Das macht diesen Katalog studierenswert.
Fiona Lorenz
Der ARCHETYP ist auch im denkladen erhältlich.