Ein Handy ist wie eine Elektronische Fußfessel

MARBURG. (hu/hpd) "Handys sind wie Elektronische Fußfesseln." Seinen überspitzt erscheinenden Vergleich begründete Burckhard Nedden am Dienstag im Hörsaalgebäude der Philipps-Universität. Eingeladen zu seinem Vortrag unter dem Titel "Ich habe doch nichts zu verbergen, oder?" hatten die Humanistische Union (HU) und das Zentrum für Konfliktforschung (ZfK) der Philipps-Universität.

Anhand alltäglicher Verrichtungen skizzierte der ehemaligen niedersächsischen Landesbeauftragten für Datenschutz, Burckhard Nedden, die vielfältigen Vorgänge, bei denen Daten über die Bürgerinnen und Bürger erhoben werden. Wer beispielsweise telefoniert, der hinterlässt damit eine Datenspur, die die Ermittlungsbehörden mindestens sechs Monate lang nachvollziehen können. Denn durch die gesetzlich vorgeschriebene Vorratsdatenspeicherung ist jeder Telefon-Anbieter verpflichtet, alle Verbindungsdaten mindestens sechs Monate lang aufzuheben. Zwar habe das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) mit einer Einstweiligen Anordnung den Zugriff auf diese Daten stark eingeschränkt, doch stehe das endgültige Urteil dazu noch aus. Aufgehoben werden müssen die Daten so lange jedenfalls.

"Wir Datenschützer haben ernste Bedenken bei jeder großen Datensammlung, die irgendwo besteht", erklärte Nedden. Denn nach allgemeiner Erfahrung sei es nur eine Frage der Zeit, bis sie gehackt wird oder Informationen daraus anderswo auftauchen.

Bewegungsprofile der Nutzer von Mobiltelefonen

Neben dem Telefonieren im Festnetz, wo nur die Rufnummer des Anrufers, die Nummer des Angerufenen und die Zeit und Dauer des Gesprächs aufgezeichnet werden, komme beim Mobiltelefon auch noch der Standort hinzu. Da sich jeder Handy-Nutzer mit seinem Gerät von einer Sendezelle zur nächsten bewege und dort automatisch angemeldet oder weitergereicht werde, entstehe so ein engmaschiges Bewegungsprofil der Nutzer von Mobiltelefonen.

Schließlich umfasse die Vorratsdatenspeicherung auch alle Verbindungsdaten im Internet sowie Informationen über verschickte e-Mails. Hier werden die e-Mail-Adressen und die so genannten IP-Adressen des Versenders und des Empfängers sowie die Zeit der Verschickung aufgehoben.

Für die Provider bringe die gesetzliche Verpflichtung zur Speicherung dieser Daten gewaltige technische und damit letztlich auch wirtschaftliche Probleme mit sich. Schließlich müssten diese Daten nicht nur sicher verwahrt und vor unberechtigtem Zugriff geschützt werden, sondern im Bedarfsfall auch umgehend verfügbar sein.

Auf eine Frage aus dem Publikum, wie sicher solche Daten bei kommerziellen Providern sind, äußerte Nedden nochmals die Furcht vor einem Daten-Diebstahl. Allerdings glaube er nicht, dass Provider selbst nachlässig mit diesen Daten umgingen, weil sie damit ihr Geschäft massiv gefährdeten. Schließlich sei es ihr wesentliches Geschäftsinteresse, einen sicheren Informationsaustausch zu gewährleisten.

Daten-Sammelwut der Privatwirtschaft

Allerdings warnte Nedden vor der schier grenzenlosen Daten-Sammelwut der Privatwirtschaft. Preisausschreiben oder auch die meisten Kundenkarten dienten nur dazu, Informationen über mögliche Konsumenten zu gewinnen. Diese Informationen werden häufig auch an andere Interessenten weiterverkauft.

"Für einen Weinhandel ist es von Interesse, dass Sie gerne Wein trinken", erläuterte der Datenschützer. Für eine solche Firma sei es viel Erfolgsversprechender, ihre Werbung nur an Leute zu richten, die sie schon als mögliche Käufer einschätzt. Eine solche Information werde deswegen durchaus mit fünf Euro bezahlt.

Problematisch sei vor Allem die Anhäufung solcher Kenntnisse. Sie ermögliche es der Wirtschaft, ein umfassendes Bild über einen Menschen und sein Kaufverhalten zu gewinnen.

In diesem Zusammenhang nannte Nedden die Suchmaschine Google, die detaillierte Profile aller Such-Anfragen speichere. Man selbst könne Daten seiner vorherigen Anfragen einsehen und sogar löschen, doch vernichte man damit nicht zugleich auch die Speicherung bei Google.

Bei einem Einkauf hinterlässt der Kunde vor allem dann Datenspuren, wenn er mit Scheck-, Kredit- oder Kundenkarte bezahlt. Problematisch werde das in Verbindung mit dem Einsatz sogenannter RFID-Chips. Dabei handelt es sich um winzige Chips, die an die Ware geklebt sind. Mit Funksignalen übermitteln sie die auf ihnen abgespeicherten Informationen berührungslos an entsprechende Lesegeräte. War der Strichcode auf Waren früher nur einzelnen Warengruppen wie Tomatensuppe einer bestimmten Marke zugeordnet, so erhält jeder einzelne RFID-Chip eine eigene Nummer. Bezahle man Schuhe mit einer Kredit- oder Kundenkarte, so könne man mit Hilfe der RFID-Technik hinterher ein Bewegungsprofil des betreffenden Käufers erstellen.